Katharina Wendl aus Oberkohlstätten auf Heimaturlaub vom Gedenkdienst

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OBERKOHLSTÄTTEN (ps). "Ich möchte mich mit der Shoah (hebräisch für Holocaust), mit der Zeit davor und danach beschäftigen, um nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart besser zu verstehen und dazu beitragen, dass die Forderung "Nie wieder!" zu keiner heruntergeleierten Phrase verkommt."
Deshalb entschloss sich Katharina Wendl, nach der Matura am Wimmer Gymnasium, ab August 2016 im Namen der Republik Österreich in Yad Vashem zu arbeiten, der weltweit größten Gedenkstätte zur Erinnerung an den Holocaust.
Im Zuge dessen wollte die Schülerin vor allem im Archiv tätig sein und dort Dokumente (private Briefe, offizielle Schreiben) vom Deutschen ins Englische und vice versa übersetzen.
"Daneben werde ich über einzelne Opfer der Shoah recherchieren und falls offizielle Delegationen aus Österreich kommen, diese in Yad Vashem begleiten", so Katharina. Mit diesen Vorstellungen trat Katharina Wendl ihren Gedankdienst in Yad Vashem an und sprach bei ihrem Heimaturlaub mit den Bezirksblättern über ihre Aufgaben, Eindrücke und die Zeit in Israel.

Gedenkdienst eine Chance und Herausforderung

„Ich bin froh und stolz, die Möglichkeit bekommen zu haben, Gedenkdienst zu leisten. Ich sehe es als großes Privileg an, ein Jahr lang in Yad Vashem arbeiten zu können, mich mit der Shoah zu beschäftigen und jeden Tag etwas dazulernen zu können. Vor nicht allzu langer Zeit war dies noch vielen jungen Menschen aus zwei Gründen verwehrt: Entweder waren sie Frauen oder nicht wehrpflichtige Männer. Ich beschäftige mich während meines Jahres hier (zum Glück) nicht nur mit der Shoah, sondern kann in eine Kultur und Sprache eintauchen, die sehr faszinierend ist und viele Jahrhunderte lang (und auch weiterhin) die europäische Geschichte und die europäischen Kulturen mit beeinflusst hat“.

Werden deine Erwartungen in Israel erfüllt, oder hast du dir diesen Dienst
anders vorgestellt?

„Das ist schwer zu sagen. Den Gedenkdienst habe ich mir ungefähr so vorgestellt, wie ich ihn jetzt auch mache. Wie das Archiv und mein Arbeitsplatz in Yad Vashem aussehen, habe ich mir schon etwas anders vorgestellt. Fast alle Dokumente sind digitalisiert. Die Dokumente, die ich bearbeite, finde ich in der riesigen Datenbank von Yad Vashem auf meinem Computer. Ich bin schon mit ein paar Vorstellungen, vor allem was Sicherheitsvorkehrungen betreffen, nach Israel gefahren, die sich dann als nicht wirklichkeitsgetreu herausgestellt haben. Es gibt nicht so viele Sicherheitschecks vor Einkaufszentren, Geschäften oder Bahnhöfen (wenn, dann sind sie so ähnlich wie Planquadrate) wie ich es erwartet habe. Meine Ansichten zu Politik und Gesellschaft haben sich in meiner Wahrnehmung vor Ort nicht wesentlich geändert. Die Gründe, warum ich mich z.B. als Europäerin fühle, warum es gut ist, strenge Waffengesetze zu haben, sind mir bewusster geworden, sind nun viel schneller abrufbar, weil ich hier meine Ansichten verteidigen muss.

Wie ist das Leben in Israel, fernab von zuhause?
Ganz schön. Durch neue soziale Medien ist das Heimweh nicht besonders groß. Die Arbeit gefällt mir. Meine Mitbewohner/Innen sind freundlich, Jerusalem ist toll. Ich kann mich in dieser Hinsicht nicht beschweren. Schwierigkeiten gibt es natürlich, das abzustreiten wäre lächerlich. Aber ich habe immer Unterstützung erfahren: von der Österr. Botschaft in Tel Aviv, vom Verein Gedenkdienst und natürlich von meiner Familie.
Gedenkdienst war und ist hart umkämpft. In den letzten Monaten gab es Versuche vonseiten des BMASK aufgrund von finanziellen Vorgaben ihrerseits, den Gedenkdienst zu kürzen. Ich habe die Diskussionen im Verein, die Kampagne usw. mitverfolgt und mich hat das sehr bewegt, obwohl es mich nicht direkt betrifft, sondern die nächsten Jahrgänge. Die Richtlinien des BMASK, was die Förderung der Gedenkdienstleistenden anbelangt, finde ich hart, despektierlich und höhnisch gegenüber der Arbeit, die wir Gedenkdienstleistenden machen und den Lebensumständen, unter denen wir leben.
Gedenkdienst ist aktive Gedenkpolitik und “Kultur, die von den jungen Menschen, die diesen Freiwilligendienst machen, im Namen der Republik Österreich nach außen getragen wird. Diese Arbeit ist wichtig. Die Arbeit, die zu tun ist, wird nicht weniger, schon gar nicht in Yad Vashem. Sie ist auch nicht weniger bedeutend als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren - die aktuellen Entwicklungen in der Politik sowohl in Österreich als auch im Ausland zeigen, wie wichtig es ist, ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein zu haben und zu wissen, was passiert ist und warum es in unseren Geschichtsbüchern steht - auch wenn es wehtut.

Wie lange bleibst du noch und wo bist du im Einsatz?
Da der Gedenkdienst ein 12,5-monatiger Freiwilligendienst ist, werde ich meinen Gedenkdienst Ende August beenden und danach zurück nach Österreich kommen.
Meine Einsatzstelle ist Yad Vashem, eine der bedeutendsten Gedenkstätten, die an die Shoah erinnern und sie wissenschaftlich dokumentieren. Durch einen Beschluss des israelischen Parlaments wurde Yad Vashem als nationale Holocaust-Gedenkstätte 1953 gegründet. Der Name „Yad Vashem“ bedeutet Denkmal und Name und ist Jesaja 56,5 entlehnt: „Ihnen allen errichte ich in meinem Haus / und in meinen Mauern ein Denkmal, ich gebe ihnen einen Namen, / der mehr wert ist als Söhne und Töchter: Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, / der niemals ausgetilgt wird.“ Ein besonders wichtiges Ziel Yad Vashems ist es, die Namen möglichst aller Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet worden sind, herauszufinden. Die Namen können sowohl online als auch vor Ort in der Hall of Names recherchiert werden.
Seit 1953 haben die Mitarbeiter_innen von Yad Vashem wertvolle Arbeit darin geleistet, Dokumente und Objekte jeder Art in Zusammenhang mit dem Holocaust zu konservieren und zu erhalten, den Holocaust zu erforschen und zu vermitteln. Das Archiv, das über 60 Millionen Dokumente beherbergt, wächst immer weiter. Noch längst nicht sind alle Akten digitalisiert und bearbeitet. Im Zuge von Projekten wie „Gathering the Fragments“ stoßen Wissenschafter_innen immer wieder auf neue Dokumente, Erinnerungsstücke und Lebensgeschichten von Holocaustüberlebenden. Das Archiv selbst ist in verschiedene Abteilungen eingeteilt. So gibt es etwa ein deutschsprachiges, ein russisch-, ein ungarisch-, und ein polnischsprachiges Archiv. Außerdem verfügt Yad Vashem über eine Bibliothek mit einem Bestand von über 130.000 Titeln in über 50 verschiedenen Sprachen, die sowohl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Yad Vashems als auch von Außenstehenden genutzt werden kann.

Was sind deine Tätigkeiten

Katalogisierungstätigkeiten bei Neueingängen im Archiv
Herbert Rosenkranz (1924-2003) war ein österreichisch-israelischer Historiker und Archivar in Yad Vashem. Von Anfang an hat er die Idee des Gedenkdienstes unterstützt. Er sammelte unergiebig alle Arten von Dokumenten, die mit Österreich, dem Nationalsozialismus und dem Holocaust zu tun haben. Bis heute arbeiten die österreichischen Gedenkdienstleistenden daran, seinen umfangreichen und wissenschaftlich besonders relevanten Nachlass zu katalogisieren, um es Wissenschafter_innen und anderen interessierten Personen zu ermöglichen, Einsicht in jene Dokumente zu erlangen.
„In den letzten vier Monaten hatte ich die Gelegenheit, sehr viel über die Jüdische Gemeinde in Wien während der Zeit des Nationalsozialismus in Österreich zu lesen und zu lernen. Neben der Korrespondenz zwischen offiziellen Vertretern der Jüdischen Gemeinde und nationalsozialistischen Behörden über die Konfiszierung von Gebäuden und rituellen Objekten, antisemitische Verordnungen und die Errichtung und Organisation von Hachshara-Lagern (Umschulungslager für jüdische Auswanderer_Auswanderinnen) habe ich sehr viele Dokumente zur Flucht aus Österreich katalogisiert.

Nachforschungen über einzelne Opfer der Shoah, sowie Bearbeitung diverser Anfragen an das Archiv
„Bis Mitte Jänner war ich zweimal in der Woche im Beit HaKehillot (Haus der Gemeinden) damit beschäftigt, bereits archivierte Pages of Testimony im zentralen Suchsystem Yad Vashems („Sapir“) zu suchen, um sicherzustellen, dass sie sowohl online als auch offline zugänglich sind. Dieses Projekt ist nun abgeschlossen.
Wenn Besucher_innen bei der Suche nach Informationen zu ihren Angehörigen Unterstützung bei der Suche und beim Verstehen von deutschsprachigen Dokumenten in den Archiven von Yad Vashem oder im Archiv des Internationalen Suchdienstes (ITS) Hilfe benötigen, werde ich hin und wieder zu Rate gezogen.

Empfang und Führung offizieller österreichischer Delegationen
Offizielle Delegationen besuchen meist 1,5 bis 2,5 Stunden lang Yad Vashem und werden von einem Vertreter oder einer Vertreterin der österreichischen Botschaft in Tel Aviv begleitet. Nach der Begrüßung durch den Guide und mich findet eine kurze Führung durch das Historische Museum statt. Dabei wird auf die Interessen der Delegation eingegangen. Anschließend besucht die Delegation die Hall of Names.

- 03.01.2017 - Besuch der Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung Muna Duzdar in Yad Vashem
Muna Duzdar durfte ich zu Beginn des Jahres in Yad Vashem empfangen. Sie zeigte sich sehr interessiert an der Arbeit der Holocaustgedenkstätte und bekräftigte ihre Unterstützung für den Gedenkdienst. Besonders beeindruckt haben sie die verschiedenen Lebensgeschichten der Verfolgten und die Technologien, die Yad Vashem einsetzt, um die Shoah zeitgemäß zu vermitteln.

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