Ein Halleluja für den Schlossklang und eine neue CD
Grafenegg, endlich wieder Grafenegg, Mozart - Krönungsmesse. Mir fällt da vorab etwas ganz Unheiliges ein. Ich war Ministrant – damals noch katholisch-gläubig, jetzt nur mehr gläubig – und wir, die Buben, stritten uns in der Sakristei, auf welcher Seite wir den Dienst am Alter tun dürfen. Die rechte Seite was sehr begehrt. (Mein Freund M.L. sollte jetzt besser nicht weiterlesen.) Auf der linken Seite, auf der Empore, befand sich der Chor, das Orchester, mein Freund an der Orgel, sein Papa als Dirigent und die Mama als Solistin. Bei der Krönungsmesse hat die Sopranistin einen wichtigen Part. Gespannt warteten wir auf den Auftritt der vollbusigen Dame. Sie sang aus Leibeskräften, und dabei rutschte gelegentlich die Brustpartie aus dem Dekolleté. Heißa, war das eine Gaudi. Ich glaube, dass ich wegen meines ungebührlichen Verhaltens eine Ohrfeige kassierte. Dennoch: es hat sich gelohnt - welch ein Spaß!
Kehren wir nach Grafenegg zurück. Mozart for ever. Zuerst die Symphonie in C-Dur KV 338, dann dem Oster-Anlass entsprechend die „Versperae solennes de Confessore“ und eben die Krönungsmesse. Mozart hatte Streit mit den kirchlichen Obrigkeiten, doch er war auf deren Sponsoring angewiesen. Stur wie jeder große Künstler pfiff er auf finanzielle Zuwendungen, wendete sich von seiner Geburtsstadt Salzburg ab und ging nach Augsburg, Mannheim, München, Paris und später nach Wien. Doch Geldnöte zwangen ihn zur Rückkehr nach Salzburg. Dort thronte Erzbischof Hieronymus Graf Colloredo, der den Komponisten nötigte, geistliche Werte zu schreiben - nach seiner Facon. Der Kleriker hielt nichts von kreativer Freiheit, er wünschte ein Werk „mit großem Orchester, Trompeten und Pauken“. Großmannssucht nennt man das heute, und auch schon damals hieß es so. Auf die heutige Zeit umgelegt geht man gegen Querdenker und aufmüpfige Künstler subtiler vor, man streicht einfach die Subventionen. „ Der Peymann gehört wieder her“ sagte unlängst wütend ein engagierter Freund der freien Kunst, “mit all seinen Provokationen“. Oder anders gesagt: „Es wäre eine Freude zu leben, wenn jeder nur die Hälfte von dem täte, was er von anderen verlangt.“ - Dies befand schon die 1986 verstorbene österreichische Schauspielerin Valerie von Martens.
Doch das ist im Moment nicht das Thema in Grafenegg. Die Vermittler von Mozarts Werken sind das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, der tschechische philharmonische Chor Brünn und die Solisten Katrin Wundsam, Toby Spence, Florian Boesch und Sandrine Piau. Vor allem letztere füllt den Saal mit glockenhaften Klängen. Die zierliche Sopranistin entlockt der Partitur ein zartes Pianissimo ebenso wie kraftvolle Ausdruckssprache und Expressivität. Am Pult leitet Ivor Bolton Mozarts Schaffen souverän. Er balanciert die Musik der geistlichen Werke mit der nötigen Ehrfurcht vor dem Erschaffer und der nötigen Eloquenz einer konzertanten Aufführung aus, wenn auch die Orgel - ein wichtiger Bestandteil der Kirchenmusik - kaum hörbar ist. Man genießt es, eine Messe ohne die salbungsvollen Worte der geistlichen Community zu hören. Ostern ist ein Fest der Freude, und für den, der daran glaubt, das Fest der Auferstehung. Doch in der Oster-Vesper aus der Hauptkirche Wiens spricht Kardinal Schönborn im Grabeston von Hoffnung, Liebe und Glaube. Das will ich nicht hören, will eine Frohbotschaft wahrnehmen. Das Geseibere aus dem Radio bedeutet für heute das Aus von Radio Stephansdom.
In der Pause tut eine im Dirndl gewandete, dem Slang nach gebürtige Wienerin der versammelten Abo-Schar eine Rezension des Konzertes kund: „Der Dirigent hat die Aura eines Aliens, aber dirigieren kann er“. Dem kann ich zustimmen. Die rotgesichtigen Weinbauern und -innen nicken der Klassifizierung der reschen Hauptstädterin beifällig zu: Vienna meets our farmer. Ich finde es unerhört, einen Menschen, bei dem Gott während dessen Geburt gerade eine Pause eingelegt hat, zu verunglimpfen. Gut, er ist nicht hübsch, im Auftreten, wenn er unbeholfen Küsse verteilt, etwas ungelenk – na und? Er ist ein gefragter Dirigent, dem man kein unprofessionelles Verhalten vorwerfen kann.
Das Osterfeuer und die Heimfahrt bei rotgefärbtem Mond heben die Stimmung zusätzlich zu der ohnehin positiven Befindlichkeit. Im Auto diskutieren wir, welch erbärmliches Leben Mozart führen musste und trotz aller Widrigkeiten eine so herrliche Musik komponiert hat. Der Film „Amadeus“ zeigt ein verklärtes Bild Mozarts. An das möchte ich heute glauben. Ein Eintrag in mein „Tagebuch des Glücklichseins“ ist ihm heute sicher.
Next: Am 11.4. spielen die Tonkünstler in der Reihe „Schlossklänge“ unter ihrem Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada Werke von Schostakowitsch, Nielsen u.a.
CD der Tonkünstler
Zum Abschied von Andrés Orozco-Estrada sind alle Brahms-Symphonien auf einer CD erschienen, aufgenommen im Musikverein und in Grafenegg . Mit diesem Tonträger ist das künstlerische Resümee einer langjährigen Zusammenarbeit mit dem Chefdirigenten dokumentiert. Meine Verehrung für den Maestro ist hinlänglich bekannt. Nun habe ich meiner Sammlung ein wertvolles Stück eines außengewöhnlichen Dirigenten hinzugefügt. Mit der Einspielung aller Brahms-Symphonien legen die Tonkünstler erstmals in ihrer Geschichte die Gesamtaufnahme eines Komponisten vor.
Infos, Bestellungen und Tickets: www.grafenegg.com
Reinhard Hübl
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