Leserbrief zum Thema 'Mindestsicherung kürzen' v. Karl Immervoll
In einem konkreten Beispiel aus der „Kampagne für die Leistungswilligen“ der Niederösterreichischen Volkspartei wird die Situation einer 4-köpfigen Familie mit Mindestsicherungs-Bezug mit jener einer 4-köpfigen Familie eines alleinverdienenden Tischler-Gesellen vergleichen. Die Armutskonferenz weist nach, dass es eine Reihe von Einkommen, Förderungen und steuerlichen Vorteilen gibt, die Erwerbstätigen, nicht aber Mindestsicherungs-BezieherInnen offen stehen. In der aktuellen Diskussion bleiben sie aber regelmäßig unerwähnt. Die Armutskonferenz hat nachgerechnet. Eine Summe von 863 € im Monat wird "unterschlagen", die der Familie des Tischler-Gesellen im Jahr zusätzlich zu monatlichem Erwerbseinkommen und den Familienleistungen des Bundes zur Verfügung stehen bzw. stehen könnten. Das heißt: Entgegen der Darstellung der NÖ Volkspartei hat nicht die Mindestsicherung beziehende Familie, deren Einkommen durch die im Beispiel genannten Befreiungen um ca. 39,50 € Monat erhöht wird, unterm Strich mehr an verfügbaren Einkommen. Sondern die Familie des Tischler-Gesellen hat aufs Monat umgerechnet um 770 € mehr als die Mindestsicherung beziehende Familie! Und hat ebenso, wie die Mindestsicherung beziehende Familie, Anspruch auf Rezeptgebühren-Befreiung auf Antrag. Hinzu kommen zusätzliche Ansprüche in Arbeitslosen- und Pensionsversicherung, sowie die steuerliche Absetzbarkeit von außerhäuslicher Kinderbetreuung. Interessantes Detail am Rande: die Familie des Tischler-Gesellen hätte, sofern sie in einer Mietwohnung lebt, selbst Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung – und gleichzeitig jede Menge Gründe, diese nicht in Anspruch zu nehmen (unter anderem: Pflicht zur Vermögensverwertung, dh. Sparbuch auflösen, Auto, Lebensversicherung, Bausparvertrag, Haus und Grund veräußern,…). Addiert man alle Ansprüche, Förderungen und Vergünstigungen, dann ergibt sich eine Summe von 863 € (ohne Familienleistungen des Bundes) bzw. 1.260 € (incl. Familienleistungen des Bundes), die der Familie des Tischler-Gesellen im Jahr 2016 pro Monat (Jahreszwölftel) zusätzlich zu ihrem Netto-Einkommen von 1.589 € zur Verfügung steht bzw. stehen könnte. In Summe ergibt sich ein verfügbares Monats-Einkommen (Jahreszwölftel) von 2.451,62 € vor bzw. 2.848,55 € nach Familienleistungen des Bundes.
Karl Immervoll, Heidenreichstein via E-Mail
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