Sommergespräch
"Ich hab's eher genossen als erlitten"
Die WOCHE Klagenfurt sprach mit dem Schriftsteller Egyd Gstättner über seine persönlichen Corona-Empfindungen, seine Strandbad-Gewohnheiten und sein neues Klagenfurt-Buch.
WOCHE: Wie haben Sie den Lockdown erlebt?
Egyd Gstättner: So wie immer – in der Schreibstube. Für mich hat sich wenig geändert. Und da meine Frau Claudia ebenfalls im Lockdown zuhause war, hat sie mich noch mehr umsorgt als sonst – also waren es fast paradiesische Zustände. Ich hab's eher genossen als erlitten.
Klarerweise war es ein geschäftlicher Einbruch wie noch nie in fast 30 Jahren, da ja keine Lesungen stattgefunden haben.
Wie empfinden Sie die aktuelle Situation?
Ich empfinde auch die Zeit jetzt als äußerst angenehm. Die meisten Veranstaltungen, die Corona zum Opfer gefallen sind, fehlen mit überhaupt nicht, und Maßregeln wie Abstand halten oder Maskierung empfinde ich eher als angenehm. Masken habe ich früher zwar nicht getragen, aber Abstand gehalten habe ich automatisch. Mich wundert nur, wie sehr andere Menschen darunter leiden. Corona könnte durchaus ein Lehrmeister sein, weil viele Leute verschütt gegangene Werte wieder entdecken, wie etwa Sesshaftigkeit oder die Wertschätzung dessen, was man vor der Haustüre hat und ähnliches.
Als großer Strandbad-Fan – wie halten Sie‘s mit dem Schwimmen gehen?
Ich mache es so, wie in den vergangenen zwanzig Jahren: Ich radle zwei Mal am Tag ins Strandbad, am Morgen und am Abend, mach‘ den Slalom durch die Menschen, das geht sich aus mit eineinhalb Metern Abstand, geh‘ zum Plateau der Bootsbrücke hinaus, spring‘ ins Wasser, schwimm‘ meine Runde, trockne mich ab, zieh‘ mich an, geh‘ denselben Spießrutenlauf zurück und steig‘ wieder aufs Rad. Ich bin ohnehin nicht der, der bei der Bierinsel in Massen Zoten grölt. Ich muss nur schauen, dass ich Grüßorgien und Komplimentbekundungen entgehe.
Was ist in der Schreibstube während des Lockdowns und danach entstanden?
Die Schreibstube ist ein großer Herd mit zehn Platten, auf denen zehn Gerichte entstehen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Da es wenig Ablenkung gab, ist in allen Töpfen etwas weitergegangen. Es ist nur so, dass auch im Verlagswesen weitgehend Stillstand herrscht und im Herbst nicht viel passieren wird. Ich habe also nicht auf eine Herbstveröffentlichung hingearbeitet, sondern für eine unbestimmte Zukunft. Von mir aus könnte noch zwei Jahre Lockdown sein, denn in meinem Kopf ist genügend Material, das bearbeitet, gekocht, umgerührt und gewürzt werden muss. Über Unveröffentlichtes rede ich allerdings nie.
Die überarbeitete Neuauflage des Buches „Klagenfurt. Was der Tourist sehen sollte“ ist im März erschienen …
Es ist ziemlich genau mit dem Lockdown erschienen, ist aber dennoch ein Glücksfall, denn es verkauft sich auch ohne große Werbung ausgezeichnet. Es ist ein sehr spezielles Produkt, denn es ist Literatur, aber kokettiert mit den Genres Reiseführer und Stadtporträt. Es wendet sich an Touristen, aber auch an Einheimische. Möglicherweise sind die Einheimischen sogar das größere Publikum. Ich weiß aber von meiner Frau, die ja Buchhändlerin ist, dass auch viele Touristen, die ja heuer vorwiegend aus Österreich kommen, gerne zu diesem Buch greifen.
Was ist am neuen Buch anders als in der Originalauflage vor zehn Jahren?
Wie schon das Original hält das Buch eine Äquidistanz zu allen Parteien und zu allen politischen Repräsentanten und es erzählt idyllische wie auch nicht-idyllische Wahrheiten. Das Gerüst und das Skelett ist dasselbe: Die Idee war, dass ein Gast der Stadt hier am Flughafen landet und bei der Gepäcksausgabe erfährt, dass sich sein Geschäftstermin um zwei Tage verschiebt. Er hat also zwei Tage lang nichts zu tun und fragt sich: Was tu‘ ich? Ich nehme ihn daher sozusagen virtuell an die Hand und führe ihn, angefangen vom Zentralfriedhof in Annabichl über die St. Veiter Straße in die Innenstadt. Ich zeig‘ ihm am ersten Tag das innere Klagenfurt und am zweiten heißt es ,Go West‘, also Villacher Straße, Lendkanal, Waidmannsdorf, Uni bis zum See.
Der erste Reiseführer hatte ein Volumen von 100 Textseiten, der neue 200. Was sich an den Inhalten der ersten 100 Seiten geändert hat, habe ich natürlich upgedatet. Aber man glaubt gar nicht, was in den vergangenen zehn Jahren alles passiert ist, daraus ergibt sich die doppelte Textmasse – vom Tod von Fabjan Hafner bis zum Umbau des Bahnhofes, vom Bachmannpreis-Sieg der Maja Haderlap bis zum Stadion und seiner Geschichte, undundund.
Das Buch war ja lange vergriffen und lange Zeit schon war der Wunsch nach einem Nachdruck zu hören. Allerdings wollte ich es nicht im Original neu auflegen, sondern eben in einer Überarbeitung. Der Gast von damals kommt also zehn Jahre später wieder nach Klagenfurt.
Interview: Christian Lehner
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