„Gewinn und Gemeinwohl“
Martin Krajcsir, Finanzvorstand der Wiener Stadtwerke, im Interview
BEZIRKSZEITUNG: Die Stadtwerke sind mit 16.000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber unserer Stadt. Sind Sie ein wenig stolz darauf?
MARTIN KRAJCSIR: „Natürlich. Aber auch durch unser Auftragsvolumen erzeugen wir einen Beschäftigungseffekt. Für jeden Mitarbeiter bei den Stadtwerken kommen drei weitere Arbeitsplätze in den Zulieferbetrieben hinzu. Die Wertschöpfung für die Region beträgt 92 Prozent.“
BZ:Die Stadtwerke gehören zu hundert Prozent der Stadt. Was sind die Vor- bzw. Nachteile?
KRAJCSIR: „Für den Infrastrukturbereich ist das öffentliche Eigentum das beste Modell, denn der Betrachtungshorizont ist ein längerer. An oberster Stelle steht nicht nur die Rentabilität, sondern auch das Gemeinwohl. Natürlich will auch ein öffentlicher Eigentümer Erfolge sehen, aber die Perspektive ist eine andere.“
BZ: Welche Folgen hätte eine Privatisierung?
KRAJCSIR: „Private setzen ihren Fokus auf die Gewinnsituation. Man kann natürlich auch im Infrastrukturbereich kurzfristig Ergebnisse maximieren, indem bei Wartungsintervallen gespart wird. Aber nach zehn Jahren würde das System so am Ende sein, dass die Instandhaltungen nicht mehr finanzierbar wären. Eine kurzfristige Gewinnmaximierung hat auch ihre Schattenseiten. Wo der private Sektor kurzfristig Gewinne vereinnahmt und die öffentliche Hand dann am Schluss die Rechnung begleichen muss, das kann nicht im Sinne des Erfinders liegen.“
BZ: In den nächsten vier Jahren stehen Investitionen von 4,4 Milliarden Euro am Plan. Eine Summe, die für viele Menschen nicht vorstellbar ist. Wie profitieren die Wiener davon?
KRAJCSIR: „Wir werden bis 2014 außerhalb der Spitzenzeiten komplett mit Niederflurfahrzeugen fahren können. Ein weiterer Schwerpunkt ist die U2-Verlängerung nach Aspern. Bezüglich der U1-Trasse nach Rothneusiedl finden noch Gespräche statt.“
BZ: Durch Nachhaltigkeits-Projekte des Konzerns konnten 3,3 Millionen Tonnen CO2 gespart werden. Könnte man noch mehr Wienern die Öffis schmackhaft machen und damit die Umwelt schonen, wenn man beim Kauf eines Parkpickerls Rabatte für die Öffi-Tickets bekäme?
KRAJCSIR:„Bei den Wiener Linien stehen wir heute bereits vor der Situation, dass eine Kostendeckung nur deshalb möglich ist, da die Stadt erhebliche Zuschüsse gewährt. Durch einen Einnahmenentgang könnte das hohe Qualitätsniveau nicht mehr sichergestellt werden.“
BZ: Eigentlich müssen Sie die Einführung einer City Maut gutheißen. Würde das nicht das Geschäft ankurbeln?
KRAJCSIR:„Das ist erstens kein Thema und zweitens nicht seitens der Stadtwerke zu entscheiden. Ich glaube, eine gute Möglichkeit, das Geschäft anzukurbeln, ist die Errichtung von Park-and-Ride-Anlagen an der Peripherie. Diesen Weg haben wir bereits eingeschlagen und wir werden ihn auch fortsetzen.“
BZ: Welche Herausforderungen stellen sich in der Zukunft?
KRAJCSIR: „Die Finanzierung der notwendigen Investitionen und des laufenden Betriebs.“
BZ: Im Vorjahr erzielten die Stadtwerke einen Rekord-Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro und sie werden auch heuer weiter zulegen. Schließen Sie dadurch Gebührenerhöhungen – sei es für Strom, Gas, Öffi-Tickets oder auch Friedhofsgebühren – aus?
KRAJCSIR:„Ausschließen kann man nur schwer etwas. Wir beobachten die Entwicklungen.“
Misch-Konzern
Von Energie bis zur Bestattung
Zu den Unternehmensbereichen der Wiener Stadtwerke zählen die Wien Energie, die Wiener Linien, die Wiener Lokalbahnen, die Bestattung und Friedhöfe Wien sowie die BMG-Gruppe (Wiener Stadtwerke Beteiligungsmanagement GmbH). Im Vorjahr wurde erstmals in der Konzerngeschichte ein Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro erzielt – ein Plus von 8,4 Prozent.
Das Konzern-EGT verbesserte sich gegenüber dem Geschäftsjahr 2008 auf 26,8 Millionen Euro. Der Konzernjahresüberschuss betrug im Jahr 2009
30,5 Millionen Euro, der Konzernbilanzgewinn 58,9 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei 40,8 Prozent.
Webtipp: www.wienerstadtwerke.at
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