Exklusivinterview: EU-Regionalkommissar Dr. Johannes Hahn im Exklusiv-Gespräch mit Österreichs Regionalmedien

- EU-Regionalkommissar Dr. Johannes Hahn
- Foto: Verband der Regionalmedien Österreichs
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Ist die europäische Strukturpolitik der Vergangenheit gescheitert? Trotz gewaltiger Förderprojekte sind manche Staaten heute sogar weiter hinten - Bsp. Griechenland?
OÖ (red). Die Europäische Strukturpolitik ist ein Erfolgsmodell, an dem sich immer mehr Staaten in aller Welt orientieren. In vielen Mitgliedstaaten hat der gezielte und effiziente Einsatz der Mittel das Wohlstandsniveau deutlich erhöht und moderne Infrastruktur bereit gestellt. Im Sinne des Prinzips des geteilten Managements zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten/Regionen liegt es aber immer auch diesen, die Mittel bestmöglich einzusetzen - das ist in manchen Mitgliedstaaten bisher nicht im notwendigen Ausmaß gelungen. Daher ist es mir auch ein großes Anliegen in der laufenden und der nächsten Periode stark in den Aufbau der administrativen Kapazitäten der Mitgliedstaaten und Regionen zu investieren, um einen optimaleren Mitteleinsatz zu erreichen.
Ist Europa zu schnell gewachsen? Ein Viertel der europäischen Regionen gilt als Konvergenzregion - und damit Förderzielgebiet.
Europa hat momentan 271 Regionen. In der laufenden Periode sind 84 Regionen sogenannte Konvergenzregionen, d.h. Regionen, deren Pro-Kopf-Einkommen weniger als 75 % des europäischen Durchschnitts beträgt. In der kommenden Periode werden nur mehr 69 Regionen in diese Kategorie fallen, damit - statisch gesehen - 30 Millionen Menschen in reicheren Regionen leben als heute. Regionalpolitik wirkt und stärkt damit auch den europäischen Binnenmarkt und die Absatzmöglichkeiten für Unternehmen aus den reicheren Mitgliedstaaten. Regionalpolitik ist nicht nur eine Frage der politischen Solidarität, sondern der wirtschaftlichen Vernunft.
Kann man Europa mit Fördereinsatz in gleicher Geschwindigkeit voran bringen oder droht ein Europa der 2 Geschwindigkeiten?
Wir haben kein Europa der 2 Geschwindigkeiten, aber ein Europa der unterschiedlichen Wohlstandsniveaus. Daher ist es vorrangiges Ziel der Regionalpolitik, die Wohlstandsunterschiede zu beseitigen und den Menschen in allen europäischen Regionen Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten zu bieten. Daher bekommen ärmere Regionen auch deutlich mehr Mittel als reichere, um den notwendigen Aufholprozess zu beschleunigen. In der nächsten Periode werden weniger Regionen zu den ärmsten zählen als bisher.
Was halten sie von Vorschlägen, schlecht performende Staaten wie Griechenland aus der Eurozone zu werfen?
Nichts - weil was wäre die Alternative? Wir müssen im Gegenteil gemeinsam mit den Griechen und einer hoffentlich bald wieder stabilen griechischen Regierung den eingeschlagenen Sanierungskurs fortsetzen, die Stabilität des Landes sichern und durch gezielte Investitionen in die griechische Wirtschaft diese wettbewerbsfähig machen, um den Griechen eine ökonomische Perspektive zu bieten, die auch für den europäischen Binnenmarkt gut und wichtig ist.
Defizitabbau versus Wachstum - ein Gegensatz?
Wir brauchen beides: Stabilität der öffentlichen Haushalte und gezielte, nachhaltige Wachstumsimpulse. Deshalb haben wir auch einen europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt, weil beide Ziele gleichermaßen wichtig sind und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Wir dürfen darüber hinaus Wachstumsimpulse nicht mit einem unkontrollierten deficit spending verwechseln, das hat schon in der Vergangenheit in die Sackgasse und die Krise der öffentlichen Haushalte geführt. Daher: Ja zu gezielten Wachstumsimpulsen, wie sie die europäische Regionalpolitik in den Bereichen Innovation, KMU-Förderung und Investitionen in erneuerbare Energien setzt, aber mit verantwortungsvollem Blick auf die Stabilität der Budgets.
Was halten sie von Gemeindezusammenlegungen?
Grundsätzlich müssen Strukturen immer auf ihre Effizienz hin überprüft werden. Die Frage der politischen Organisation von Regionen liegt aber in deren Kompetenz, hier sollte sich die europäische Ebene nicht einmischen, denn Ratschläge sind immer auch Schläge.
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