Swing mit roter Masche und in Lackschuhen
Ich habe noch eine LP von Glenn Millers musikalischem Schaffen. Sie kracht und schnauft schon ein wenig, und der Plattenspieler ist auch nicht mehr der Jüngste. Junge, Junge, welch herrliche Musik. Ich höre sie mir als Aperitif an. Der Leader einer Militär- Big-Band zauberte für die kämpfende Truppe so manchen Hit aufs Notenpapier. Und die GIs der 40er Jahre jubelten ihm und seinen Musikern zu. Der American Patrol-Marsch erinnert u.a. daran. Auch in den Konzertsälen war er zu Hause, stets mit der eigenen Formation - auch im kollegialen Widerstreit mit Zeitgenossen des Jazz, Swing und Blues. Alles zu sehen in der etwas verkitschten Kinofassung der Glenn Miller Story aus dem Jahr 1954, die immer wieder im Fernsehen, leider meist im Nachtprogramm - gesendet wird. Tragisch: Der Capo starb bei einem Flugzeug-Absturz und wurde nie gefunden, was zu allerlei Spekulationen führte.
Im Konzerthaus Wien wird der Vergangenheit wieder Leben eingehaucht. "The World Famous Glenn Miller Orchestra" spielt auf, mit roter Masche und in Lackschuhen. Ohne Chef, denn Wil Salden hütet wie zur Zeit auch viele WienerInnen mit Grippe das Bett. Das Publikum ist zu 60 Prozent 70 PLUS. Aber die Damen und Herren haben noch immer den Drive, summen die alten Hadern, die Füße wollen nicht stillhalten. Die Teilzeitler strecken ihre unteren Extremitäten aus den Niki-Sesseln, um für Begeisterung Platz zu schaffen. Recht so, denn die Band lässt es so richtig krachen. Der Sound geht unter die Haut - ein unglaublich dynamischer Klangteppich.
Auch Songs von Benny Goodman, Luis Amstrong und Tommy Dorsey werden aufgeboten, um die Halle in Swing-Taumel zu versetzten. 14 Herren und 2 Damen - gab's die das damals? - geben ihr Bestes, unterstützt von einer namentlich nicht erwähnten Sängerin. (Das Programmheft ist diesbezüglich sehr mangelhaft!) Jedes Bandmitglied hat einen Solopart, aber besonders hervorzuheben ist der des Drummers. Wahnsinn, wie der sein Instrument beherrscht und in welch einen Rausch er das Publikum versetzt. Das Blech zieht eine große Show ab, marschiert im Saal herum. Die Saxos, Trompeten und Posaunen sind ständig in Bewegung - ich fühle mich nach New Orleans versetzt. Standing Ovations. Mit Moonlight Serenade beginnt und endet das Programm.
"Nächstes Jahr “ so verspricht es die Big-Band - kommen sie wieder, im Jänner 2016. Na dann, wer es heuer nicht geschafft hat, sollte die Ohren spitzen, wann der Vorverkauf beginnt. Wer es bis 2016 nicht aushält: Die neue CD "The History Of Big Band" liefert einen Vorgeschmack. Alles unter: www.konzerthaus.at
PS.: Demnächst: "Radiomusiken" mit dem Radio Symphonie Orchester am 6.3.2015
Reinhard Hübl
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