St. Pölten: Ein 'Giftl' fürs Budget

- Michael Müllner erlebte als Journalist den SWAP-Streit am Handelsgericht live mit.
- hochgeladen von Bezirksblätter Archiv (Johannes Gold)
Michael Müllner bringt als neutrale Instanz Licht in den Streit zwischen St. Pölten und der Raiffeisenlandesbank.
ST. PÖLTEN (jg). Die Stadt St. Pölten gegen die Raiffeisenlandesbank (RLB): Es ist ein Streit, bei dem es um viel Steuergeld geht. Michael Müllner hat die Verhandlungen am Wiener Handelsgericht live miterlebt und die Geschehnisse im Magazin MFG dokumentiert. Im Gespräch mit den Bezirksblättern erklärt er als neutrale Instanz, wie es zu dem Streit kam, warum man sich noch nicht einigen konnte und welche Strategien die Streitparteien verfolgen.
Worum geht es in dem Streit?
"Die Stadt hat schlichtweg versucht, ihre Schulden zu bewirtschaften. Anreiz für das Geschäft mit der RLB war eine 'Upfront-Zahlung' über 1,5 Millionen: Die Stadt bekam einmal Geld, und jedes Quartal wurde der Euro-Kurs zum Schweizer Franken herangezogen, um zu schauen, ob die Stadt weiter Geld erhält oder zurückzahlen muss. Das hat heute einen negativen Touch, war damals aber das Gebot der Stunde. Das Problem ist, dass der Kurs irgendwann ins Minus gerutscht ist."
Wann hat die Stadt das Problem realisiert?
"Ich glaube sehr bald. Es war damals aber eine Situation, in der die Stadt hoffen konnte, dass sich die Lage wieder zum Positiven ändert. Man kann auch davon ausgehen, dass die Bank gesagt hat, jetzt nicht gleich die Panik bekommen und die Nerven verlieren. Man kann aber auch sagen, dass man kurz vor einer Gemeinderatswahl stand, und der Bürgermeister kein Interesse daran gehabt haben könnte, sich für 4 Millionen Euro Spekulationsschaden rechtfertigen zu müssen. Letztlich ist das Minus aber auf etwa 80 Millionen gewachsen."
Ist diese große Summe der Grund, warum man sich bis jetzt nicht einigen konnte?
"Bei kleineren Gemeinden mit ähnlichen Fällen waren Vergleiche leichter möglich. Wenn man aber 80 Millionen aufteilt, hat jeder Bankvorstand und jeder Bürgermeister, der erst erklärt, er sei im Recht, und dann einen Schaden von 40 Millionen akzeptiert, ein gewisses Erklärungsproblem."
Welche Strategien verfolgen die beiden Streitparteien?
"Der Anwalt der Stadt ist davon überzeugt, dass das Geschäft nicht korrekt zustande gekommen ist, weil die Stadt zu wenig über Funktionsweise und Risiko aufgeklärt worden sei. Er sagt, das Geschäft war quasi ein Giftl, und verweist auf Urteile aus Deutschland, die besagen, dass die Bank eine besondere Verpflichtung zur Aufklärung hat."
Und die Raiffeisenlandesbank?
"Die Bank sagt im Wesentlichen, wir haben geliefert, was die Stadt wollte. Die Vertreter wirken dabei sehr selbstbewusst und ihnen kommt auch die einfachere Rolle zu: Sie müssen die Angriffe der Stadt nur entkräften. Zudem ist das Image noch nicht angekratzt und die Bank spürt auch kaum öffentlichen Druck. Es fragt niemand, was sich die Bank eigentlich bei den riskanten Geschäften gedacht hat."
Inwieweit konnte bislang Licht in die Causa gebracht werden?
"Bisher wurde über Nebenschauplätze gestritten. Es ist noch nicht einmal die Rede davon, dass ein Gutachter bestellt werden soll, der schaut, ob das Geschäft riskanter war als andere Geschäfte der Stadt. Mit manch Formalismen wirkt es, als spiele die Stadt auf Zeit. Die letzte Instanz hat etwa den Ablehnungsantrag gegen Richter Ogris verworfen. Die Stadt hält aber einen gleichgelagerten Antrag bei der Widerklage der Bank noch aufrecht, statt zu sagen, wir akzeptieren, nun rasch zur nächsten Verhandlung."
Also rüber über die kommende Gemeinderatswahl?
"Der Prozess zählt sicher zu den heißen Themen in der Stadtpolitik, bei denen es nicht realistisch ist, vor der nächsten Wahl eine endgültige Entscheidung zu erhalten."
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