Episoden aus meinem Leben - Internationaler Betriebsrat
Episoden aus meinem Leben
86. Splitter - Ich bitte um einen aussagekräftigen Titel
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Wir sind begeistert. Wir schreiben 2005 und sind in Erwartung unserer Betriebsrats-Kollegen aus allen Niederlassungen unserer Firma. Wir gründen einen internationalen Betriebsrat, für den wir - im Zeitalter der Kurzformen - bereits ein einfaches Markenzeichen kreiert haben: „IBR".
Niemand von uns kann sich auch nur vorstellen, wie unterschiedlich die Personal-Strukturen an den einzelnen Standorten sind. Bezeichnend für die Internationalität ist die Tatsache, dass in jedem der Länder, in dem es Filialen unserer Firma gibt, eine andere Sprache gesprochen wird. Dazu gehören neben Deutsch bei uns in Österreich, Ungarisch, Slowakisch, Russisch, Englisch für Südafrika und Hebräisch für Israel.
Es kann also - was leicht verständlich ist - keine einheitliche Organisation geben. Das fängt schon damit an, dass in Südafrika nur die Arbeiter, die „blue collar workers“, einen Betriebsrat haben. Angestellte sind ganz allein auf sich gestellt. Wir erfahren das bereits am Vorabend. Es ist kein gutes Omen. Dass unsere russischen Betriebsrats-Kollegen ein Visum brauchen, erfahren wir erst durch eine Mail von ihnen: „Die Gültigkeit unseres
Visums beginnt erst morgen.“ Sie müssen also die Kennenlern-Runde am Vorabend leider auslassen. Warum die Israelis überhaupt nicht dabei sind (sein können), das wissen wir nicht.
Trotzdem ist unser Betriebsrats-Obmann bei Beginn der Tagung beeindruckt, wie viele Nationen vertreten sind. Er freut sich auf eine gute Zusammenarbeit. Ein lokaler Gewerkschafts-Vertreter nimmt das Motto „Schulterschluss statt Standortkonkurrenz!“ in den Mund. Dann stellt sich jeder einzelne der Teilnehmer vor.
Anschließend gesellt sich der CEO, der oberste Leiter des operativen Geschäfts zu uns, begrüßt uns und betont, dass er von Anfang ein Unterstützer des Internationalen Betriebsrats gewesen sei. Er meint, dass das Ziel des IBR dann erreicht sei, wenn er zu einem übernationalen Denken führt. Er sagt, dass die wirtschaftlich verhältnismäßig gute Lage unserer Firma vor allem auf PTL (Pushing The Limits = die Grenzen ausreizen) zurückzuführen ist.
Die von ihm angesprochene Konzentration auf die Mitarbeiter (People Focus) fordert Widerspruch heraus: "Diese Devise beinhaltet auch Rationalisierungen. Man kann in einer Situation, in der die Leistungsgrenzen bereits erreicht sind, nicht weiter rationalisieren.“ Die Antwort dazu lautet: „in den verschieden Ländern gibt es großen Rationalisierungsbedarf, der in sozial vertretbaren Rahmen durchgeführt wird."
Dolmetscher
Meine Aufgabe ist es, diesen Dialog ins Englische zu übersetzen, sogar meinen einzigen inhaltlichen Beitrag: „Wenn Vorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation angekündigt werden, müssen Mitarbeiter auch ihr Missfallen äußern dürfen.“ Wie es einem Betriebsrat zusteht, mache ich das alles hemdsärmelig. Erst als es zur Unterzeichnung der Geschäftsordnung kommt, ziehe ich mir das Sakko an. Als Vertreter der neu gegründeten Firma der Verkaufsabteilung in Österreich, zuständig für zirka 45 Mitarbeiter, bin auch ich berechtigt zu signieren. Damit reihe ich mich in die Gruppe jener Niederlassungen ein, die 500 oder sogar mehrere Tausend Mitarbeiter haben.
Was mich erstaunt ist die Tatsache, dass als Verhandlungssprache Deutsch festgelegt wird, würde sich doch in diesem internationalen Rahmen viel eher Englisch anbieten. Die übrigen Inhalte erscheinen mir durchaus vernünftig.
Zwei Jahre später - ich bin jetzt schon in Pension - lese ich im Internet, dass sich das Ergebnis für unsere Sparte im Gesamt-Konzern um 75% verbessert hat.
Es zeigt sich der Erfolg des Internationalen Betriebsrats, den wir mit so viel Begeisterung gegründet haben.
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