Kommentar zu den Femiziden
Wenn das Geschlecht zum Mordmotiv wird
Seit dem jüngsten Fall in Ottakring hallt das Wort "Femizid" wieder durch die Medien. Nicht selten hört man Aussagen, die die Schuld in die Schuhe der Opfer schieben. Ein weiteres Indiz dafür, wie sehr unsere Gesellschaft noch in patriarchalen Strukturen gefangen ist, findet BezirksZeitungs-Redakteurin Tamara Wendtner.
WIEN/OTTAKRING. Femizid, Femizid, Femizid – seit dem jüngsten tragischen Fall in Ottakring erklingt das Wort wie ein Echo aus allen Medien. Nervt es dich schon? Gut!
Femizide sind ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft. Sie bezeichnen nicht irgendeinen Mord, bei dem es zufällig eine Frau getroffen hat. Ein Mord allein wäre schlimm genug, egal an welchem Menschen.
Von einem Femizid spricht man allerdings, wenn eine Frau ermordet wurde, eben weil sie eine Frau ist. Es handelt sich also hierbei um ein Hassverbrechen. Häufen sich diese, zeugt das davon, dass in unserer Gesellschaft irgendetwas gehörig falsch läuft.
Schuldzuweisungen bringen nichts
Besonders deutlich merkt man das auch daran, wie den Opfern die Schuld in die Schuhe geschoben wird. Zu aufreizend angezogen? Femizid. Zur falschen Zeit unterwegs gewesen? Femizid. Die falsche Gegend allein durchquert? Femizid. Zu nett zu einem Mann gewesen und ihm dadurch Hoffnungen gemacht? Femizid. Einem Mann nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt und ihn daurch wütend gemacht? Femizid.
Anstatt, dass wir als Gesellschaft über unser Frauenbild reflektieren, weisen wir die Schuld von uns. Wenn die Frauen nicht Schuld sind, dann eben die "bösen Ausländer". Da findet man dann interessante Schlagzeilen wie "Frauenmorde: Fast jeder zweite Täter kein Österreicher".
Das ist sehr interessant ausgedrückt. Es hat einen leichten Beigeschmack von "Die dürfen sich nicht an unseren Frauen vergreifen, das machen wir schon selber." Jede Person, die sich an einer anderen Person vergreift, gehört zur Verantwortung gezogen. Ein offensichtliches Problem von sich zu weisen, weil andere Kulturen dasselbe haben, wird die Anzahl der Hassverbrechen an Frauen nicht mindern – es erhöht höchstens die Anzahl der Hassverbrechen an Personen mit Migrationsbiografie.
Ein gefundenes Fressen für Schuldzuweisungen sind letztendlich Frauen mit Migrationsbiografie, besonders wenn diese ein Kopftuch tragen. Die trägt ein Kopftuch und passt sich nicht an? Femizid. Selber Schuld, wenn sie sich unterdrücken lässt? Femizid.
Femizid, Femizid, Femizid. Nervt es dich schon? Gut.
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