Piefke-Saga reloaded? Tourismus zwischen Kitsch und kultureller Identität

Eva Brucker Fachbereichsleiterin Management, Innovation und Tourismus an der FH Salzburg. | Foto: FH Salzburg/Coen Kossmann
  • Eva Brucker Fachbereichsleiterin Management, Innovation und Tourismus an der FH Salzburg.
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Sie beschäftigen sich mit Zukunftsfragen im Tourismus. Gerade die Hotellerie und Gastronomie sucht händeringend nach Arbeitskräften. Haben Sie einen Rat für die Unternehmerinnen und Unternehmer?
EVA BRUCKER:
Die Betriebe müssen sich die Frage stellen, wie sie sich als Arbeitgeber-Marke positionieren können, und das betrifft auch Einzelunternehmer. Sie müssen nicht nur den Kunden, sondern auch den Arbeitnehmer in den Fokus stellen. Das bedeutet: Identität aufbauen, eine emotionale Bindung herstellen. Das funktioniert nicht über das Gehalt alleine. Es braucht neben Karrieremöglichkeiten und guter Unterbringung zusätzlich Boni – etwa den Zugang zu Sport oder anderen Tätigkeiten. Manche Betriebe vergeben Punkte dafür, wenn sich jemand sozial engagiert – für die Mitarbeiter kann das zusätzliche freie Tage bedeuten. Es braucht ein Gesamtpaket aus mehreren Maßnahmen.

Das kostet aber etwas.
EVA BRUCKER: Ja, natürlich. Auf Dauer betrachtet kostet Unterbesetzung aber noch mehr – dann kann der Betrieb seine Leistungen dem Kunden entweder nicht oder nicht in der geforderten Qualität bieten. Wir erleben einen großen gesellschaftlichen Wandel, hin zu Akademisierung. Das betrifft natürlich nicht die Hotellerie alleine. Was fehlt, sind die Lehrlinge. Und dieses Problem können nicht die Unternehmer alleine lösen, das ist ein vielschichtiges Problem.

Welche Rolle spielt im Zeitalter der Globalisierung Regionalität und kulturelle Identität im Tourismus?

EVA BRUCKER: Gerade weil der Tourismus sehr viele Kulturen zusammenbringt, ist die Rückbesinnung auf lokale Identität ein Thema. Warum reisen wir? Da gibt es das Klima oder die Landschaft eines Ziellandes. Aber es ist auch der kulturelle Aspekt, der ein Ziel besonders macht. Es geht darum, ein einzigartiges Reiseziel zu sein, das nicht mit anderen vergleichbar ist.

Wie einzigartig ist Salzburg?
EVA BRUCKER: Salzburg hat hervorragende Voraussetzungen aufgrund seiner architektonischen und historischen Gegebenheiten – und dazu Mozart und die Musik. Das ist nie verwässert worden und wird international so wahrgenommen. In den 80er-Jahren hat man zwar begonnen, sich etwas internationaler auszurichten, hat aber doch relativ schnell erkannt, dass der Einheitsbrei nicht sinnvoll ist. Gefragt ist lokale Identität abseits von Kitsch. Es geht weniger ums Präsentieren als vielmehr darum, Besuchern eine Teilhabe zu ermöglichen.

Teilhaben zu lassen – wobei?
EVA BRUCKER: Der Bauernherbst oder der Almsommer etwa gehen in diese Richtung. Es sollte nicht das Bild vermittelt werden, das der Tourist gerne hätte, sondern ein authentisches Abbild der kulturellen Identität.

Perchtenläufe zum Beispiel?
EVA BRUCKER: Perchtenläufe sind hier sicher ein Thema. Wir brauchen mehr Möglichkeiten der Begegnung, Salzburg kann sich bei vielen kirchlichen, kleineren Festen noch mehr öffnen. Gleichzeitig müssen diese Feste aber auch für die Bevölkerung authentisch bleiben und nicht alle katholischen Traditionen werden touristisch vermittelbar sein.

Wieviel Authentizität verträgt der Gast? Möglicherweise passt sein Bild eines folkloristischen Salzburg nicht mit der Wirklichkeit überein?
EVA BRUCKER: Durch touristische Aktivitäten verändert sich die Kultur – das muss man berücksichtigen. Der Gast kommt mit einer bestimmten Erwartungshaltung an die Gastland-Kultur – und viele Angebote sind darauf zugeschnitten. Die Gäste in der Masse erwarten das auch so. Der bewusste Reisende braucht ein anderes, authentischeres Angebot. Manche, vor allem asiatische Touristen, suchen Bekanntes – bekannte Marken, bekannte kulinarische Angebote –, aber der deutschsprachige Gast sucht viel Lokales. Europäer wollen am ehesten echte Tradition in einem Gastland erleben, andere suchen vielleicht einen leichteren Zugang, ein Abbild der Kultur des Gastlandes.

In welchen Bereichen sehen Sie das in Salzburg?
EVA BRUCKER: In der Architektur muss man sich mit traditionellem Brauchtum und Folklorisierung noch ein bisschen auseinandersetzen. Die Frage, wie man modernes Bauen mit Tradition in Einklang bringt, wird ein großes Thema für Hotels werden, spielt aber auch eine Rolle bei den Ortskernen. Wenn die aussterben, weil die Geschäfte alle am Ortsrand sind, dann werden sie touristisch auch uninteressant. Die regionale Küche hingegen hat wieder an Bedeutung gewonnen, vieles wurde neu entdeckt, modern neu interpretiert, das ist auch kulturelle Entwicklung. Das zieht sich durch die gesamte Gastronomie, Sie finden heute sehr viel weniger Internationales auf der Karte, dafür sehr viel Neues, das auf alte Rezepte zurückgeht.

Was trägt der Tourismus zur Lebensqualität der örtlichen Bevölkerung bei?
EVA BRUCKER: Wir leben vom Massentourismus. Wenn man sich anschaut, wie überfüllt die Stadt Salzburg an manchen Tagen ist, kann man nicht mehr von Lebensqualität sprechen. Die Partizipation der lokalen Bevölkerung am Erfolg des Tourismus wird daher noch ein großes Thema werden. Der Tourismus kann das Problem des fehlenden Mobilitätskonzepts im Zentralraum nicht lösen, aber es ist auch ein touristisches Problem, dass die Stadt so überfüllt ist. Die Frage wird sein, wie wir das miteinander hinbekommen.

Hier geht es zur Interview-ReiheChefinnen-Gespräch

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