Redaktionsblog
Vorbei am virtuellen Goldenen Dachl

- hochgeladen von Andreas Baumgartner
StadtRundschau-Redakteur Andreas Baumgartner ließ sich auch in Corona-Zeiten nicht von Rad-Ausfahrten mit hunderten Gleichgesinnten abhalten – unter Einhaltung aller Hygienregeln versteht sich.
LINZ. Die Espresso-Kanne röchelt und zischt. Genau in dem Moment klingelt es. Christoph ist mehr als pünktlich. Hastig gieße ich den schwarzen, kochend heißen Kaffee in den Mehrwegbecher und gehe ins Wohnzimmer. Dort steht mein Rennrad bereit. Ich steige auf und strample los. Christoph ist auch schon losgeradelt: „Das ist meine erste Gruppenausfahrt auf Zwift“, erfahre ich von ihm, als wir uns mit 500 weiteren Rennradler auf ein paar Runden durch Innsbrucks Innenstadt machen.
Den Fahrtwind simuliert der Ventilator
Aber Moment einmal! 500 Radfahrer? Im Wohnzimmer? Innsbruck? Und was ist überhaupt "Zwift"? Geht hier wirklich alles mit rechten Dingen zu? – Ja, denn mein Rennrad ist fix im Rollentrainer eingeklemmt und das Sportspektakel findet auf meinem Laptop-Bildschirm statt. Wir sausen über virtuelles Kopfsteinpflaster am virtuellen Goldenen Dachl vorbei. Den Fahrwind simuliere ich mit einem Tischventilator, der mir ins Gesicht bläst. Vom Inn geht es die Stichstraße nach Hötting hoch. Mein "smarter" Rollentrainer regelt per Bluetooth den Widerstand nach und plötzlich führt sich das virtuelle Innsbruck in den Wadeln recht real an.

- Mit der App Zwift und einem Rollentrainer lassen sich zu Hause virtuell Höhenmeter sammeln.
- Foto: Zwift (Screenshot)
- hochgeladen von Andreas Baumgartner
In Zeiten von Covid-19 bietet die virtuelle Trainings-App „Zwift“ für Rennradler und Läufer eine willkommene Abwechslung. Statt mit dem Controller in der Hand steuert man hier seinen Avatar mittels eigenen Beinkraft über verschiedene Strecken. Die Strecken der Rad-Weltmeisterschaft rund um Innsbruck sind seit 2018 Teil der Zwift-Welt. Wegen der Corona-Beschränkungen tummeln sich derzeit besonders viele Radsportler auf den unterschiedlichen Pixel-Parcours. Rennen mit mehr als 1.000 TeilnehmerInnen sind da keine Seltenheit.
Stelldichein mit den Radsport-Stars
Die österreichische Bike-Community traf sich während der Ausgangsbeschränkungen immer weider zu Gruppenausfahrten rund um Innsbruck. Organisiert hat den "Corona Ride Austria" der steirische Landtagsabgeordnete Alexander Pinter. Mit dabei: Stars aus Radsports. Der Kollege, der mir heute virtuellen Windschatten bietet, ist niemand geringer als der sechsfache Race Across America-Sieger Christoph Strasser. Zwei Wochen später führt Bernhard Eisel das Peloton durch Innsbruck.
Während der rasanten simulierten Abfahrt von der Hungerburg erzählt uns der Ultra-Radmarathon-Spezialist vom Training in Corona-Zeiten. Nach einer Stunde im Windschatten einer lebenden Radfahrlegende ist der Spaß auch schon wieder vorbei. Mit monotonem Abstrampeln am Hometrainer, den Blick starr auf die weiße Wand gerichtet, hat diese Art von Training nicht mehr viel zu tun. Stattdessen gibts Bonuspunkte für vergossene Schweißtropfen, die im Shop gegen virtuelle Radkappen, Trikots oder Rennmaschinen eingetauscht werden können.
Ich kann mich auch nicht dran erinnern, jemals so gern, so hart und so viel trainiert zu haben wie in den sechs Wochen, in denen ich aufs Training draußen verzichtet habe. Auch heute habe ich nicht genug. „Wer fährt noch mit auf eine Runde hoch nach Igls?“, frage ich in die Runde – Keine Antwort. Ich radle trotzdem los – alleine bleibt man in der Welt von Zwift sowieso nie lange.
Bisherige Blogeinträge:
Episode 4: Nicht ohne meine Jogginghose
Episode 3: Die Tücken der Video-Konferenzen
Episode 2: Vorausschauendes Jogging in Corona-Zeiten
Episode 1: Liefer-Liebe in Zeiten der Corona
-----------
Wirtschafts- und Sportredakteur Andreas Baumgartner hat schon eine Woche mehr Erfahrung im "Vondaheimarbeiten". Aufgrund einer Erkältung und aus Rücksicht auf die Gesundheit der Kollegen hat er sich bereits ein paar Tage früher freiwillig in die Isolation begeben. Er wird schon etwas seltsam.


Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.