Soziales Projekt von Lehrlingen und Verkäufern
"Apropos: Perspektivenwechsel" im Hotel Sacher
Im Wintergarten des Hotels Sacher Salzburg fand die Vernissage "Apropos: Perspektivenwechsel" statt. Die einzigartige Ausstellung wurde von den Lehrlingen des Hotels in Kooperation mit Verkäuferinnen und Verkäufern der Straßenzeitung "Apropos" veranstaltet und ist noch bis zum 15. Juli zu betrachten.
SALZBURG. Die Vernissage mit dem passenden Namen „Perspektivwechsel“ soll eine Brücke vom Fünf-Sterne-Hotel Sacher Salzburg zu den oftmals obdach-, wohnungs- und arbeitslosen Verkäuferinnen und Verkäufern der Straßenzeitung „Apropos“ schlagen. Die außergewöhnliche Ausstellung, die ihre Eröffnung im Wintergarten des Hotel Sacher mit zahlreichen Besuchern feierte, wurde in Zusammenarbeit erstellt und ist noch bis zum 15. Juli in der "Sacher Bar" zu sehen.
„Der Ansatz, den wir als Straßenzeitung vertreten, ist, dass wir da hinmöchten, wo man uns vielleicht nicht gleich vermutet. Es ist keine Selbstverständlichkeit, eine Straßenzeitung in einem Luxushotel vorzufinden", so Straßenzeitung-Chefredakteurin Michaela Gründler. "Was uns eint ist eine gemeinsame Schwellenangst - es gibt Menschen, die eine gewisse Scheu haben, auf die Verkäuferinnen und Verkäufer zuzugehen und die Zeitung zu kaufen. Und genauso gibt es auch Leute, die Scheu haben, in das Hotel Sacher hineinzugehen. An diesen unterschiedlichen Enden des sozialen Spektrums, treffen wir uns."
Die Idee zum sozialen Projekt
Jedes Jahr findet im Hotel Sacher Salzburg das Lehrlingsprojekt statt. Dabei sollen die Lehrlinge im dritten Lehrjahr nicht nur die Möglichkeit bekommen, ein Projekt zu leiten, sondern auch abteilungsübergreifend zu arbeiten, sich persönlich weiterzuentwickeln sowie in Führungspositionen hineinzuschnuppern. Was meist ein Lunch ist, bei dem die Eltern, Lieferanten und Ausbildner eingeladen werden, wurde heuer zu einem Event mit sozialem Charakter. Ermutigt durch den Küchenchef trauten sich die Lehrlinge größer zu denken und die Idee zur Zusammenarbeit mit der Straßenzeitung "Apropos" war geboren.
Zweifel auf beiden Seiten
"Vor dem Start der Umsetzung galt es jedoch die anfänglichen Fragen zu beantworten", schildert Esther Krautner, die Anfänge des Projekts. "Ist die Zeitung denn überhaupt bereit, sich mit uns einzulassen?"; "Sind die Verkäufer bereit, von ihrem Leben zu erzählen?"; und, "Bekommen wir das 'OK' von der Geschäftsleitung?"; Auch die Verkäuferin Luise Slamanig, erzählt, dass es viel Überwindung gekostet habe, mit dem Fünf-Sterne-Superior-Hotel zu kooperieren. Schlussendlich stimmten beide "Parteien" in die Zusammenarbeit ein. Den Lehrlingen wurde bei der Umsetzung freie Hand gelassen und gemeinsam mit dem Fotographen Michael Preschl ging es an die künstlerische Verwirklichung der anfänglichen Idee.
Eine einzigartige Ausstellung
Wie schon in der "Schreibwerkstatt" der Straßenzeitung "Apropos", die mit ihrer weltweit einzigartigen Sprachrohr-Funktion die Lebenserfahrungen der Menschen in die Welt trägt, wurde im Hotel Sacher eine Bühne kreiert, um Gespräche auf Augenhöhe stattfinden zu lassen. 19 Lehrlinge und 15 Verkäuferinnen und Verkäufer arbeiteten gemeinsame an einer Collage, welche die Geschichten hinter den immer freundlichen Gesichtern erzählen und die Menschen hinter den Fotos und Erzählungen hervorheben soll.
Auf den Perspektivenwechsel einlassen
Großen Andrang an interessierten Menschen gab es am Eröffnungstag im Hotel Sacher. Biographien, Erzählungen, Geschichten über Träume, Leidenschaften, Hoffnungen und Wünsche hingen gemeinsam mit den Bildern ihrer Berichtender an den luxuriösen Wänden des Wintergartens des Hotel Sachers und luden die Besucher ein, sich auf den Perspektivenwechsel einzulassen.
Powerfrau mit Zuversicht
Auf einer Collage erzählt die Powerfrau Simona Netejoru von ihrer Familie, die im rumänischen Landkreis Giurgiu wohnt und deren einziges Einkommen aus dem Verkauf der Straßenzeitung kommt. Zwei Monate lang verkauft die 34-jährige die Ausgaben von "Apropos", dann kehrt sie für ein Monat in das Haus ihrer Schwiegereltern zurück, in dem der Boden aus Lehm ist, es kein fließend Wasser gibt und mit Maispflanzen geheizt wird. Dennoch schaut Simona Netejoru zuversichtlich in die Zukunft und wünscht sich einen Ausbildungsplatz für ihre älteste Tochter, die das Zeug zum weiterlernen habe.
"Es lohnt sich"
Verkäufer Sonja Stockhammer, das Ehepaar Aigner und Laura Palzenberger berichten bei der Eröffnung aus ihrem Leben. "Schauen wir nicht zurück, sondern nur nach vorne", schließt Laura Palzenberger ihre Erzählung und auch Luise Slamanig hat ihre anfänglichen Zweifel überwunden und bereut die Zusammenarbeit keineswegs: "Das ist so toll, was wir gemeinsam mit den Lehrlingen gemacht haben." Und auch die Lehrlinge blicken voller Stolz auf das Ergebnis des gemeinschaftlichen Projekts und sagen aus persönlicher Erfahrung vom Perspektivenwechsel: "Es lohnt sich."
Auf die Frage, welche Highlights ihr an der Zusammenarbeit am besten in Erinnerung geblieben sind, antwortet Lehrling Emma Novak wie folgt: "Alle Highlights aufzuzählen wäre jetzt zu langwierig und das Erlernte und die Gefühle müssen auch erst einmal sacken. Aber ich denke das größte Highlight wird es sein, wenn wir morgen die Bilder in der Bar aufhängen, wo sie noch bis zum 15. Juli hängen werden."
Straßenzeitung "Apropos"
Die Straßenzeitung "Apropos" ist dem „Internationalen Netz der Straßenzeitungen” (INSP) angeschlossen und feierte letztes Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Die Straßenzeitung, die von professionellen Journalistinnen und Journalisten publiziert und von derzeit 120 Männern und Frauen verkauft wird, hat das Ziel die Menschen durch den Verkauf in ihrer Lebenssituation zu stabilisieren, sie in Kontakt mit anderen Menschen zu bringen und ihnen eine Tagesstruktur und eine Gemeinschaft zu geben. So bietet sie viele Projekte für ihre Verkäuferinnen und Verkäufer wie Yoga, Chor und die Schreibwerkstatt an.
Um zudem Außenstehenden einen Einblick in die unterschiedlichen Lebenserfahrungen zu geben, gibt es seit 2017 den Apropos Stadtspaziergang mit Verkäufer Georg Aigner und seit Mai diesen Jahres erzählt auch seine Frau, Evelyne Aigner, ihre Geschichte auf ihrer eigenen Tour.
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