Traismauer: Kritik an historisch falschen und irreführenden "Sprechenden Römern" -

"Sprechende Römergruppe" mit Zivilpersonen beim Traismaurer Stadtamt: Derartige romanische Zivilpersonen hat es in Traismauer nie gegeben.
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  • "Sprechende Römergruppe" mit Zivilpersonen beim Traismaurer Stadtamt: Derartige romanische Zivilpersonen hat es in Traismauer nie gegeben.
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Bürgerliste MIT: "Jetzt wird es endgültig peinlich!" ----

Substantielle bzw. inhaltliche Kritik übt die Bürgerliste MIT an den jüngst aufgestellten "Sprechenden Römern" (Anm.: Werbe- bzw. Informationstafeln) in Traismauer, deren Aufstellung mehr als 20.000 Euro an öffentlichen Geldern verschlungen hat. "Während touristische Info-Points seit Monaten defekt in der Landschaft stehen, unsere Tourismus- und Beherbergungsbetriebe von der Stadt seit nunmehr sechs Jahren noch immer keinen aktuellen Ortstourismusprospekt erhalten haben oder etwa für viele wichtigere Projekte, wie etwa dem Gemeindestraßenbau, kein Geld mehr vorhanden ist, wurden nun diese ´Sprechende Römer´ aufgestellt. Dies jedoch mit historisch völlig falschen Bildern bzw. irreführenden Darstellungen: Das Traismaurer Kastell war zu keinem Zeitpunkt ein Lager mit romanischen Legionssoldaten, sondern ein Lager mit Söldnern aus römischen Provinzen. Ganz abgesehen von der eher provinziellen Machart dieser Tafeln steht fest: Romanische Soldaten mit ihren typischen Legionärsuniformen, wie etwa in Carnuntum oder Vindobona, hat es in unserer Stadtgemeinde historisch nie gegeben bzw. sind nicht belegt. Es gab auch zu keinem Zeitpunkt eine römisch-stämmige bzw. romanische Zivilbevölkerung, etwa mit einer traditionellen Toga-Bekleidung, wie nun direkt vor dem Stadtamt aufgestellt. Jetzt wird es endgültig peinlich: Diese Figuren passen eher in eine Faschingssitzung und dienen wohl kaum der touristischen Belebung unserer Stadtgemeinde. Für unseren Tourismus gäbe es weit wichtigere Projekte!", erklärte dazu MIT-Klubsprecherin Elisabeth Wegl.

Kritisiert wird auch die thematisch reduzierte Machart der aufgestellten Tafeln rein auf die Römerzeit: "Der geschichtliche Bogen unserer Stadtgemeinde reicht ja von der Ur- und Frühgeschichte, über die Römerzeit und das Mittelalter bis hin zur industriellen Revolution. Bodendenkmäler, Bauten oder auch Dokumente aus diesen Zeiten, wie etwa Hügelgräber, römische Mauerwerke, die Erwähnung von Traismauer im mittelalterlichen Heldenepos der Nibelungensaga, erhaltene Zivilbauten ab dem Mittelalter bis hin zu einem der ersten Elektrizitätswerke in unserer Region zeugen allesamt von der geschichtlichen Vielfalt unserer Gemeinde. Schon allein deshalb ist die ausschließliche Konzentration auf das Römerthema - auch abseits der historisch falschen Aufarbeitung und Darstellung - irreführend und thematisch einschränkend!", sagte Wegl weiter.

EXKURS: Die historischen Fakten.
Das Kastell Traismauer (Kastell Augustianis) war Teil der Sicherungsanlagen des römischen Donaulimes. Das Reiterlager war vom 1. bis ins 3. Jahrhundert n.Chr. zunächst mit Truppen von Thrakern belegt. Der Name Augustianis leitet sich von der Reitertruppe der "ala I Augusta Thracum" ab, deren Stationierung hier durch Inschriften und Ziegelstempel belegt und gesichert ist.

Die hier stationierten Soldaten waren also keine Römer, sondern vielmehr Thraker: Die Thraker waren ein indogermanisches Volk und siedelten ursprünglich auf dem Gebiet der östlichen Balkanhalbinsel. 46 n. Chr. wurde Thrakien eine Provinz des Römischen Reiches und blieb auch Bestandteil des Byzantinischen Reiches. Aus dieser Provinz stammten eben die in Traismauer damals stationierten Soldaten. Ihre Stationierung in Augustianis ist spätestens ab 140 n. Chr. gesichert. Sie stammten ursprünglich aus Syrien, kamen danach nach Rätien und wurden später wieder in den Osten des Römischen Reiches verlegt. Im 4. und 5. Jahrhundert n.Chr. folgten vermutlich dalmatinische Reitertruppen als Besatzung eines Restkartells, die später durch germanische Föderaten abgelöst wurden. Durch den Dienst als Söldner erwarben diese Soldaten nach einer festgelegten Militärdienstzeit später römische Bürgerrechte, wie auch ein im Schloss Traismauer aufgestellter Grabstein mit lateinischen Buchstaben belegt.

Die Zivilsiedlung des Kastells begann östlich des Lagers und bestand teilweise aus massiven Steinbauten, darunter auch zu den Blütezeiten des Lagers eine Therme. Die Zivilbevölkerung, die sich hier ansiedelte, waren allesamt keine römisch-stämmigen Bürger, sondern stammten aus der Region um den Donaulimes bzw. nördlich davon. Mit dem Ende der römischen Lagertätigkeit im 5. Jahrhundert n.Chr. wurde auch die damalige Zivilsiedlung völlig bedeutungslos. Die Neubesiedlung des Kastellareals erfolgte erst wieder ab dem 8. Jahrhundert (erste urkundliche Erwähnung des Ortes "Treisma" um 799).

Literatur / Auswahl:

- Kurt Genser: Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht, In: Der römische Limes in Österreich 33 (1986)
- Herwig Friesinger, Brigitte Vacha: Die vielen Väter Österreichs. Römer-Germanen-Slawen. Eine Spurensuche (1987)
- Erich Polaschek, Hertha Ladenbauer-Orel: Das römische Kastell Traismauer. In: Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts 37 (1948)
- Johann Offenberger: Das römische Lager Augustianis-Traismauer. In: Fundberichte aus Österreich 22 (1983)
- Johann Offenberger: Traismauer - Ergebnisse einer Sondage an der östlichen Stadtmauer. In: Fundberichte aus Österreich 32 (1993)

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