Einmal noch die Töchter sehen
Vor 40 Jahren in der Türkei verschollen – jetzt hofft Helma Pavaletz auf ein Wiedersehen.
SALZBURG (lg). Eine Geschichte, wie sie das Leben schreibt, wenn es einem die weniger schönen Facetten vor Augen bringen will – so beschreibt die 78-jährige Helma Pavaletz, die seit fünf Jahren im Seniorenwohnhaus Itzling lebt, ihre Geschichte. Die Seniorin ist Mutter von zwei Töchtern im Alter von 42 und 43 Jahren – zuletzt gesehen haben sie sich vor mehr als 40 Jahren. Damals war Pavaletz, eine gebürtige Norddeutsche, mit einem türkischen Gastarbeiter verheiratet und hat mit ihm in Deutschland gelebt. Es folgte die Geburt ihrer beiden Töchter Manuela und Silvia. Zu dieser Zeit erlebte Pavaletz bereits ein Martyrium in ihrer Ehe. "Mein Mann war rasend eifersüchtig, selbst mit Freunden durfte ich kaum Kontakt haben und er hat mich mehr oder weniger völlig für sich beansprucht. Die Handgreiflichkeiten mir gegenüber nahmen jeden Tag zu und irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten", erzählt die Seniorin, die zum damaligen Zeitpunkt die Flucht als einzigen Ausweg sah.
Flucht auf einen Bergbauernhof
"Ich bin dann mit meinen Kindern, die damals knapp ein und zwei Jahre alt waren, auf einen entlegenen Bergbauernhof in Deutschland. Dort habe ich mit der permanenten Angst gelebt, dass er oder einer seiner Freunde uns hier findet", schildert die 78-Jährige. Aus der Angst wurde bald Realität – was folgte, war "mein größter Albtraum. Er nahm mir die Kinder und flog mit ihnen in die Türkei. Er ließ mich zurück mit der Drohung, mir oder den Kindern etwas anzutun, wenn ich ihm folgen sollte oder versuchen würde, Kontakt zu den Kindern herzustellen", erinnert sich Pavaletz, die 1975 Deutschland verließ und zum Arbeiten nach Salzburg kam.
Kontakt nach Tod des Vaters
Ob sie dennoch versucht hat, ihre Töchter zu finden? "Nein, ich muss sagen, dass die Angst davor, dass er uns etwas antut, zu groß war." 40 Jahre lebte sie mit diesem Gefühl – und dann kam vor einigen Monaten ein Brief, gesendet von ihrer Tochter Manuela. "Sie hat auf türkisch geschrieben, dass ihr Vater verstorben ist und im Zuge der Dokumente für die Bestattung habe sie die Heiratsurkunde entdeckt. Mein Mann hatte den Töchtern keine Silbe über mich erzählt, nur dass es mich nicht gibt. Als sie dann meinen Namen in dem Dokument gesehen hat, hat sie einen Brief an die alte Adresse geschickt, den ich dann über Umwege letztendlich erhalten habe. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Meine zweite Tochter kann ein bisschen Deutsch, daher konnten wir auch schon telefonieren. Jetzt wäre es mein größter Wunsch, die beiden noch einmal wiederzusehen", so die 78-Jährige, deren Vorfreude aber noch etwas getrübt ist: "Es ist leider eine finanzielle Frage, die Kosten für Flug und Hotel sind für meine beiden Töchter und für mich kaum leistbar. Jetzt hoffe ich, dass wir es irgendwie schaffen und sich dieser Wunsch in meinem Leben noch erfüllt."
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