Heiße Luft in Valencia, nicht nur im Fußball
Ein bisschen spät schreibe am Reisedossier, sehr spät sogar. Zwischenzeitig streckte mich eine Salmonellen-Vergiftung und ein Harnwegs-Infekt nieder. Trotzdem lesenswert: Wien versus Valencia. Valencia ist ja durch die Europa League gegen Rapid in aller Munde. Das 0:6-Desaster auch.
Und da ich schon so spät schreibe, mache ich daraus einen Appetizer für einen zukünftigen Ausflug meiner Leser. Mein Herzblatt löchert mich seit mehreren Jahrzehnten, dass er sich einen Einblick in die katalanische Metropole wünscht. Doch ich bin der Reisemanager in der Kleinfamilie und sage, wo es lang bzw. hingeht. Bisher war mir Valencia nur peripher im Ohr. Doch urplötzlich flattert ein sensationelles Angebot in meinen Laptop, und so schlägt der Reise-Heroe sofort zu. Rein in den Flieger, am 1.Mai - Tag der Arbeit - auf nach Spanien. In Valencia ist es warm, sehr warm. 36 Grad (!) im Schatten nach einem durchwachsenen Frühling 2015 in Wien - das grenzt an ein Naturwunder. Das war ein Vorgeschmack auf den Sommer 2015 in der Alpenrepublik. Doch das wusste ich damals noch nicht.
Wir – mein Kumpan und ich - wollen für einen Gabelbissen nach Spanien kommen, geworden ist es ein Festmahl. Im besten Sinne des Wortes. Erstmals Paella mit Gemüse gegessen - toll, toll, toll, würde meine Freundin sagen. Am nächsten Tag der zweite Paella-Versuch, diesmal mit Huhn. Grauslich, auch optisch, ein Hühnerkralle thront über dem Reisgericht - Übelkeit kommt auf. Nur kurz, denn ein Sangria danach, na ja mehrere Sangrias, bringen die Welt schwungvoll wieder ins Lot, wenn auch nur ein wenig. Die Alk-Mischung schießt auch bei mäßigen Mengen ins Hirn.
Valencia ist eine Selbstdarstellerin. Daran haben Taxler und Touristenbusse regen Anteil. Die Hop on Hop off-Doppeldecker machen auf zwei Routen alles klar, was die Stadt zu bieten hat, auch wenn so mancher Zwischenstopp unter dem Titel „Zeitvergeudung“ abzubuchen ist. Egal, der Tag vergeht schnell und die Kopfhaut ist verbrannt. Die Dome, zwei Märkte, die Plaza de la Virgen, Torre de Quart und Serronos, die Seidenbörse u.v.a. lässt sich angesichts vieler feiner schattigen Posadas leichter genießen. Näheres unter http://www.visitvalencia.com/.
Die nach außen gestülpten Wirtshäuser servieren einen kleinen Espresso und eine Flasche Wasser sin gas ohne lästig zu werden.
Wer trotz der imposanten Kunstwerke schläfrig wird, nimmt ein Taxi zum Hotel. Sehr günstig, und die Fahrer sprechen uns nicht an (Gottlob! Wie ich es hasse, sinnlose Dialoge aufzubauen), zielorientiert – na gut, ein paar Umwege machen sie schon – aber schnell – manchmal sehr schnell, für maximal 10 Euro. Das ist eine Mezie. Uber hätte hier keine Chance.
Freunde kennen unsere Ansprüche ans Hotel. Und ja, wir haben wieder mal das Zimmer gewechselt. Das ist bei uns Tradition. Nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil wir heikle Pinkeln sind. Wer will schon in einem Zimmer wohnen, wo sich vorher ein Kettenraucher zugedröhnt hat? Na eben. Sonst ist zum Tryp-Hotel der Melia-Gruppe nichts zu sagen - gesichtslos, fad, ohne jeden Anspruch auf Gemütlichkeit. Sehr weit vom Stadtkern entfernt, ein liebloser Zweckbau. Vorteil: In zwei Minuten ist man bei Zara, einer spanischen Bekleidungskette. Dort gibt es alles, was Frauenherzen so alles brauchen, um als schick zu gelten. Und auch für Männer haben sie eine große Auswahl: Hosen, die man u.a. im Schritt spüren kann – eng und sexy. Sogar Vollschlanke treiben sich in der Fashionbude herum. Die geilen Pullunder gibt es in Wien nicht. Dort wird die Kollektion nur für Magersüchtige geordert, selbst wenn “L“ drauf steht, passt das nur ausgemergelten „S“-Typen. Wollte man hierzulande nicht unlängst Magermodels verbieten? Die Model-Bubis und Mädels vom Catwalk sollen ihrem Körper mehr Nahrungsmittel zuführen, verlangt die Frauenministerin. Wir kennen das: Scheingefechte, Ablenkung von wichtigen Problemen, und tags darauf schon wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Sprechblasen. So ist das in Österreich.
Aber lassen wir das. Von Wirtshaus zu Wirtshaus schleppen wir uns, von ein paar Denkmälern mit Seltenheitswert unterbrochen. Die Valenciennes sind ein gar lustiges Völkchen. Spontan bilden sich Fußball-Gruppen, Hetz- (im Sinne von Spaß) Brigaden, und am Abend sind die Kneipen voll fröhlicher Menschen. Am 1. Mai sind die Gewerkschaften höchst aktiv. Mangels einschlägiger Sprachkenntnisse weiß man nicht, wogegen sie protestieren. Vermutlich gegen die Sparpolitik der Regierung. Vorbeter skandieren die Parolen, und das Volk betet nach. Wie in der Kirche: Anrufung eines Heiligen memoriert der Pfarrer und die Gemeinde antwortet, „wir bitten dich, erhöre uns“. Eines steht fest: Der Mai-Aufmarsch in Valencia ist lustiger, als der in Wien. Durchhalteparolen à la Häupl sind den Spaniern fremd, wie uns ein weiser Altprofessor bei einer Tasse Café erklärt.
Auch den Radfahrer-Druck gibt es hier nicht. Sie haben ja auch keine Vassilakou. Die Bürger von Valencia können sich glücklich schätzen, dass sie eine Stadtregierung mit Hirn haben. Die Stadtplanung sieht breite Boulevards und flotte Straßen vor (das würde unserer Vizebürgermeisterin weniger gefallen). Fußgänger, Radfahrer und Autos sind harmonisch unterwegs. Hübsche Mädels und Jungs ziehen durch die Gassen oder brausen im Höllentempo über die Boulevards, die Schminke überdeckt den Schweiß der jungen Damen, und die Herren riechen noch männlicher. Manch einer verwendet noch Pitralon, das törnt eher die älteren Gemüter an.
Valencia ist nicht nur die Stadt der alten Steine. Die Stadtväter, die 1957 regierten, nützten die Flutkatastrophe des Flusses Riu Túria. Der Strom wurde umgeleitet, und im trockengelegten Flussbett wurde keine Autobahn gebaut - was ursprünglich vorgesehen war - sondern es entstand eine wunderbare Parkanlage. Damals hatten die Stadtobersten noch Visionen. Ein paar Promi-Architekten durften in diese Wanne coole Bauwerke wie die Bibliothek und einen Konzertsaal hineinstellen.
Jetzt kehren wir in unsere schöne Wienerstadt zurück, mit der festen Absicht, Valencia wieder besuchen, wenn die Grünen nicht die Flughafenautobahn zur Liegewiese umwandeln. Wir haben das 1924 entstandene Pasodoble-Lied Valencia aus der Zarzuela La Bien Amada noch im Ohr. Eine Aufnahme aus 1926 von Paul Whiteman & his Orchestra wurde ein großer Hit.
Reinhard Hübl.
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