NS-Urteil gegen "Engel in der Hölle von Gusen" aufgehoben
Priester und Pädagoge Johann Gruber, der im Konzentrationslager Gusen vielen Mithäftlingen half, wurde vom Gericht vollständig rehabilitiert.
ST. GEORGEN AN DER GUSEN, LINZ. Der oberösterreichische Priester und Pädagoge Johann Gruber war 1938 in Linz als Leiter der Katholischen Blindenanstalt von der Gestapo verhaftet worden. Wegen politischer sowie angeblicher sittlicher Vergehen wurde er gerichtlich verurteilt und 1944 im Konzentrationslager Gusen zu Tode gefoltert. Der politische Teil des Urteils war bereits 1999 vom Landesgericht Linz aufgehoben worden. Nunmehr wurde Gruber vom Gericht vollständig rehabilitiert.
Gruber, der im Konzentrationslager Gusen als „Engel in der Hölle“ so viel Gutes getan hat und der von ehemaligen Mithäftlingen sogar zur Seligsprechung vorgeschlagen worden war, blieb auch nach seinem Tod mit dem möglichen Makel des Sittlichkeitstäters behaftet.
Der politische Teil des Urteils war bereits 1999 vom Landesgericht Linz aufgehoben worden. Mit Urteil vom 7. Jänner 2016 hob nun das Landesgericht für Strafsachen in Wien das NS-Gerichtsurteil aus dem Jahr 1939 auch hinsichtlich des angeblichen Sittlichkeitsdeliktes auf.
Nach dieser Entscheidung des Gerichtes, das nach ausführlichen Untersuchungen zur Überzeugung gelangte, dass auch das Sittlichkeitsurteil politisch motiviert war und zur Aufrechterhaltung des NS-Unrechtsregimes dienen sollte, ist der Priester und Pädagoge Johann Gruber nun – mehr als 70 Jahre nach seinem Tod – vollständig rehabilitiert.
Ein langer Weg bis zur Rehabilitierung
Auf Initiative des Papa Gruber Kreises der Pfarre St. Georgen/Gusen beantragte Rechtsanwalt Moringer im Namen von Gisela Haslinger, einer entfernten Verwandten Grubers, die Aufhebung des Urteils.
Er weist auf das 2009 in Kraft getretene Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz hin, das auch die Aufhebung sogenannter Mischurteile ermöglichte, wenn auch die Verurteilung wegen eines nicht politischen Deliktes Ausdruck nationalsozialistischen Unrechtes war.
„Dr. Gruber war von der Gestapo verhaftet worden, die Blindenanstalt wurde danach von der NSDAP übernommen, die Zeugen waren nachvollziehbar über Initiative des NS-Blockwart zu ihren belastenden Aussagen verhalten worden und weder vor der NS-Zeit noch danach hat auch nur eines der angeblichen Opfer des Dr. Johann Gruber bestätigt bzw. behauptet, von diesem sexuell missbraucht worden zu sein“, so der Linzer Jurist.
Daraus, so Moringer, ergäbe sich lt. Landesgericht für Strafsachen in Wien, dass das Urteil in seiner Gesamtheit typisch nationalsozialistisches Unrecht zum Ausdruck bringt, um das nationalsozialistische Unrechtsregime durchzusetzen. Mit Beschluss vom 07. Jänner 2016 hat das Gericht demnach dem Antrag Folge gegeben.
Johann Gruber, der im Konzentrationslager Gusen als „Engel in der Hölle“ so viel Gutes getan hat und der von ehemaligen Mithäftlingen sogar zur Seligsprechung vorgeschlagen worden war, ist damit vollständig rehabilitiert.
Helmut Wagner, der an der Katholischen Privat-Universität Linz die historisch-wissenschaftliche Erforschung der Biografie Johann Grubers durchführte, verbindet mit der endgültigen Aufhebung des Urteils einen Auftrag für die Diözese Linz. „Es ist zu hoffen, dass mit diesem Schritt nun auch die letzten Schranken innerkirchlicher Vorbehalte beseitigt sind und das Beispiel des Priesters und Pädagogen Dr. Johann Gruber eine offizielle Verortung in der Diözese Linz erhält“, so der Historiker und Verleger.
Für den Papa Gruber Kreis der Pfarre St. Georgen/Gusen ist die vollständige Rehabilitierung Johann Grubers von großer Bedeutung. „Wir haben die Aufhebung des Urteils initiiert, weil Gruber selber sich gegen dieses Urteil vehement zur Wehr gesetzt hat. Nun, 76 Jahre später, erfährt er die ersehnte vollständige Rehabilitation“, so der Leiter des Papa Gruber Kreises, Christoph Freudenthaler.
Dieser Beschluss sei nicht nur für die Person Johann Gruber bedeutsam. „Er ist auch ein Trost für die Nachkommen all der ‚namenlosen‘ Menschen, die durch die Unrechtsprechung der Naziherrschaft unsägliches Leid erdulden mussten. Das langwierige Verfahren zeigt, wie wichtig es ist, dran zu bleiben, Geduld und Zähigkeit zu üben, um die Defizite des Nachkriegs-Österreichs im Umgang mit nationalsozialistischem Unrecht aufzuheben.“
Vorbild für gegenwärtige Herausforderungen
Der Vorsitzende des Vereins Plattform Johann Gruber betont die Aktualität des Urteils, wenn er darlegt, dass sich Recht damals wie heute nicht verbiegen lässt. Insbesondere in der aktuellen Diskussion etwa über das Asylrecht hält Freudenthaler dies für wichtig: „Im Sinne Johann Grubers geht es gerade heute um Haltungen von Toleranz, Menschlichkeit und Fürsorge über die Grenzen von Religionszugehörigkeit und etwaigen weltanschaulichen Lagern hinaus.“
Freudenthalers Wunsch an die Diözese Linz: dass die Person Johann Gruber stärker ins Blickfeld genommen wird, denn: „Das Leben von Johann Gruber, seine Fürsorge und seine Zivilcourage soll auch für uns heute lebendig werden, damit wir daraus für die Gegenwart lernen.“
Die Diözese Linz gewinnt nunmehr mit Johann Gruber zusätzlich zum seligen Franz Jägerstätter einen weiteren Märtyrer und ein großartiges Glaubenszeugnis.
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