Trauer um Verstorbene
Der Umgang mit dem Tod für Hinterbliebene

- Der Tod ist in der Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema.
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Der Tod ist in unserer Gesellschaft häufig ein Tabuthema, obwohl er einen unvermeidlichen Teil unseres Lebens darstellt. Diese gesellschaftliche Verdrängung erschwert den offenen Umgang mit dem Tod und seiner Bedeutung. Besonders für Hinterbliebene stellt der Verlust eines geliebten Menschen eine enorme Herausforderung dar. Der Umgang mit Trauer und der Verlustbewältigung sind essenziell, um den Schmerz zu verarbeiten und wieder ins Leben zurückzufinden.
BEZIRK GÄNSERNDORF. In einem Gespräch mit dem Bestatter Stefan Pilgram aus Deutsch-Wagram gab er interessante Einblicke in seinen Beruf. Ursprünglich arbeitete er im Rettungsdienst, doch ein Vorstellungsgespräch, das eigentlich für eine Stelle als Bauhofmitarbeiter gedacht war, lenkte ihn auf einen völlig neuen Weg. Man fragte ihn, ob er sich vorstellen könnte, als Bestatter zu arbeiten – und so begann seine Laufbahn in diesem besonderen Beruf.

- „Besonders bei vermeintlich einfachen Fragen, wie ob sich die Mutter eine Erd- oder Feuerbestattung gewünscht hätte, fließen viele Tränen“
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Pilgram berichtet, dass manche ihre eigene Bestattung im Voraus planen. Dies wird als "Auftrag auf Lebzeiten" bezeichnet. Dabei werden die wichtigsten Wünsche festgehalten, wie etwa die Wahl zwischen Erd- oder Feuerbestattung oder der gewünschte Bestattungsort. Diese Informationen werden vom Bestatter archiviert, sodass im Todesfall die individuellen Vorstellungen der verstorbenen Person umgesetzt werden können.
Bedeutung der Bestattungswünsche
Tritt ein Sterbefall unerwartet ein, unterscheidet sich das Vorgehen kaum von einer vorherigen Planung – in diesem Fall müssen jedoch die Hinterbliebenen über die Bestattungsart entscheiden. Zwar kennen sie die Wünsche der verstorbenen Person oft gut, doch in solchen Momenten spielen Emotionen eine große Rolle. „Besonders bei vermeintlich einfachen Fragen, wie ob sich die Mutter eine Erd- oder Feuerbestattung gewünscht hätte, fließen viele Tränen“, erzählt Pilgram. Das liegt vor allem daran, dass nur wenige Menschen zu Lebzeiten über ihre eigenen Bestattungswünsche sprechen. Deshalb kommen oft Angehörige zu Stefan Pilgram, die unsicher sind, welche Bestattungsform für die verstorbene Person in Frage komme.

- Besonders für Hinterbliebene stellt der Verlust eines geliebten Menschen eine enorme Herausforderung dar.
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Für Menschen, welche sich mit dem Thema Tod beschäftigen möchten und auch psychologische Aspekte dahinter verstehen möchten, empfiehlt er den „Letzte-Hilfe-Kurs“.
Mitgefühl und Sensibilität im Umgang mit Trauernden
Seit über sieben Jahren arbeitet Stefan Pilgram als Bestatter und hat in dieser Zeit die unterschiedlichsten Situationen und Reaktionen erlebt. „Jeder Mensch trauert anders, so individuell wie er selbst ist“, erklärt er. Als Bestatter sei es essenziell, menschlich zu sein und zu bleiben, um Trauernde zu unterstützen.
„Man kann sich in Wahrheit nicht auf den Tod eines geliebten Menschen vorbereiten. Er kommt bei ihnen immer zu früh“, erklärt er. Selbst wenn man darauf vorbereitet ist, dass diese Person versterben wird.

- „Man kann sich in Wahrheit nicht auf den Tod eines geliebten Menschen vorbereiten. Er kommt bei ihnen immer zu früh“.
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Einer der Sätze, den er für besonders problematisch hält, ist: „Wenn du etwas brauchst, dann melde dich.“ Zu Trauernde werden diese Worte am häufigsten gesagt, dass sie diese nicht mehr hören wollen. Auch unbedachte Beileidsbekundungen sind nicht immer erwünscht. Ein gutes Gespür für die richtige Wortwahl ist daher unerlässlich für einen Bestatter. „Mit Trauernden umzugehen, gelingt am besten, wenn man ehrliches Mitgefühl hat“, sagt Pilgram.
Emotionale Abgrenzung
Er schildert, dass in Momenten der Trauer das rationale Denken oft nicht wie gewohnt funktioniert. Viele Menschen verdrängen zunächst, dass der geliebte Mensch verstorben ist – für Außenstehende mag das schwer nachvollziehbar sein, doch ein erfahrener Bestatter erkennt diese Mechanismen. Gleichzeitig muss er lernen, sich emotional abzugrenzen. „Wir haben einen anderen Bezug zum Tod und nehmen ihn als das, was er ist“, sagt Pilgram.
Veränderte Bestattungstraditionen
In den vergangenen Jahren hat sich die Feuerbestattung zu einer der häufigsten Bestattungsformen im Einsatzgebiet der Bestattung Deutsch-Wagram entwickelt und liegt mittlerweile bei über 40 Prozent, die tendenziell steigt. Im Jahr 2009 lag diese bei etwa 9 Prozent. Viele Menschen entscheiden sich bewusst gegen ein klassisches Grab, da sie ihre Angehörigen nicht mit der Grabpflege belasten wollen. Alternativen wie See- oder Waldbestattungen werden zunehmend beliebter, da sie den Verstorbenen näher an die Natur bringen.
Begleitung in der Trauer
Die Leiterin einer Trauergruppe gibt Einblicke in ihre Arbeit. Die Trauergruppe Deutsch-Wagram ist eine private Selbsthilfegruppe, die sich der Unterstützung von Trauernden widmet. Neben den monatlichen Treffen, bei denen unterschiedliche trauerspezifische Themen im Beisein einer weiteren Trauerbegleiterin behandelt werden, liegt der Fokus auf der individuellen und persönlichen Begleitung der Betroffenen. Ein besonderer Stellenwert kommt der privaten Vernetzung der meist alleinstehenden Trauernden zu, die dadurch lernen, die Ressourcen einer Peergroup zu nutzen.

- Menschen ohne vergleichbare Erfahrungen können kaum nachvollziehen, wie sich tief empfundene Trauer anfühlt.
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Aus eigener Erfahrung weiß die Leiterin der Gruppe, wie belastend und einsam der Trauerprozess sein kann. Der plötzliche Verlust ihres Mannes durch einen Herzinfarkt war eine emotionale Tragödie. Nach kurzer Zeit entstand das Gefühl, das persönliche Umfeld nicht länger mit diesem Thema belasten zu wollen. Ein prägendes Erlebnis war eine beiläufige Bemerkung eines Kollegen nur drei Monate nach dem Verlust: „Nau, jetzt geht’s wieder, gell?“ Diese Worte machten deutlich, dass Menschen ohne vergleichbare Erfahrungen kaum nachvollziehen können, wie sich tief empfundene Trauer anfühlt.
Austausch, Verständnis und neue Wege
Auf der Suche nach Verständnis und Austausch besuchte sie erstmals eine Trauergruppe. Dort erlebte sie, dass jede Trauer individuell verläuft, sich aber in einem geschützten Rahmen mitunter besser teilen lässt als im Kreis von Familie oder Freunden. Andere Betroffene verstehen zudem, dass Trauer über Jahre hinweg bestehen kann. Ein einziges monatliches Treffen reichte ihr jedoch nicht aus, weshalb sie das Bedürfnis verspürte, für andere Trauernde ein Angebot zu schaffen, das ihren eigenen Wünschen in der Trauer entsprochen hätte.

- Vielen Menschen fehlt der Umgang mit Trauernden, sie fürchten, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, und ziehen sich daher oft zurück.
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Die Arbeit mit Trauernden verleiht ihrem Leben einen neuen Sinn. Der Tod ihres Mannes war nicht nur eine emotionale Katastrophe, sondern führte letztlich zu etwas Positivem: Ohne diese Erfahrung hätte sie sich nicht in der Trauerbegleitung engagiert. Viele Trauernde stellen sich in ihrer Situation die Sinnfrage – für sie selbst wurde die Unterstützung anderer zur Antwort darauf.
Einfühlungsvermögen und Selbstfürsorge
Die Begleitung von Trauernden empfindet sie nicht als Herausforderung, doch manchen fällt es schwer, sich zu öffnen. Hier sind Einfühlungsvermögen, Achtsamkeit und gegebenenfalls das Aufzeigen weiterer Bewältigungsstrategien, wie etwa therapeutische Angebote, gefragt. Durch die eigene Erfahrung wurde ihr bewusst, wie essenziell Maßnahmen zur Stärkung des Wohlbefindens sind. Wer sich um Trauernde kümmert, sollte dabei auch auf die eigene Selbstfürsorge achten. Deshalb nimmt sie regelmäßig Supervision in Anspruch.
Trauer braucht Nähe und Verständnis
Der Tod ist in der Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema. Vielen Menschen fehlt der Umgang mit Trauernden, sie fürchten, etwas Falsches zu sagen oder zu tun, und ziehen sich daher oft zurück. Dabei ist es für trauernde Menschen besonders wichtig, dass ihr Umfeld präsent bleibt. Ihr Rat: Auf Trauernde zugehen, ihnen verständnisvoll zuhören und die eigene Hilflosigkeit akzeptieren – denn oft genügt es, einfach da zu sein.
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