„Österreich ist eine Oase“

Philosoph Frithjof Bergmann unterrichtet unter anderem an der Harvard-Universität und entwickelt – vor allem in Afrika – sein Modell der neuen Arbeit. In Gemeinschaften stellt man sich hochtechnische Produkte selbst her
  • Philosoph Frithjof Bergmann unterrichtet unter anderem an der Harvard-Universität und entwickelt – vor allem in Afrika – sein Modell der neuen Arbeit. In Gemeinschaften stellt man sich hochtechnische Produkte selbst her
  • hochgeladen von Vanessa Pichler

WOCHE: Was unterscheidet die neue Arbeit von der alten?
Frithjof Bergmann: Die alte Arbeit ist die, die man tun muss. Die „Neue Arbeit“ ist die, die man wirklich tun will.

Selbstverwirklichung?
Sehr viele Menschen wissen nicht, was sie wollen. Sie werden in unserem Bildungssystem unterdrückt, weil man davon ausgeht, dass er aus Geiz, Gier oder Selbstsucht besteht. Und Freiheit bedeutet in diesem Sinn, dass er seine Wünsche verwirklichen kann. Die Arbeit aber ist entfremdet. Arbeit, die nicht entfremdet ist, ist die, die man wirklich tun will.

Dafür muss man wissen, was man will …
Der Mensch braucht viel Begleitung, Gespräch und Austausch mit anderen. Und er muss viel ausprobieren können, um sagen zu können: „Das ist es jedenfalls nicht.“ Wir haben ein System, das das Gegenteil erzwingt. Menschen werden ins Leben entlassen ohne Kompass.

Model, Popstar und vieles mehr – Casting-Shows werden von Jugendlichen gestürmt. Wissen diese, was sie wollen?
Sehr viele Menschen haben ein zerbrechliches Verhältnis zu dem was sie wollen. Die ganze Welt trommelt auf ihnen herum, mit dem, was sie machen sollen – etwas Praktisches, mit dem man gutes Geld verdient. Wir leben jetzt in einer Kultur, in der man mit Musik viel Geld verdienen kann.

Ist Glück der Schlüssel zu wirklich gewollter Arbeit?
Tatsache ist, dass die ältere Generation ganz und gar ignorant ist, wenn es um die Job- und Verdienstmöglichkeiten der jetzt reif werdenden Generation geht. Sie haben nichts als blöde Ratschläge.

Würde jeder Mensch tun, was er wirklich will, gäbe es Leute, die die Straße kehren oder Toiletten putzen?
Man könnte diese Sachen anders organisieren. Mein liebstes Beispiel ist Taxifahren – es in Manhattan zu tun, ist vom Allerschlimmsten. Aber: Wenn Studenten in den Ferien Taxi fahren würden und sehen, was sich auf der Rückbank ereignet, wäre das abenteuerlich und auch pädagogisch, eine Ausbildung in Sozialpsychologie. Niemand müsste lebenslang Taxi fahren. Das ist natürlich modellhaft. Auch mit Technologien kann man viel machen, Abläufe automatisieren.

Was hindert die Menschen?
So wie die Welt jetzt organisiert ist, können das nur Ausnahmen. Mit der „Neuen Arbeit“ könnte eine Wirtschaft entstehen, die wir Grundwirtschaft nennen. Eine Gemeinschaft könnte sich fast alles, was man zum Leben braucht, selbst erzeugen. Es gibt eine Fülle von raffinierten Maschinen, mit denen man mit Begleitung Nahrung und Kleider und auch das eigene Handy und Auto erzeugen kann.

Aus welchem Grund sollte sich das Modell durchsetzen?
In Teilen der Welt ist es schon selbstverständlich, dass man Möglichkeiten braucht, Dinge selbst herzustellen. Österreich ist eine immer seltener werdende Ausnahme, die Oase, in der einem die Früchte auf den Kopf fallen. Wenn Italien, Spanien, Portugal und Griechenland so weitermachen, wird es ein regelrechtes Problem. In Österreich rechnet man damit nicht genug. Man verlässt sich auf den Export, ist der felsenfesten Überzeugung, dass es ewig so weitergehen wird.

Finanzhilfen für Länder, Bankenhilfen, Konjunkturpakete – dies hilft nicht?
Diese Art von Beruhigung ist, als ob man einem Krebskranken ein Pflaster auf die Brust klebt. Dass wir jetzt durch eine radikale Veränderung gehen, ist aber Tatsache. Man muss sich darauf vorbereiten.

Nach Ausbruch der Wirtschaftskrise haben viele eine Veränderung angekündigt. Wann wird sie kommen?
Die Finanzkrise war etwas anderes, als man sich in Österreich zurechtdefiniert hat. Das Niveau der Löhne in den USA ging jahrelang nach unten. Man hat aber versucht, den Schein des Wohlstandes aufrecht zu erhalten, bis es nicht mehr klappte. In der Finanzkrise sind viele damit konfrontiert worden, dass ihr Lohn ein Drittel von dem ist, was er ursprünglich war. Das ist in Österreich auch gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Die Frage lautet: Wann wird in Österreich der Punkt erreicht, an dem man sich den Schein des Wohlstandes nicht mehr leisten kann? Die Staatsschuld ist gar nicht so klein, Kommunen haben kein Geld mehr …

Autor: Gerd Leitner

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