"Der Magistrat muss an seinem Image arbeiten"
Magistratsdirektor Martin Floss über Mitarbeitermangel, Altersteilzeit und Frauenquote im Stadtblatt-Interview
Unter den 3.000 Magistratsbediensteten sind über 50-Jährige überrepräsentiert, in den kommenden zehn Jahren wird ein Drittel der Mitarbeiter in Pension gehen. Vor welche Herausforderungen das das Unternehmen Magistrat stellt, berichtet Magistratsdirektor Martin Floss.
Sie haben mittlerweile in manchen Bereichen – Pflege, Kindergartenpädagogen und Techniker – mit Rekrutierungsproblemen am ausgeräumten Arbeitsmarkt zu kämpfen. Ist der Magistrat kein attraktiver Arbeitgeber mehr?
MARTIN FLOSS: Es reicht nicht mehr, ein krisensicherer Arbeitgeber zu sein. In manchen Mangelberufen – und da gehören derzeit die von Ihnen angesprochenen Bereiche dazu – ist der Markt einfach leer geräumt. Dazu kommt, dass der Bedarf vor allem in der Betreuung weiter steigen wird, ebenso wie die Erwartungen und Herausforderungen in diesen Bereichen.
Pragmatisierungen sind abgeschafft. Mit welchen zusätzlichen Benefits wollen Sie punkten?
MARTIN FLOSS: Pragmatisierungen sind weitgehend abgeschafft – es gibt nur eine kleine Ausnahme, das ist bei der Berufsfeuerwehr und liegt daran, dass es dieses Berufsbild so nicht gibt. Im Fall einer Arbeitsunfähigkeit stünden diese Mitarbeiter ohne Absicherung da. Aber unabhängig davon müssen wir uns damit anfreunden, dass wir auf dem Arbeitsmarkt Mitbewerber haben, wir müssen an unserem Image arbeiten und unsere Vorteile artikulieren.
Wie werden Sie das machen?
MARTIN FLOSS: Wir werden uns in den nächsten Jahren immer wieder themenspezifisch als Arbeitgeber der Öffentlichkeit präsentieren. Das wollen wir zum Beispiel auch heuer machen, indem wir zeigen, wie lebenswert die Stadt dank der Leistungen der Stadtverwaltung ist. Viele Menschen suchen eine sinnstiftende Arbeit, und die können wir bieten, und zwar in mehr als 200 verschiedenen Berufen. Wir wollen potenziellen Bewerbern und Mitarbeitern klar machen, was es bedeutet für die Gesellschaft, für die Bürger zu arbeiten. Wer bei uns arbeitet, trägt zum sozialen Zusammenhalt in der Stadt bei.
Inwieweit ist das Beamten-Bashing der vergangenen Jahre mit schuld am offenbar nicht perfekten Image der Stadt als Arbeitgeber?
MARTIN FLOSS: Der Ruf nach Effizienzsteigerung war lange Zeit nicht unberechtigt und nach wie vor darf sich hier keiner zurücklehnen, das ist etwas, wo man dranbleiben muss. Aber wenn ich das mit der Privatwirtschaft vergleiche – wo kein Aufsichtsrat sein Unternehmen in der Öffentlichkeit schlecht machen würde – muss ich sagen, ja, da war die Politik manchmal unserem Image natürlich nicht zuträglich.
Wie kann modernes alternsgerechtes Arbeiten für eine Belegschaft, die immer älter wird, aussehen?
MARTIN FLOSS: Eine Überlegung wäre, Altersteilzeitmodelle zu forcieren. Der Bedarf ist auf Arbeitnehmerseite gegeben, viele würden gerne langsam in die Pension ausgleiten. Für uns als Arbeitgeber hätte das den Vorteil, dass wir damit auch den Wissenstransfer in den Griff bekämen. Solange ein Posten etwa eines älteren Mitarbeiters mit viel Erfahrung besetzt ist, darf ich ihn nicht nachbesetzen. Überlappende Besetzungen gibt es eigentlich nicht. Wenn nun ältere Mitarbeiter in Altersteilzeit gehen, könnten wir gleichzeitig jüngere Mitarbeiter einstellen, die in der Regel weniger verdienen. So ließe sich das eventuell auch kosten mäßig darstellen.
Die Personalkosten machen jetzt etwa ein Drittel des städtischen Haushalts aus. Jetzt kommen dann aber mehrere Wellen teurer Pensionskosten von pragmatisierten Mitarbeitern auf die Stadt zu. Was wird das kosten?
MARTIN FLOSS: Die Ausgaben für die Pensionen werden jedenfalls steigen. Wie sich das ausgeht mit jüngeren Mitarbeitern, die günstiger sein werden, das versuchen wir gerade zu berechnen. Die Höhe der Gehälter und Pensionen können wir selber nicht beeinflussen, denn Lohnsteigerungen, Vorrückungen und sonstige Ansprüche sind alle gesetzlich geregelt. Das einzige Stellrad, das wir haben, ist die Personalanzahl. Und da nur bedingt, denn zwei Drittel unserer Mitarbeiter arbeiten im kommunalen Dienstleistungsbereich und nur ein Drittel in der Verwaltung.
Der im Dezember präsentierte Einkommensbericht zeigt, dass Frauen im Magistrat insgesamt 15 Prozent weniger verdienen als Männer – auch weil Frauen viel weniger oft in Führungspositionen sitzen als Männer und weil Frauen weniger oft Tätigkeiten mit höheren Zulagen ausüben.
MARTIN FLOSS: Was mir in diesem Zusammenhang wichtig ist: Der mitschwingende Vorwurf, Frauen würden ungerechtfertigter Weise weniger verdienen als Männer, wurde entkräftet. Das hätte mich auch sehr gewundert, weil das in unserem Dienstrecht nicht möglich ist. Aber: Frauen arbeiten in anderen Bereichen als Männer. Bei der Berufsfeuerwehr – das ist etwa ein Bereich mit hohen Zulagen – haben wir derzeit zum Beispiel keine einzige Frau.
Inwieweit wollen Sie nun bei den kommenden Pensionierungswellen auf eine geschlechterspezifische Nachbesetzung achten?
MARTIN FLOSS: Natürlich wollen wir das ausgleichen. Ich kann aber schwer sagen, bei der Müllabfuhr sollen jetzt vor allem Frauen Müllaufleger werden. Frauen werden bei uns bei gleicher Qualifikation ja schon lange bevorzugt. In unseren Ausschreibungen fordern wir immer Frauen besonders auf, sich zu bewerben.
Wie sieht es aus mit Führungspositionen in Teilzeit?
MARTIN FLOSS: Das erscheint oft schwierig. Wir müssen uns aber überlegen, wie wir das organisatorisch und strukturell unterstützen könnten, zumindest für einen gewissen Zeitraum. Denn rechtlich ist das natürlich möglich. Unser Dilemma ist, viele Frauen bewerben sich erst gar nicht um Führungspositionen. Und deswegen müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern und auch Teilzeitmöglichkeiten in Betracht ziehen. In anderen Bereichen funktioniert das bestens, wir bieten mehr als 200 verschiedene Zeitmodelle an.
Braucht der Magistrat eine Frauenquote in Führungspositionen?
MARTIN FLOSS: Von sieben Abteilungen werden zwei von Frauen geführt. Wir bemühen uns natürlich, den Frauenförderplan auch in der Führungsebene umzusetzen. Ob eine starre und verbindliche Frauenquote die einzige Möglichkeit ist, um dieses Ziel zu erreichen, weiß ich nicht.
Wollen Sie – als Ausgleich – auch Vätern gezielt Karenzzeiten schmackhaft machen?
MARTIN FLOSS: Aktuell nützen zwei unserer Mitarbeiter die Väterkarenz und den Papamonat. Im Vorjahr waren sechs Väter durchschnittlich vier Monate in Karenz, den Papamonat nutzten acht Väter. Es ist natürlich auch eine gesellschaftliche Frage, inwieweit Männer das wollen. Ich persönlich unterstütze das sehr, ich bin ja selber Vater und weiß, wie herausfordernd und wertvoll Zeit mit Kindern ist.
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