Porträt Pfarrer Moses Chukwujekwu
Lebensfroher Europäer mit afrikanischem Gottvertrauen

"Menschen brauchen Gemeinschaft und die will ich aktiv voranbringen", setzt sich Pfarradministrator Moses Chukwujekwu zum Ziel.  | Foto: Eckhart Herbe
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  • "Menschen brauchen Gemeinschaft und die will ich aktiv voranbringen", setzt sich Pfarradministrator Moses Chukwujekwu zum Ziel.
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Ganz flüssig geht seinen Schäfchen der Name ihres neuen Pfarradministrators auch nach drei Monaten noch nicht von der Zunge.  So wurde aus Dr. Moses Valentine Afamefuna Chukwujekwu schnell "unser Pfarrer Moses", der sich in St. Georgen bereits bestens eingelebt hat. Anlässlich der ersten 100 Tage an seiner neuen Wirkungsstätte hat die BezirksRundSchau den gebürtige Nigerianer, der nicht weniger als sieben Sprachen beherrscht, und neben Theologie auch Unidiplome in Philosophie und Interkultureller Kommunikation besitzt, zum Interview getroffen.

PFARRE ST. GEORGEN/GUSEN. Beim Fototermin weht eiskalter Nordwind rund um seine Kirche - ein krasser Gegensatz zum tropischen Südosten von Nigeria, in dem der 54-Jährige zusammen mit vier Schwestern und drei Brüdern während des verheerenden Biafra-Bürgerkriegs aufwuchs, ehe er als Priester über die Schweiz nach Österreich kam.
"In meinem Teil Afrikas ist Glaube unverzichtbarer Teil des alltäglichen Lebens. Ich stamme aus einer römisch-katholischen Familie und war gerne Ministrant - mein Ansporn Priester zu werden, wie auch einer meiner Cousins. Außerdem gehöre ich dem sehr religiösen Stamm der Igbo an. Meine Motivation war, Gott und durch ihn den Menschen zu dienen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Ich sehe mein Amt so nicht als Beruf sondern als göttliche Berufung, der mir die Gnade für dessen gute Ausübung schenkt", so Moses Chukwujekwu zu seinem persönlichen Hintergrund.

"Kein leichter Abschied vom Innviertel"

Leicht ist ihm der Abschied von seinen bisherigen, ländlichen geprägten Innviertler Pfarren Taufkirchen/Pram und Sigharting nicht gefallen, als von der Diözesanleitung der Wunsch kam, die große Pfarre St. Georgen im Linzer Speckgürtel zu übernehmen: "Wir hatten im Dekanat Andorf schon fast das Vorbereitungsjahr auf die 'Pfarre Neu'  abgeschlossen - da kam mein Abschied aus heiterem Himmel. Nach kurzer Bedenkzeit fiel meine Entscheidung für die neue Aufgabe. Ich habe sie als Gottes Willen für mich wahrgenommen. Wie man in meiner Vita erkennt, haben schon viele Wechsel mein Leben geprägt. Ich bin ein flexibler Mensch und verfüge über großes Anpassungsvermögen, das ist meine Stärke. Es war meine bewusste und überlegte Entscheidung, der Bitte meines Vorgesetzten zu folgen, auch wenn sie mir schwer fiel. Sie war auch nicht einfach für meine bisherigen Pfarrgemeinden zu akzeptieren. Ich habe dort elf sehr schöne Jahre verbracht!"

Warme Aufnahme im Mühlviertel

Es machte den Start im Mühlviertel einfach, dass dem stets humorvollen und warmherzigen neuen Hirten beim ersten Besuch nach eigener Aussage viel Begeisterung und Offenheit entgegenschlug.
"Die Gemeindevertretungen aus  Luftenberg, Langenstein und St. Georgen und die Pfarrbevölkerung haben mich sofort herzlich aufgenommen. Ich kenne schon viele Einheimische beim Namen und wurde bereits von Familien zum Essen oder Kaffee eingeladen. Eine von vielen Gelegenheiten, möglichst rasch die Menschen auf persönlicher Ebene kennen zu lernen. Ich schöpfe Kraft aus solchen Begegnungen. Aus dem Kontakt mit Leuten verschiedenster sozialer Schichten, Herkunft und Kulturen rührt auch mein Faible für Sprachen. Sieben habe ich bisher gewissermaßen erlernt und gemeistert und aus diesem Interesse heraus neben Theologie auch Interkulturelle Kommunikation studiert", erzählt Moses. Er will sich aber auch abseits der Pfarre aktiv ins gesellschaftliche Leben der drei Gemeinden einbringen.

"Bin Europäer mit afrikanischem Blut"

Ob er Afrika vermisst? "Selbstverständlich! Es gibt viele Unterschiede und es ist in vielen Aspekten völlig anders als diesseits des Mittelmeers. Ich lebe seit 21 Jahren in Europa und könnte sagen, dass ich mich schon in vielem der europäischen Gesellschaft, ihren Gepflogenheiten und Bräuchen angepasst habe. Trotzdem fließt afrikanisches Blut in meinen Adern!"
Große Unterschiede lägen in der Wahrnehmung und Gestaltung des christlichen Glaubens. Die afrikanische Gesellschaft sei auf unverkennbare Weise von Religion und den verschiedenen Kirchen geprägt. So wäre etwa die Teilnahme am Sonntagsgottesdienst im christlichen Teil Nigerias für neun von zehn Einwohnern eine Selbstverständlichkeit. Ebenso die christliche Erziehung der Kinder - aber eben auf afrikanische Art.

"Ein Gottesdienst soll Lebensfreude vermitteln!"

"Dort sind Gottesdienste prinzipiell schwungvoll und lebensfroh, Musik und Tanz fast unverzichtbar. Ich plane, mir davon Anleihen zu nehmen. Will Gottesdienste und andere Feiern so gestalten, dass die Leute Freude daran haben. Freude am Glauben verspüren. Das gilt gerade im Kontakt mit jungen Familien besonders. Oft entsteht dieser nur, wenn sie um die Taufe ihrer Kinder bitten. Ich möchte das Taufgespräch zum Anlass nehmen, diese jungen Menschen aktiv dort abzuholen, wo sie stehen. Sie zum lebendigen Glauben ermuntern, ohne dabei den Oberlehrer zu spielen."

Kirchenfrust: "Unpassend für heutige Zeit?"

Ob es für einen Priester angesichts erlebter religiöser Lebensfreude in Afrika nicht frustrierend sei, sich mit einer zunehmend schrumpfenden Katholikenschar und der generellen Abwendung vom christlichen Glauben im sozial kälter werdenden Europa abzumühen? Pfarrer Moses sieht mehrere Gründe für den Glaubensfrust:
"In den Köpfen vieler reduzieren die faszinierenden Errungenschaften und Möglichkeiten unserer Zeit gewissermaßen den Glauben an Gott auf ein „altmodisches, sinnloses und blödsinniges“ Unternehmen. Die christlichen Lehren gelten als unpassend zur modernen Gesellschaft. Dazu kommt der gefühlte Verlust des Glaubenssinnes. Für viele Menschen haben Kirchen für ihre multiplen Probleme nichts direkt und sofort Greifbares als Lösung  anzubieten. Im Gespräch mit Ausgetretenen wird auch oft auf die Schattenseiten der Kirchengeschichte gedeutet. Und einige geben dem Kirchenbeitrag die Schuld."

"Wert von Glauben ganz praktisch erklären"

Der St. Georgener Hirte will auf diese individuellen Gründe ebenso individuell antworten. Für den Verbleib in der Kirche oder den Wiedereintritt, würde er über persönliche Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend in einem von Konflikten und Armut geprägten Land berichten. Wie der Glaube an einen gütigen, helfenden Gott Anker seines Lebens wurde und ihm bei der Überwindung von Krisen geholfen habe, etwa beim Tod seines Vaters. Ebenso aber auch ganz praktisch als Motivation und Hoffnungsgeber: "Ich hatte die bis heute in einem Entwicklungsland großartige Chance, eine vollständige Grundschulbildung und danach ein Philosophie- und Theologiestudium in kirchlichen Einrichtungen meine Heimat zu absolvieren. Dadurch humanitär für die Menschen meines Landes und im Tschad arbeiten zu können. Einen Master of Advanced Studies in Interkultureller Kommunikation und mein Doktorat in Theologie an zwei Universitäten im schweizerischen Lugano zu erwerben. Damit in Europa ein Leben aufzubauen, das mich erfüllt und glücklich macht. Gott hat mich stets dabei geführt und begleitet - gute Argumente für meinen Glauben ."

Trotz dunkler Flecken stolz auf Land und Kirche

Jenen, die sich wegen Missbrauchsfällen von der Kirche abwenden wollen, setzt Moses Chukwujekwu die heimische Geschichte entgegen: "Österreicher und Deutsche sind stolz darauf, Österreicher und Deutsche zu sein - trotz der grausamen NS-Vergangenheit beider Länder. Sie geben deswegen ihre Staatsbürgerschaft nicht aus Scham oder Frust auf, sondern versuchen wie hier in der Bewusstseinsregion, sich der Vergangenheit zu stellen. Zu lernen und etwas Positives daraus zu formen. Auch wenn der Prozess der Aufarbeitung schmerzhaft war und ist - wie in der Kirche. Die unbestrittenen Fehler einer Organisation von einst dürfen aber den Blick auf ihr Potential, heute das Rechte zu tun, nicht verstellen. Das sollte für Staaten wie Kirchen gleichermaßen gelten. Beide verdienen die Chance dazu!"

Gemeinschaft statt Inseldasein.

"De Mensch ist nicht fürs Inseldasein geschaffen - im Leben wie im Glauben", ist Moses überzeugt. Die zeitgemäße Ausgestaltung des eigenes Glaubens sei erfolgreicher, wenn man ihn in der Geborgenheit einer Kirchengemeinde mit anderen leben und teilen könne. "Gemeinschaft tut gut und stärkt. 'Wer glaubt ist nie allein', wird im Gotteslob gesungen. Ich bin überzeugt, dass gerade in unserer modernen, anonymen Welt dieses 'nicht alleine sein'  ungeheuer wertvoll ist. Kraft gibt für die vielen Fragen und Zweifel, die uns bewegen. So wie man in der Gesellschaft nie völliger Einzelläufer, keine Insel ist, sollte sich das jeder bei aller Individualität auch bei Glauben und Werten bewusst machen. Vertrauen auf Gott ist kein Modetrend. Ist nie rückwärts gewandt, sondern immer im Jetzt!"

Privat gefragt:

  • Meine Hobbies sind... Sprachen lernen, Lesen, Musik, Tennis, und Fußball. Ich sehe gerne TV-Dokus und unterhalte mich bei Serien wie Doctor House, Colombo oder "Um Himmels Willen".
  • Sportlich aktiv bin ich beim... Tennisspielen, derzeit aber pausierend wegen einer Schulterverletzung
  • Besonders gerne esse ich... nigerianisches Gerichte wie Cassava Foufou und Bitterleaf Soup oder Jollof Rice, aber auch ein österreichisches Putenschnitzel.
  • Dazu trinke ich... Bier oder einen guten Rotwein
  • Und höre als Lieblingsmusik... den US-amerikanischen Sänger, Pianisten und Songwriter Don Moen
  • Ich lese ich gerade... das "Lehrbuch der Logotherapie: Menschenbild und Methoden" von Elisabeth Lukas
  • Urlaub mache ich gerne in... meinem Heimatland Nigeria
  • Als Person inspiriert mich... Godfrey Igwebuike Onah, der Bischof von Nsukka in Nigeria
  • Undenkbar ist für mich... das Priestertum zu verlassen oder den katholischen Glauben aufzugeben
  • Mein Herz geht auf, wenn ich… freundlichen und sympathischen Menschen begegne, predige oder mit jemandem über den Glauben spreche, schöne und berührende Musik höre. Manchmal aber auch beim Verfolgen von Fußball- oder Tennismatches ;-)
  • Mein Leitspruch ist... „Hier bin ich, o Herr!“ (Jes. 6, 8)

Auch im Machland gibt es seit 1. September einen neuen Pfarradministrator:

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