Star für eine Nacht
Sie wollen König sein oder Madame Butterfly? Eine Kostümparty veranstalten und dabei als Mary Stuart auftreten? Einmal die Hauptrolle spielen? Kein Problem!
Hinter den Mauern eines fabriksähnlichen Gebäudekomplexes in der Montleartstraße 8 im 14. Bezirk verbirgt sich nämlich der größte Kostüm- und Theaterfundus Österreichs, der wahre Prachtstücke für gar nicht viel Geld verleiht und die Kostüme sogar individuell an die Figur anpasst. Und zwar nicht nur für Operndiven und Theaterproduktionen, sondern auch für die Frau und den Mann von der Straße. Die Kostüme stammen aus rund sechzig Jahren Produktionen der Bundestheater und sind ab 120 Euro pro Event zu haben. Ein Rokokokostüm ist mit rund 360 Euro etwas teurer. In beiden Fällen gibt es zum jeweiligen Preis das komplette Outfit inklusive Hut, Schuhe, Tasche, kurz – allem, was dazugehört.
Harald Falk leitet den Fundus und Kostümverleih der „Art for Art Theaterservice GmbH“ seit vielen Jahren. Der gelernte Schneider hat bis 1992 in der Garderobe des Burgtheaters gearbeitet und hat den Inhalt der über 23 Hallen zu je 500 Quadratmetern mit mehr als 250.000 Kostümen an neun Kilometern Kleiderstangen „auswendig im Kopf“. Ein modernes Computersystem, das alles archiviert, gibt es nicht. „Das würde auch nie funktionieren“, ist er überzeugt. Es gibt zehn Mitarbeiter, wobei jeder seinen Bereich eigenständig verwaltet. Das Arbeitsklima könnte nicht besser sein, schwärmt Falk.
Der „Art for Art Fundus“ ist seit 1970 öffentlich zugänglich, stand davor aber nur den Bundestheatern zur Verfügung. Heute kann man hier in historischen
Kostümen schwelgen, durch die Jahrzehnte erfolgreicher Opern- und Theaterproduktionen schlendern und im hauseigenen Flohmarkt bis Jahresende sogar noch Schnäppchen ergattern. Einzige Bedingung: Viel Zeit mitbringen und davor unbedingt telefonisch anmelden! Auch Führungen für Schulen oder kleinere private Gruppen sind möglich und sehr beliebt. Kein Wunder, Harald Falk weiß viele interessante Geschichten rund um „seinen“ Fundus zu erzählen und kennt von den meisten Kostümen sogar das Datum und den Namen des damaligen Opern- oder
Theaterstars auswendig. Vom „Carneval der Tiere“ mit überlebensgroßen Tierköpfen von 1994 bis hin zur Königsrobe von Don Carlos aus 1970: Die dazugehörige Geschichte gibt‘s bei den Führungen gratis dazu. Und manchmal entdeckt man ein echtes Geheimnis, wie etwa bei den Schuhen.
Ist ein Star nämlich etwas kleiner geraten, werden ihm spezielle Schuhe auf den Fuß geschneidert: die Kothurnen. Erstaunlich auch die Passform der Ungetüme, denn sie sind gute zwanzig Zentimeter hoch, wenn nicht höher. Mit einem Extra-Innenschuh wird der Knöchel so fixiert, dass man nicht so leicht umknicken kann. Krinoline darüber oder einen langen Mantel und fertig ist die riesige Erscheinung. Damit bei den Premieren alles perfekt klappt, wird etwa drei Monate davor die Probekleidung ausgesucht und später durch Spezialanfertigungen, die mit dem Kostümbildner erarbeitet werden, ersetzt. Da können in zehn Monaten schon mal achtzig Neuproduktionen zusammenkommen. Gefertigt wird in den „Art for Art Werkstätten“ im 1. Bezirk. Danach kehren die Kostüme hierher zurück und
erleben so manches Revival, ob auf einer privaten Feier oder einer weiteren Theaterproduktion.
Näheres unter www.artforart.at
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.