NÖ Museumsfrühling
"Schweigende Kriegsgeneration und fragende Enkel"

- v.li.n.re.: Martina Dorfinger, Vizebürgermeisterin Sandra Warnung, Friedemann Derschmidt, Sabine Nikolay, Eva Schütz, Peter Mahler und Friedrich Polleroß
- Foto: Friedrich Polleroß
- hochgeladen von Marion Edlinger
Das Aussterben der Kriegsgeneration macht es für die Enkelgeneration noch schwieriger Antworten auf die Frage zu bekommen, „Opa, wie war das damals“.
NEUPÖLLA. Sowohl Opfer als auch Täter waren meist so traumatisiert, dass sie ihren Kindern nichts erzählen wollten und diese „Familiengeheimnisse“ belasten unbewusst auch die dritte Generation.
Diskussion
Solche Fragen wurden am vergangenen 4. und 5. Mai, ausgehend von Filmvorführungen in Kooperation mit der „Waldviertelakademie“, im Rahmen des NÖ Museumsfrühlings im „Ersten österreichischen Museum für Alltagsgeschichte“ in Neupölla diskutiert.
Die Geschichte
Der Wiener Filmemacher Peter Mahler machte sich mit seinem Film „Eine Familie – Zwei Welten“ auf Spurensuche nach zwei grundverschiedenen Zweigen seiner Familie:
*Sein jüdischer Großvater Peter Mahler, der Sohn des Direktors der Bobbin Holzwarenfabrik in Gmünd, konnte als Elfjähriger 1938 mit seinen Eltern in die USA emigrieren. Der deutsche Vater seiner Mutter beteiligte sich hingegen als SS-Mann an der nationalsozialistischen Judenverfolgung.*
Schicksale
Unter der Moderation der Ö1-Journalistin Sabine Nikolay, deren Großväter Anhänger der Sozialdemokraten bzw. der Nationalsozialisten waren, diskutierten dann zwei weitere „Betroffene“ die Thematik: die Psychologin Eva Schütz hat sich mit dem Schicksal und den Kriegstraumata ihrer Aussiedlerfamilie in Edelbach, Germanns bei Neupölla und Röhrenbach beschäftigt. Ihr Großvater Josef Katzinger wurde als Wehrmachtsdeserteur von seiner Mutter Aloisia Jamy wochenlang im Mühlgraben in Neupölla versteckt. Der an Akademie der bildenden Künste Wien tätige Friedemann Derschmidt geht in seinem Buch „Sag Du es Deinem Kinde! Nationalsozialismus in der eigenen Familie“ den problematischen politischen Verstrickungen der eigenen Großfamilie nach. In der offenen Diskussion mit den Gästen „outete“ sich ein Bewohner der Gemeinde Pölla als Jude, dessen Verwandtschaft größtenteils dem Holocaust zum Opfer gefallen war. Eine Enkelin des 1945 im KZ Gusen/Mauthausen ermordeten Julius Scheidl aus Germans berichtete, dass sich ihr Großvater im Gasthaus gegen Aussiedlung sowie Krieg ausgesprochen hatte und daraufhin von einer Nachbarin denunziert wurde. Ein aus Polen stammender Gast aus Franzen erzählte, dass sein in Lemberg geborener Großvater zuerst von den Ukrainern und dann von den Deutschen vertrieben wurde. Zentrale Themen waren die emotionale Spaltung bei belasteten Verwandten, die Vermeidung von Schwarz-Weiß-Denken sowie die Frage, was unsere Generation, die im Nachhinein leicht reden kann, daraus lernen sollte. Der Dank einer Hornerin an den Organisator beweist, wie notwendig solche Veranstaltungen gerade in Zeiten wie diesen sind. Sie schrieb: „Da ich auch die Generation ‚Enkel‘ bin, beschäftigt mich das Thema auch schon lange. Toll, dass es Gelegenheiten gibt in der Form Aufarbeitung anzuregen und aus dem Schweigen rauszukommen und sich mit Schuldzuweisungen nicht zufrieden zu geben.“ Die Zwettler HAK-Direktorin und Stv.-Vorsitzende der Waldviertelakademie, Martina Dorfinger, lud Film und Regisseur auch gleich in ihre Schule ein.
Das Museum ist jeden Sonn- und Feiertag von 14-17 Uhr geöffnet.
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