Meine keine Familie - Nachgeschenkt
Hier nachträglich der in der Printversion enthalten gewesene Beitrag "Die größte Kommune Europas..." zum Film "Meine keine Familie", der Mitte August im Beisein von Regisseur Paul-Julien Robert in Illmitz gezeigt wurde.
Illmitz(doho)
Gemeinschaftseigentum, freie Sexualität, Auflösung der Kleinfamilie, – das waren die Ziele der größten Kommune Europas, der Kommune am Friedrichshof, in den Siebziger und Achtziger Jahren. Was als Überwindung einer autoritären Gesellschaft unter der Leitung des Wiener Aktionskünstlers Otto Mühl begonnen hatte, mit dem Ziel eine neue Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu etablieren, wurde letztlich ins krasse Gegenteil pervertiert. Viele Außenstehende fragen sich bis heute, wie es möglich war, dass so viele, oft gebildete Menschen dem selbst sehr autoritären Otto Mühl bedingungslos folgten. Wie in jeder Beziehung spielte auch hier Vertrauen, und damit die Macht, die man Otto Mühl gab, eine große Rolle. Doch Vertrauen schafft immer auch die Basis für mögliche Missbräuche, was leider auch im Fall der Kommune passiert ist. Wie weit der Gehorsam dem „Meister“ gegenüber ging, wird in einer bedrückenden Szene gegen Ende des Films deutlich, als dieser ein Kind vor versammelter Runde demütigte, ohne dass irgendjemand, auch nicht die Eltern des Kindes, einschritten.
Paul-Julien Robert ist eines dieser Kinder, die am Friedrichshof geboren wurden. Aus tausenden Stunden unveröffentlichten Archivmaterials und Gesprächen mit seiner Mutter schuf er seinen ersten Film „Meine keine Familie“. Der Dokumentarfilm ist aber nicht nur eine Reise in die Vergangenheit und eine sehr persönliche Geschichte. Er gibt einen Einblick in dieses System der Kommune und stellt zeitlose Fragen danach, wie man leben soll. Welche Form des Zusammenlebens ist ideal? Was ist Familie? Im konkreten Fall der Kommune eröffnen sich auch Fragen nach Verantwortung und das Bewußtsein um Schuld bei der Elterngeneration der Kommune.
Die äußerst sehenswerte Geschichte eines jungen Mannes, der sich mit seiner Vergangenheit konfrontiert und dabei auch ein Stück Zeitgeschichte behandelt ist wieder einmal ein großartiges Lebenszeichen des österreichischen Films!
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.