Ohne Schiedsrichter rollt die Kugel nicht!

Alle Fußballfreunde müssen daran arbeiten, dass solche Bilder niemals Realität werden. | Foto: Archiv
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  • Alle Fußballfreunde müssen daran arbeiten, dass solche Bilder niemals Realität werden.
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Cemil Et ist Fußball-Schiedsrichter. Nach einem Tiroler Lokalderby, in dem er einen klaren Elfmeter gepfiffen hatte, wurde er auf dem Parkplatz attackiert. Der Angreifer warf ihm Naziparolen an den Kopf und nahm ihn in den Schwitzkasten. Nur durch das Eingreifen der Freundin des Angreifers konnte Gröberes verhindert werden.
Andreas Heiss ist einer der besten Tiroler Schiedsrichter. Er hätte aufgrund solcher Vorfälle fast seine Karriere beendet.
Reinhard Kaserer, Obmann der Tiroler SchiedsrichterInnen, weiß, dass es sich immer noch um Einzelfälle handelt, diese seien aber brutaler als früher. Schließlich habe man deshalb ein Nachwuchsproblem. Dieser Entwicklung will man jetzt entgegentreten. Der Tiroler Fußballverband möchte seine Bemühungen, junge Menschen zu gewinnen, verstärken.

Tirol hat fast 200 Schiedsrichter

... und sie gehören zu den besten in Österreich. Das Schiedsrichterwesen im TFV ist in allen Bereichen bestens aufgestellt. Personell und strukturell. Auch wenn in den letzten Jahren an der Spitze einen großen Aderlass zu verzeichnen war, will man mit jungen SchiedsrichterInnen und AssistentInnen daran anzuknüpfen.
Schiedsrichterwerbung einerseits und Gewaltdiskussionen andererseits – passt dies zusammen? Diese Frage stellt sich auch Schiri-Obmann Reinhard Kaserer: "Bevor wir Interessenten den Schiedsrichtersport schmackhaft machen können, müssen wir gemeinsam verbale und körperliche Gewalt bekämpfen und wieder den Respekt einfordern, den sich alle Beteiligten wünschen und auch verdienen. Soll der Fußball so weiter bestehen wie er jetzt ist, dann muss sensibilisiert werden.
Die Zahl der Aktiven ist rückläufig, Abgänge können mit den Zugängen nicht mehr aufgefangen werden, von einer Personalsteigerung kann nicht mehr gesprochen werden. Vor allem im Bereich der Nachwuchsschiedsrichter verlieren wir am meisten Personal. Das Image der Schiedsrichter ist mehr als verbesserungswürdig, zu selten werden die Unparteiischen als das gesehen, was sie sind: Freunde des Fußballs, Teil des Spiels."

Zum Abschluss der Seminarwochen „Schiedsrichter“ des TFV wirft Reinhard Kaserer, der Obmann der Schiedsrichter des TFV, einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht die Zukunft aus, was könnte sich ändern, was muss sich ändern? Gedankenmodelle, Anregungen und Visionen für eine (noch) bessere Zukunft für Tirols Schiedsrichter.

REINHARD KASERER ÜBER...

... Möglichkeiten, noch mehr fußballbegeisterte Menschen dazu zu bringen, einen Anwärterkurs zu absolvieren und Schiedsrichter zu werden:
"In diesem Bereich wird bereits jetzt sehr viel getan. Die Landes- und Regionalverbände lassen sich immer wieder neue Kampagnen einfallen, um neue Schiedsrichter zu werben. Generell sollten die Zugangsvoraussetzungen für den Schiedsrichterjob möglichst einfach gestaltet und die modernen Kommunikationsmittel wie Facebook usw. stärker eingebunden werden. Der nächste Schritt wird sein, dass wir die Kurse online anbieten. Aber solange wir das Image der Schiedsrichter nicht steigern können, kämpfen wir gegen Windmühlen."

... finanzielle Anreize beziehungsweise eine höhere Aufwandsentschädigung für die Schiedsrichter im Amateurbereich:
"Schiedsrichter werden bei uns in Tirol in allen Spielklassen angemessen honoriert. Dennoch wäre ein "Ködern" des Schiedsrichter-Nachwuchses über finanzielle Anreize nicht der richtige Ansatz. Wir brauchen Schiedsrichter, die den Schiedsrichterjob als Sport für sich begreifen wollen und ihn mit Idealismus betreiben, aus Überzeugung und aus Freude an der „Schiedsrichterei“ im Gesamtsystem Fußball. Es ist die falsche Motivation, wenn jemand nur des Geldes wegen Schiedsrichter wird. Eine Symbiose aus Beiden ist der richtige Weg. Trotzdem darf aber aus Sicht der Vereine nicht immer wieder das Finanzielle in Frage gestellt werden. Alle finanziellen Aktivitäten in den Vereinen, wie teure Spieler und Trainer bereits in unterklassigen Vereinen, werden nie thematisiert. Nur über die Spielgebühren und Fahrt-kosten der Schiedsrichter werden immer wieder Diskussionen geführt. Am liebsten wäre es, wenn der Schiedsrichter noch Geld mitbringen würde und als Bittsteller auftreten darf. Das geht gar nicht. Ich weise darauf hin, dass wir auch Mitglieder des TFV sind."

... das Image der Schiedsrichter und über Vorbilder, denen Schiedsrichter und Schiedsrichter-Anwärter nacheifern können:
"Es sollte nicht so sein, dass es um einen Schiedsrichter ein mit den Spielern vergleichbaren Starkult gibt. Es geht vielmehr um die gesamte Gruppe. Hier könnte ein positives Image der Schiedsrichter präsenter sein. Es müsste gelingen, noch klarer darzustellen, dass alle Beteiligten im Fußball eine Einheit bilden. Spieler, Trainer, Fans und Schiedsrichter bilden am Ende die Solidargemeinschaft im Fußball. Als Beteiligte mit unterschiedlichen Rollen, teils auch als Partner. Aktuell ist die Wahrnehmung noch eher so, dass Spieler, Trainer und Fans sich als Teil des Fußballs sehen - und die Schiedsrichter auf der anderen Seite stehen. Dabei gehören alle notwendig zum Fußball. Ohne Spieler kein Fußball! Ohne Schiedsrichter kein Fußball! Ohne Fans kein Fußball!"

... Möglichkeiten und Wege, Schiedsrichtern Perspektiven aufzuzeigen:
"Da geht es um die Ausgewogenheit zwischen dem Anspruch 'Spitze' und 'Breite'. Die Perspektive darf nicht zu stark auf die 'Spitze' ausgerichtet sein. Wer den Aufstieg in die überregionalen Spielklassen nicht schafft, ist noch längst kein Schiedsrichter ohne Perspektive. Es gilt auch, die Spielklassen innerhalb der Landesverbände mit qualifizierten Schiedsrichtern zu besetzen. Da könnte man dann stärker nach den Leistungen auf dem Spielfeld gehen, auf Erfahrung und Spielleitungskompetenz setzen und die formalen Zulassungsvoraussetzungen - zum Beispiel das Alter - etwas flexibler handhaben."

... Möglichkeiten, die Gewalt an Schiedsrichtern zu reduzieren:
"Ich bleibe dabei: Die zunehmende Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das sich auch im Fußball widerspiegelt. Wir dürfen dabei auch nicht verkennen, dass negative Ereignisse, zu denen auch Gewaltanwendung gehört, im Zentrum der medialen Aufarbeitung stehen. Geniale Spielzüge, tolle Tore, auch das wird transportiert – grandiose Spielleitungen von Schiedsrichtern führen nicht zu Schlagzeilen. Wir können festhalten, dass Gewalt gegen Schiedsrichter in Tirol bei weitem nicht die Regel ist. Die Regel ist vielmehr, dass in Tirol an jedem Wochenende hunderte von Fußballspielen umkämpft, aber noch friedlich im Sinne eines positiven Sportgeistes ablaufen. Dennoch: Jeder Vorfall ist schlimm und einer zu viel sollte konsequent und ohne Nachsicht gegen die Übeltäter aufgearbeitet werden. Aber schauen wir über die Landesgrenzen hinaus, z.B. in Deutschland, einer Fußballweltmacht, gibt es alarmierende Berichte über Gewalt und in weiterer Folge stark sinkende Schieds-richterzahlen. Die leidtragenden sind die Vereine; sie sind es, die die Schiedsrichter brauchen. Also arbeiten wir jetzt gemeinsam an einer Veränderung und nicht, wenn es zu spät ist."

... Schiedsrichterschulungen als Lizenzvorrausetzungen für Trainer auf allen Ebenen:
"Beim Fußball-Trainer-Lehrgang in vielen Verbänden ist ein Baustein der Ausbildung die Regelkunde, mit Lehreinheiten und einer Prüfung als Abschluss. Das ist ein richtiger Weg.
PK am 27.03.2014: „OHNE SchiedsrichterInnen – KEIN Fußball“ 2
Auch bei den anderen Trainer-Lizenzierungen sollte die Regelkunde eingebunden sein. Ein weiterer Schritt wäre die praktische Umsetzung der erworbenen Kenntnisse in die Spielleitungspraxis. Denn wer einmal selbst ein Spiel geleitet hat, der wird sein Verhalten gegenüber den Schiedsrichtern danach mit Sicherheit zumindest überdenken."

... mehr Austausch zwischen Schiedsrichtern und Vereinen in den Amateur- und Jugendklassen:
"Kommunikation und Dialog - das ist immer ein guter Weg. Er führt zu dem Menschen, der beispielsweise in der Rolle des Schiedsrichters steckt und natürlich auch zu den Menschen, die in der Rolle der Vereinsfunktionäre, Trainer oder Spieler stecken. Das führt von einer rein institutionellen Betrachtung weg und die Anonymität wird aufgelöst. Dann könnten Verständnis und vielleicht sogar eine Form des Miteinanders im Spielbetrieb wachsen."

Karriere mit Pfiff

Wer sich als Schiedsrichter bewerben will, findet im Internet unter der Adresse http://www.tfv-schiedsrichter.at alle notwendigen Informationen.

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