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Der Traum vom Dorf in der Stadt: Schnittpunkte, Brüche und Kontinuitäten

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Die Villacher Vorstadt gehört zum historischen Stadtgebiet von Klagenfurt und ist von den acht innerstädtischen Bezirken der mit Abstand bevölkerungsreichste. Im Viertel um die Deutenhofenstraße, Radetzkystraße, Teichstraße und dem Markus-Jabornegg-Weg, die auch teilweise zur der St.Veiter Vorstadt zählt, wurde und wird investiert.

Haus P

In der Henselstraße/Teichstraße wurde von 2009 bis 2010 das Einfamilienhaus "P" errichtet. Das Sockelgeschoß besteht aus Stahlbeton, darauf aufbauend entwickelt sich das Haus als Holzbau über verschiedene Niveaus nach oben. Schiebewände aus Holzlamellen sorgen für Sonnen-, Sicht- oder Witterungsschutz oder lassen in der Mitte zusammengeschoben den Blick auf den Garten frei. Das Gebäude steht an der nördlichen Grundstücksgrenze. Die Zufahrt liegt auf der Westseite. So gibt es im südlichen Teil des Grundstücks einen großen, ruhigen Garten. Alle Räume sind nach Süden ausgerichtet. Der Bauherr war der Tragwerksplaner Kurt Pock, der Entwerfer Peter Kaschnig vom Grazer Architekturbüro „halm.kaschnig.wührer“.

Achtzig Jahre vorher: In eine Reihenhaussiedlung zieht eine Siebenjährige ein

Etwa achtzig Jahre vorher entstand nach Entwürfen von F. L. Freyer eine Reihenhaussiedlung mit Vorgärten für Angestellten- und Beamtenfamilien in der Henselstraße. 1933 wurde hier ein Haus bezogen: "Eines Tages ziehen die Kinder um in die Henselstraße. In ein Haus ohne Hausherr, in eine Siedlung, die unter Hypotheken zahm und engherzig ausgekrochen ist," schrieb Ingeborg Bachmann. In ein Häuschen mit Garten,"in dem vorne Rosen gepflanzt werden und hinten kleine Apfelbäume und Ribiselsträucher, umgeben von Nachbarskindern, die alles besser können und besser wissen".

Der Umzug in dieses Reihenhausambiente, das für die siebenjährige Ingeborg Bachmann eher beklemmend als idyllisch war, stellte für die Familie einen Aufstieg dar. Zuvor hatte die Familie nahe der St. Veiter Straße in einem Mietshaus in der Durchlassstraße 35 in Annabichl gewohnt. "Es ist ein Teil des städtischen Lebens, dass sich Menschen auch fremd sind. Diese Anonymität und Distanz ist notwendig, um unterschiedliche Lebensstile, Interessen und Bedürfnisse im Alltag tolerieren zu können," sagt die Stadtsoziologin Nina Berding 2016 in einem Interview.

Die Schweizer Journalistin Birgit Schmid berichtet 2023 in der Neuen Züricher Zeitung: "Das rosarote kleine Reihenhaus liegt in der Vorstadt unterhalb des Kreuzbergls, wenige hundert Meter, dann ist man im Wald. Es ist ruhig in der Strasse, das Gartentor abgeschlossen, die Rosen sind geschnitten. Hinter milchigem Fensterglas scheint ein Licht zu brennen. Bachmann beschreibt das Quartier in ihrer Erzählung «Jugend in einer österreichischen Stadt, dem zweiten autobiografischen Text, in dem Klagenfurt eine Rolle spielt: Die Kinder, so schreibt sie, wohnten nun zwei Strassen von der Beethovenstrasse entfernt und eine von der Radetzkystrasse, durch die, elektrischrot und grossmäulig, die Strassenbahn fährt."

Das Haus in der Henselstraße war bis 2021 in Familienbesitz ist und wurde dann von der Kärntner Privatstiftung angekauft. Auf Wunsch der Familie soll das Haus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Neben einer Dauerausstellung soll das Bachmann-Haus als Museum thematische Ausstellungen präsentieren und als Bühne für Lesungen sowie kulturelle Veranstaltungen aller Art dienen.

Ingeborg Bachmann war zwölf, als die Nationalsozialisten in Klagenfurt einmarschierten. Sie hat später von diesem einen bestimmten Moment gesprochen, der ihre Kindheit zertrümmert habe. "Es war etwas so Entsetzliches, dass mit diesem Tag meine Erinnerung anfängt: durch einen zu frühen Schmerz, wie ich ihn in dieser Stärke vielleicht später überhaupt nie mehr hatte . . . diese ungeheure Brutalität, die spürbar war, dieses Brüllen, Singen und Marschieren – das Aufkommen meiner ersten Todesangst."

Switbert Lobisser

Schnittpunkte, Brüche und Kontinuitäten in der regionalen Geschichte verdeutlicht im Ortsteil auch das Wohn- und Atelierhaus von Switbert Lobissers, das ein paar Straßen weiter im Quartier steht. In einem Flyer, der vor neun Jahren in einem Lehrforschungsprojekt der Universität Klagenfurt zum Kärntner Künstler gestaltet wurde, werden diese Brüche deutlich: "Switbert Lobisser malte Szenen aus der Heiligen Schrift an Kirchenwände, ritzte vollbusige Mütter ins Holz und verzierte das Klagenfurter Landhaus mit dem Hakenkreuz. Er mutierte vom Benediktinermönch zum Auftragsmaler des Naziregimes und tauschte die christliche mit der nazionalsozialistischen Ideologie aus. Der Mythos Lobisser ist heute umstritten." Lobissers Holzschnitte hingen in allen Haushalten. Hitler besaß eine Mappe mit Lobissers Holzschnitten, Heß und Goebbels kauften seine Werke.

Der Kärntner Günter Schmidauer zeichnet in seinem Buch "Lobisser. Vergessen" mit Sensibiltät die Tragik, die das Leben des aus ärmlichsten Verhältnissen Stammenden begleitet hat. Schon 1942 soll Lobissers NS-Begeisterung nachgelassen haben. Schmidauer vermerkt, dass der Künstler selbst belastende Dokumente vernichtet habe. Auch noch seine Tochter soll Zeugnisse der NS-Anhängerschaft
beseitigt haben. Nach ihrem Tod 2010 ging der Lobisser-Nachlass inklusive Haus am Klagenfurter Kreuzbergl in den Besitz des Galeristen Wilfried Magnet über.

Die Gegenwart: Die Wohnanlage Maria-Theresia-Park, das Kunsthaus : Kollitsch und die Stadtvillen

Anfang des Jahres 2014 eröffneten Sigrun und Günther Kollitsch ihre neue Firmenzentrale in der Deutenhofstraße und schufen damit nicht nur einen besonderen Ort für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , sondern auch einen angemessenen Rahmen, in dem auch ihr persönliches Interessengebiet seinen Platz finden sollte – die bildende Kunst. Im modernen, musealen Ambiente des großzügig gestalteten, denkmalgeschützten Gebäudes wird im jährlichen Turnus Gegenwartskunst von jungen, innovativen wie auch arrivierten Künstlerinnen und Künstlern präsentiert. Die wechselnden Ausstellungen zeigen Werke aus der Sammlung Kollitsch sowie Leihgaben, die teilweise auch erworben werden können.

Auf jenem Areal in der Klagenfurter Deutenhofenstraße, wo im 18. Jahrhundert die k.u.k. Feintuchfabrik des Holländers Johann van Thys ausgezeichnete Ware unter schlechtesten Bedingungen von Waisenkindern hergestellt wurde, war nach in dem Niedergang des Unternehmens um 1800 die Waisenhauskaserne untergebracht. Vor etwa zehn Jahren wurden die Nebengebäude der Kaserne geschleift, hier entstand die Wohnanlage Maria-Theresia-Park. Zusätzlich wurden fünfzehn Wohnblöcke, die Stadtvillen, am ehemaligen Militärgelände in der Aichelburg-Labia-Straße errichtet. Wo das Bundesheer früher Panzersperren und Munition gelagert hat, entstanden Wohnungen für fünfhundert Menschen.

Das unter Denkmalschutz stehende ehemalige Stabsgebäude der Kaserne , Ende des 19. Jahrhunderts errichtet, wurde renoviert und als neue Firmenzentrale eröffnet. Seit 2014 ist jede und jeder eingeladen, sich bei freiem Eintritt durch das Bürogebäude zu bewegen und auf eintausendfünfhunert Quadratmeter Ausstellungsfläche zeitgenössische Kunst und alte Bausubstanz auf sich wirken zu lassen. Interessierte sollten sich nicht von der verschlossenen Eingangstüre abschrecken lassen. Klingeln genügt, um Einlass zu finden. Die Ausstellungen können sowohl selbständig als auch mit Führung begangen werden. Ausstellungskataloge, eine eigene App, die die Sammlungen digital erlebbar macht, bieten den Besucherinnen und Besuchern zusätzlich Informationen.

Sanierung des ehemaligen Truppenspitals in der Lerchenfeldstraße

Das frühere Truppenspital vor dem Kreuzbergl in Klagenfurt wird saniert. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und wird nach der Sanierung betrieblich und zu Wohnzwecken genutzt.  Noch bevor der Gebäudekomplex in der Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut wurde, entstand eine Truppenspitalskapelle, in der auch noch heute Gottesdienste stattfinden. 1769 wurde eine Tuchfabrik erbaut, die allerdings Anfang 1800 wieder eingestellt und der Gebäudekomplex in Folge an das Militär verschenkt wurde. Über 100 Jahre wurden in dem Truppenspital Wunden versorgt und Kranke geheilt. 1947 ging das Gebäude in den Besitz der Republik Österreich über und aus dem Truppenspital entstanden neue Wohnungen. Mit der Zeit verfiel jedoch das Gebäude und bis auf die Kapelle blieb es lange Zeit ungenutzt.

2007 übernahm die KSW den U-förmigen Gebäudekomplex und es folgten einige Renovierungsarbeiten. Im Westteil befinden sich nun Büroräume der gemeinnützigen Gesellschaft, im Innenhof wurden neue Wohnmöglichkeiten errichtet und auch das Pflegeheim SeneCura zog ein. Nun fehlt nur noch die Renovierung des Ostteils. Die Renovierungsarbeiten werden vom Bundesdenkmalamt gefördert.

Das Dorf in der Stadt

Mit dem Nahversorger Feinkost Darrer in der Aichelburg-Labia Straße, der bereits seit März 1963 besteht und in der dritten Generation als Familienbetrieb geführt wird und dem Unternehmen „Delikatessen Jäger", das 1961 von Alois Jäger gegründet worden ist, blieben dem Viertel Nahversorger erhalten, die außerhalb der Strukturen von Großkonzernen bestehen. Neben dem Jäger Geschäftslokal gehört auch das Café Jäger zum Deli-Unternehmen. Im schönen Weinkeller läd die Familie auch zu kulturellen Veranstaltungen mit Weinverkostungen und kleinen Imbissen.

"Gute Viertel brauchen breite Radwege, Plätze und Parks," sagt der Stadtplaner Jan Gehl. Der Maria-Theresia-Park im Viertel und der Radweg entlang der Aichelburg-Labia-Straße könnten dem auch entsprechen, wäre da nicht der rege Durchzugsverkehr in eben dieser Straße stadtein- und stadtauswärts. Der ausgedehnte Rechtsabbieger von der Feldkirchner Straße in die Aichelburg-Labia-Straße spült den Verkehr in das Viertel.

In seinem Hauptwerk „Städte für Menschen“ hat er ein Kapitel den menschlichen Sinnen gewidmet. Darum geht es: den Maßstab. Je näher wir uns kommen, desto persönlicher und intimer werden unsere Beziehungen; deshalb erscheinen uns kleinräumige Viertel (wie das Dorf in der Stadt) warm und vertraut und große Metropolen oft abweisend und kalt. Öffentliche und halböffentliche Räume wie Parks, Straßencafes, Delis und Restaurants, im Viertel fehlt im Übrigen ein Restaurant, bieten eine neue Kultur der Nutzung des öffentlichen Raums als Erholungsraum. Hier treffen sich die Leute, hier werden Nachrichten und Informationen ausgetauscht. Das Aufeinandertreffen der Leute und die viele kleinen und subtilen Erfahrungen, die man dabei macht, sind sehr wichtig. Man ist nicht allein.

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