Die Legende über Zitzmannsdorf
Königsurteil für das arme Neusiedl
Zitzmannsdorf war einst ein von Menschen bewohnter Ort in West-Ungarn.Als die Osmanen 1529 nach Wien vorrückten, hinterließen sie eine blutige Spur der Verwüstung.
Autoren: Ingrid Schramm und Andrea Glatzer
NEUSIEDL AM SEE. Der Legende nach stritten die Gemeinden Neusiedl und Jois um das menschenleere Gebiet und gingen zur Entscheidungsfindung vor ein kaiserliches Gericht. Ein kaiserliches Urteil kann jedoch nicht gefällt worden sein, denn der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war damals Karl V., der sein Reich von Spanien aus regierte. Der Habsburger verfügte über ein Weltreich in dem die Sonne niemals unterging. Nach dem Motto „Alle Erde ist Österreich untertan“ A.E.I.O.U. war ihm die ganze Welt untertan, aber nicht Zitzmannsdorf. Die Gemeinde Zitzmannsdorf fiel in den Machtbereich seines Bruders Ferdinand I., der 1526 in Preßburg zum König von Ungarn gekrönt worden war.
Königlicher Gerichtstag
Möglicherweise ist das Urteil über die Zuteilung von Zitzmannsdorf im Zuge eines königlichen Gerichtstages gefällt worden, als die Neusiedler und Joiser Delegierten bei ihrem König vorsprachen. Um eine Entscheidung für das Grundrecht zu erhalten, gingen sie unterschiedlich vor. Während sich die Joiser in Schale warfen, im Sonntagsstaat mit Wams und Silberknöpfen auftraten, gingen die Neusiedler im Alltagsgewand zur Audienz. Die Joiser wurden von einem Hoflakaien als die Herren von Jois angekündigt, die Neusiedler hingegen wurden als die armen Neusiedler vorgelassen. Der König entschied für die armen Neusiedler.
Ein Machtwort der Habsburgerin Maria
Unter Umständen wurde der Rechtsstreit aber auch auf Herrschaftsebene entschieden. Grundherrin der Herrschaft von Ungarisch-Altenburg war Maria, die Schwester der beiden Habsburg-Herrscher Karl und Ferdinand. Sie war die Gattin des ungarischen Königs Ludwig II. des Vorgängers ihres Bruders Ferdinand. Ludwig war 1526 in der Schlacht bei Mohàcs gegen die Türken gefallen. Nach dessen Tod lebte Maria auf ihrem Witwensitz, auf der Burg von Ungarisch-Altenburg, teilweise hielt sie sich in der damaligen ungarischen Hauptstadt Preßburg auf.
Als Grundherrin waren ihr beide Ortschaften Jois und Neusiedl untertan. Nachweislich hatte sie recht gute Beziehungen zu Neusiedl. Sie könnte diese Entscheidung gemeinsam mit ihrem Bruder Ferdinand gefällt haben, allerdings stellt sich die Frage, wo die Entscheidung gefallen sein könnte, denn Ungarisch-Altenburg war 1529 von den Türken verwüstet worden. Auf jeden Fall vor 1531, denn Maria übernahm im selben Jahr die Statthalterschaft in den Niederlanden.
Warum nicht Weiden?
Die wahrscheinlichste Variante ist folgende: Der Gerichtstag wurde vermutlich in der Hauptstadt Preßburg abgehalten. Die Entscheidung für Neusiedl wurde durch den König getroffen, der sich aber häufig in anderen Ländern des Habsburgischen Weltreiches aufhielt. Umso wahrscheinlicher ist, dass seine Schwester Maria beim Urteil für Neusiedl ein gewichtiges Wort mitgesprochen hat. Man könnte sich auch fragen, warum Zitzmannsdorf, das geografisch an Weiden angrenzt, nicht in den Besitz der damaligen Grundherren, des Raaber Domkapitel gekommen ist. Vermutlich deshalb, weil sich die Raaber gegen die mächtigen Habsburg-Geschwister nicht durchsetzen konnten. Ferdinand und Maria werden keinerlei Interesse daran gehabt haben, das Dorf der geistlichen Herrschaft zu überlassen. So blieb wenigstens alles in der Familie und nun war auch Zitzmannsdorf „Österreich untertan“.
Österreich - Hausmacht der Habsburger
Noch zu seinen Lebzeiten hatte Kaiser Karl V. sein Reich aufgeteilt. Er selbst behielt die spanischen und burgundischen Besitzungen, die österreichischen Erbländer hingegen, also die „historische Hausmacht der Österreicher“ übergab er seinem jüngeren Bruder Ferdinand I., der ab 1526 auch König von Böhmen und Ungarn war und seinem Bruder Karl als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 1558 nachfolgte.
Naturschutz-Karriere im Burgenland
Die Zitzmannsdorfer Wiesen machten in der Anfangsphase des Burgenlandes schon Naturschutz-Karriere. 1926 wurden Teile davon von der Burgenländischen Landesregierung zum „Banngebiet“ erklärt und damit zum ersten Naturschutzgebiet des Burgenlandes.
Die Legende wurde uns von Landesrat a.D. Paul Rittsteuer erzählt, der uns zu wichtigen Ergänzungen anregte.
Die Geschichte ist Teil des neuen Buches „Pannonische Schicksalslinien“ der beiden Autorinnen Andrea Glatzer und Ingrid Schramm und wird im August erscheinen.
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