Buchrezension: Mission - Spiel auf Zeit von Douglas Preston und Lincoln Child
Dass Preston und Child einige Romanprojekte an Ghostwriter ausgelagert haben, ist hinlänglich dokumentiert. Aber wie weit sich diese Ghostwriter in den letzten Jahren von der Klasse eines Douglas Preston entfernt haben, ist geradezu erschreckend. Dennoch klammern sich die echten Fans immer noch an die Hoffnung, dass sich das Autorenduo doch noch einmal zu einem gemeinsamen Werk aufrafft, das ihren großen Namen auch würdig ist.
Es sagt viel darüber aus, wenn man ein nahezu ungelesenes (gerade einmal 50 Seiten waren aufgeblättert) Buch des legendären Autorenduos auf einem karitativen Bücherflohmarkt findet. Klar, dass ich da nicht widerstehen konnte. So viel vorweg: Es war die freiwillige Spende nicht wert.
Mit dem Buch "Spiel auf Zeit" wurde vom Verlag versucht, einen neuen Helden zu schaffen, der sich unter der Marke Preston & Child vermarkten lässt. Der Name des Neuen ist Gideon Crew, Frauenheld, Atomtechniker, Magier, Kunstdieb und Spezialist für eigentlich eh fast alles. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb ist seine Story nicht ganz so aufregend wie eine abgelöste Schuhsohle. Selten hat man sich beim Lesen so nach dem Tod des Protagonisten gesehnt.
Obwohl Gideon für den Direktor der Nationalen Sicherheitsbehörde arbeitet, verschafft er sich gewaltsam Zutritt zu einem Polizeigelände. Klar, wer geht schon durch die Vordertür, wenn man auch ein Loch in den Zaun schneiden kann, während man von einem Killer anvisiert wird? Das folgende Gemetzel ist ebenso sinnlos wie unausgegoren und bringt weder die Handlung weiter, noch ist es spannend zu lesen. Ein weiteres Klatsch (Hand aufs Hirn schlagen) verdient die Stelle, an der Gideon unter Zeitdruck nach geheimen Aufzeichnungen in der Kleidung eines Toten sucht. Dafür gibt ihm der Autor zunächst stundenlang! Zeit, um dann festzustellen: "Das Versteck, das ihm am wahrscheinlichsten erschien, hatte er sich bis zum Schluss aufgehoben." Ach, hat er? Wie clever! *Doppelklatsch*
Natürlich gibt es auch allerlei Supertechnik. Besonders erwähnt sei die tolle Maschine, die aus dem extrem schlechten Überwachungsbild einer Flughafenkamera (auf dem eine Menschenmenge zu sehen ist), nicht nur einzelne Personen vergrößern kann, sondern es auch noch schafft, den Aufdruck auf einem Rucksack lesbar zu machen, den ein Junge auf dem Rücken hat, der von vorn gefilmt wurde. Von vorn! *Dreifachklatsch*
Solche Utopien mögen in den 80ern cool gewesen sein, als man sie bei Knight Rider zum ersten Mal gesehen hat, aber heute hat jedes Micky-Maus-Heft bessere, weil glaubwürdigere, Agententricks auf Lager als Gideon Crew.
Eine Absurdität jagt die nächste. Dazu trägt die comichaft überzeichnete Figur des Gideon Crew ganz maßgeblich bei. Auf geradezu wundersame Weise versteht er es, sein Gegenüber mit völlig unglaubwürdigen Ausreden jedes Mal aufs Neue einzulullen. Egal, was Gideon braucht, es reichen ein paar Sprüche und die Leute werfen ihm Hochsicherheitspasswörter ebenso nach, wie sie ihm Zutritt zu jedem Raum der Erde gewähren. Ganz ehrlich, selbst in der allerschlechtesten Folge des legendären A-Teams kam Templeton "Faceman" Peck noch 100 Mal glaubwürdiger rüber als Gideon Crew.
Es würde den Rahmen dieser Rezension bei Weitem sprengen, die Ungereimtheiten und Dummheiten auch nur ansatzweise wiederzugeben, durch die ich mich bis Seite 252 gequält habe. Ich weigere mich, diesen Schmarrn zu Ende zu lesen. Das Buch spende ich dem nächsten Flohmarkt und entschuldige mich hiermit bei dem, der es kauft.
Fazit: Echten Fans bleiben leider nicht viele Möglichkeiten: Entweder ist man enttäuscht, weil P & C ihre Namen für einen solchen Mist hergeben, oder man ärgert sich, weil man als treuer Stammleser für dumm verkauft wird.
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