Menschen im Gespräch
Eine Linzerin berichtet aus London

"Ganz großes Lob möchte ich an dieser Stelle an den Kampfgeist und Solidarität der österreichischen Bürger und Regierung aussprechen. Es ist unglaublich wie miteinander und füreinander diese Krise überwunden wird". – Cordula K., seit 2018 in London. | Foto: Nicole Haitzer
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  • "Ganz großes Lob möchte ich an dieser Stelle an den Kampfgeist und Solidarität der österreichischen Bürger und Regierung aussprechen. Es ist unglaublich wie miteinander und füreinander diese Krise überwunden wird". – Cordula K., seit 2018 in London.
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Die gebürtige Linzerin Cordula K. folgte im Herbst 2018 ihrem Lebenstraum und zog als Studentin und Kinderbetreuerin nach London. Im Interview verrät sie uns, wie die Londoner mit der Krise umgehen und wie sie die Corona-Krise wahrnimmt.

Wie gehen die Londoner mit der Situation um? 

Cordula K.: Das Virus wurde unterschiedlich wahrgenommen und so fiel das Verhalten der Menschen hier in London auch sehr divers aus. Für viele, die außerhalb des United Kingdom (UK) eine Familie haben, war das Virus um einiges präsenter. Das hatte zur Folge, dass Medien betroffener Länder aufmerksamer verfolgt wurden, man verhielt sich vorsichtiger und baute diverse Restriktionen anderer europäischen Staaten teilweise in den Alltag ein. 

Viele Eltern waren schon vor einigen Wochen wegen des Coronavirus beunruhigt. Da war die Stimmung teilweise angespannter als bei meinen Freunden in Österreich. Es entschieden sich einige Familien mit Ende der Februarferien für eine zweiwöchige Selbstisolation oder nahmen ihre Kinder aus den Schulen. Dies geschah alles auf Eigeninitiative und gegen das offizielle Schulrecht, während verstärkt um Lösungsansätze seitens der besorgten Eltern von den Schulleitungen gefordert wurden.

Hamsterkäufe von Toilettenpapier, Mundschutz und Desinfektionsmittel fingen in London vor ungefähr einem Monat bereits an, gefolgt von Rationierung gewisser Produkte, da war die allgemeine Stimmung in Österreich noch entspannt und meine Familie und Freunde lachten über die britischen Toilettenkäufe.

Toilettenpapier war auch in London bereits ausverkauft. | Foto: privat
  • Toilettenpapier war auch in London bereits ausverkauft.
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Inwiefern bist Du persönlich betroffen von der Corona-Krise betroffen?
Am härtesten trifft es mich im privaten Bereich. Ich habe meinen Lebensgefährten, Familie und Freunde das letzte Mal zu Weihnachten gesehen. Wir haben schweren Herzens aus mehrerlei Gründen von der Option abgesehen, dass ich nach Linz komme. In Österreich wäre ich arbeitslos und von Sozialgeldern abhängig. Natürlich habe ich auch monetäre Einbußen, aber es gibt Menschen, die durch die Krise wirklich um ihre Existenz kämpfen. Meine Eltern sind High Risk-Personen, teilweise mit Vorerkrankung, somit könnte ich sie überhaupt nicht sehen bis der Spuk vorbei ist.

Es stimmt mich irrsinnig traurig auf unvorhersehbare Zeit nicht nach Österreich reisen zu können, aber wenn wir jetzt alle solidarisch und global als Einheit an einem Strang ziehen, können wir Leben und Existenzen vieler retten und uns bald alle wieder in den Arm nehmen und gemeinsam lachend auf diese verrückte Zeit zurückblicken. Ganz großes Lob möchte ich an dieser Stelle an den Kampfgeist und Solidarität der österreichischen Bürger und Regierung aussprechen. Es ist unglaublich wie miteinander und füreinander diese Krise überwunden wird.

Welche Schutzmaßnahmen hast Du getroffen?
Ich selbst wählte den Weg der Selbstisolation nach österreichischem Modell bereits vor einer Woche. Davor nutzte ich bereits keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr und bei meinen Spaziergängen war ich erschrocken über die Gelassenheit vieler Bürgerinnen und Bürger. Auf der Oxford Street rollte der Rubel, in dem Fall das Pfund, fleißig weiter. In den Pubs und Clubs wurde bis letzten Freitag munter weitergefeiert als gäbe es keinen Morgen mehr und viele Briten verhielten sich als wäre das Wort Sicherheitsabstand ein Fremdwort. Teilweise hatte ich das Gefühl bei manchen britischen Freunden mit meinen Ratschlägen überhaupt nichts zu erreichen, während einige von uns touristische Zentren und Straßen seit Wochen vermieden. Es sei aber dazu gesagt, dass das Ausbleiben von Touristen seit den ersten Fällen in Wuhan auf den Straßen Londons merklich spürbar war.

Du wirst ja vermutlich österreichische Medien verfolgen: Welche Unterschiede zur britischen Berichterstattung gibt es?
Sehr gute Frage, lustigerweise wird mir gerade bewusst, dass ich in den letzten Tagen und Wochen mehr österreichische und deutsche als britische Medien verfolgte, da ich mich natürlich um meine Angehörigen sorgte. Die britischen Medien berichteten zweifelsohne über die tragischen Zustände durch Covid-19. Im Fernsehen wurde jedoch zwischen Reportern und Talkshow-Gästen kein Sicherheitsabstand propagiert und Boris Johnson gab sich in gewohnt lässiger Manier. Inzwischen wird selbstverständlich ununterbrochen über die neuen, wie auch längst überfälligen Maßnahmen in den Medien berichtet.

Noch bis vor Kurzem herrsche reges Treiben auf der Londoner Oxford-Street. Ein Rückgang der Touristen war jedoch deutlich spürbar berichtet Cordula. | Foto: privat
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Welche Maßnahmen treten jetzt in Kraft?
Einige Betriebe haben bereits seit Anfang letzter Woche (KW 12) ihre Mitarbeiter auf Home-Office umgestellt. Eine der größten Theaterketten, die vor allem im berühmten Theaterviertel Soho ihre Häuser hat, ließ ebenso alle Pforten mit Anfang letzter Woche schließen. Vorletzte Woche (KW 11) gab es seitens der Regierung bereits die ersten Anweisungen, dass jeder mit Erkältung oder Husten für sieben bis 14 Tage in Quarantäne gehen muss. Dieser Erlass war für den Großteil der britischen Bevölkerung aber kaum umsetzbar, denn viele Menschen mussten sich tagtäglich ihr Einkommen absichern und das staatliche Auffangnetz in der UK ist normalerweise leider sehr schlecht ausgebaut. Einige Briten haben mir in Gesprächen ihre Sorgen kundgetan, nicht zu wissen, wie sie bei einem Lockdown ihre Grundausgaben decken sollten.

Für arbeitende Eltern ist es oftmals unmöglich ihre Kinder nicht den Großeltern zur Obhut zu überlassen, da Kinderkrippen für viele keine leistbare Alternative darstellen. Inzwischen wurden über das Wochenende die Maßnahmen in der UK endlich verschärft und mit jenen von Österreich gleichgezogen. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird 80 Prozent des Lohnes weiter ausbezahlt und für die ungefähr 1,4 Millionen High Risk-Personen wurde ein Versorgungsprogramm ausgearbeitet, um eine sichere Zustellung von Lebensmittel und Medikamenten zu gewährleisten. Hotels werden für Obdachlose geöffnet, Krankenhäuser für den Ernstfall ausgerüstet. 

Nahmen die Behörden Deiner Meinung nach das Virus zu wenig ernst?
Das langsame Vorgehen und zögerliche Handeln war für mich schon erschreckend, vor allem weil ich sah, dass österreichische Bürgerinnen und Bürger laufend mit strikteren Restriktionen vor dem Virus geschützt wurden, während in der UK noch stets Händewaschen und Desinfizieren als Allzweckwaffe propagiert wurden. Kontinentaleuropa und China kämpften eisern gegen das Coronavirus während sich die Briten so verhielten, also wären sie auf der Insel geschützt. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass das zeitversetzte Handeln der Regierung von Boris Johnson Taktik war, um im Hintergrund alle möglichen Hilfsmaßnahmen für den Höhepunkt der Pandemie und den Lockdown vorzubereiten.

Das Arbeits-, Sozial- wie auch Gesundheitssystem ist nicht vergleichbar mit dem österreichischen. Im Normalfall sind Auffangnetze für Arbeitslose kaum vorhanden, das Gesundheitssystem marode und für Katastrophenfälle ist das Sozialsystem nicht gerüstet. Das änderte sich über die letzten Tage massiv und vollständig. Johnson hat das Krisenmanagement anderer Länder nicht nur kopiert, sondern auch ausgebaut und den Lockdown dieses Wochenende verkündet. Hätte er es früher ausgerufen, wäre in der britischen Bevölkerung Verunsicherung und Chaos ausgebrochen. Meiner Meinung nach, wird die Regierung in den nächsten Wochen versuchen durch die historischen Maßnahmen und Hilfspakete politisch (inter)national zu profilieren, denn sie haben ergänzende Schritte eingeleitet für die andere Länder noch keine Lösungsansätze auf Regierungsebene gefunden haben.

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