„Wir müssen aus der Krise herauswachsen“
ÖGB-Chef Foglar: „Bestimmte Clique hat die gesamte heimische Politik in Geiselhaft genommen.“
Die jüngsten Korruptionsfälle lassen das letzte bisschen Vertrauen in die Politik dahinschmelzen. Eine düstere Entwicklung.
FOGLAR: Der Frust ist berechtigt. Doch leider werden wieder die schwarzen Schafe in den Vordergrund gerückt. Die Mehrheit der Politiker, angefangen vom Nationalrat bis hin zur Gemeindeebene, ist anständig. Diese anständigen Vertreter werden von einer Clique, derer man sich in Österreich anscheinend nicht entledigen kann, in Geiselhaft genommen.
Das Volk hat aber das Vertrauen in alle seine gewählten Vertreter verloren.
Was die Menschen zu Recht und auch mich selbst zutiefst aufregt, ist, dass bestimmte Politiker jeden Anstand und jede Moral verloren haben. Daher, denke ich, besteht eine immense Frustration. Es wäre einfach, dies zu korrigieren. Da braucht man keine hochkomplizierten Gesetze, sondern einfach nur Anstand! Sobald ich im Zusammenhang mit meiner politischen Funktion verurteilt werde, muss ich zurücktreten. Das Schauspiel, das wir jetzt aus Kärnten geliefert bekommen, ist blanker Hohn. Dort sollten allein schon aus Gründen der politischen Hygiene rasch Konsequenzen gezogen werden.
Auch mit Reformen ließe sich das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen. Oder?
Die Gewerkschaft mahnt seit Jahren Reformen ein, wie etwa in der Bildungspolitik. Doch die Stimmen für das Volksbegehren wurden schubladisiert. Auch das fördert Politikverdrossenheit. Hier hätte es die Politik in der Hand, entgegenzusteuern, stattdessen herrscht eine Blockadehaltung. Das wollen die Menschen schon lange nicht mehr verstehen.
Zur Bildung. Für Schüler, die nach der Pflichtschule keine Lehre oder keine höheren Schulen besuchen, fordern Sie ein 10. Schuljahr. Warum?
Es geht uns um eine Ausbildungspflicht für Jugendliche, die nach der Pflichtschule in keiner Ausbildungsform auftauchen. Diese 6.000 bis 8.000 Jugendlichen jährlich haben keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Für alle anderen ändert sich nichts. Als Gesellschaft dürfen wir uns nicht aus der Verantwortung stehlen, daher hoffe ich auf eine Lösung für diese Jugendlichen.
Sie kritisieren, dass Gewinne explodieren, während Löhne stark belastet werden. Welchen Ausweg sehen Sie?
Das Problem ist, dass von den Lohnerhöhungen netto sehr wenig übrig bleibt. Das hängt mit unserem Abgabensystem zusammen. Denn die hohe Steuerlast liegt fast ausschließlich auf den Arbeitseinkommen. Das kann man mit Lohnverhandlungen nicht beseitigen, das ist eine Frage der Steuerpolitik. Daher lautet unsere Forderung, dass vermögensbezogene Steuern einen größeren und faireren Beitrag zur Finanzierung des Staates leisten müssen.
Zur Person:
Erich Foglar, 1955 in Wien geboren, ist gelernter Werkzeugmacher und seit 2009 Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Die Interessensvertretung repräsentiert ca. 1,2 Mio. Menschen. Foglar, der in der Früh lieber mit der U-Bahn anstatt mit dem Dienstauto zur Arbeit fährt, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Autorin: Karin Strobl
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.