Das Jahr 1918 im Bezirk Schärding

Der erste Strom in Kopfing wurde 1918 im sogenannten "Lichthäusl" mittels eines Wasserrads erzeugt. | Foto: Kulturhaus Kopfing
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  • Der erste Strom in Kopfing wurde 1918 im sogenannten "Lichthäusl" mittels eines Wasserrads erzeugt.
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BEZIRK. Der 1. Weltkrieg war zwar zu Ende, doch viele Leute litten an der trostlosen wirtschaftlichen Situation, lässt ein Blick in die Gemeinde-Chroniken des Bezirks Schärding erkennen. Es fehlte den Menschen am Notwendigsten – an Geld, Arbeit und vor allem Lebensmittel. "Aus der Bründlkirche stahlen die Leute 1918 Kerzen, weil sie nichts hatten und sich keine kaufen konnten", erzählt die Raaber Chronistin Inge Gaiswinkler. In der Schärdinger Chronik von 1991 berichten Ernst Dürr und Anna Gugerbauer zur selben Zeit von Übergriffen auf die Magazine des abgezogenen Schützen-Regiments, wo Schuhe, Decken, aber auch Waffen und Munition entwendet wurden. Die Stadt verhängte daraufhin ein Verbot für öffentliche Tanz- und Musikveranstaltungen  – um die Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.

Schleichhandel, Diebstähle und Hyperinflation 1918

Neben Diebstählen waren Schleichhandel, Preistreiberei und Hamsterei die Folge der allerorts zu spürenden Not nach dem Krieg. In den ländlichen Gemeinden hatten die Landwirte zwar meist genug für den Eigengebrauch, jedoch nichts was sie verkaufen konnten. Manches mussten sie auch für die Großstädte zwangsweise abgeben. Im Engelhartszeller Heimatbuch Band II ist etwa nachzulesen, dass Landwirte bisweilen nur Holz und Kohle zum Verkauf anbieten konnten. Manche Bauern verwendeten Holz sogar als Zahlungsmittel.  
Auch die große Geldentwertung, die 1925 zur Einführung des Schillings führte, ließ sich schon im Jahr 1918 erkennen. Die Kronenwährung verfiel zusehends. 1920 führten die meisten Gemeinden im Bezirk ein eigenes Notgeld ein. Es galt in erster Linie als Ersatz für das fehlende Kleingeld. Josef Ruhland bringt ein Beispiel für die rasche Geldentwertung aus Kopfing: "1923 kostete ein Quadratmeter Baugrund in Kopfing 10.000 Kronen, im selben Jahr etwas später eine Schreibmaschine 5 Millionen Kronen. Geld war schlagartig nichts mehr wert."

Spanische Grippe, Räude und Ärztenot

Krankheiten machten die Lage noch zusätzlich prekär. In Schärding kursierte 1918 etwa die spanische Grippe und forderte zahlreiche Opfer – vor allem bei Kindern, schreibt Fritz Reder in seinem Beitrag zu den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs in der Chronik Schärding. Als Folge musste sogar die Schule für einzige Zeit geschlossen werden. Viele Gemeinden hatten auch mit dem Räudebefall zu kämpfen, erzählt Josef Ruhland, Verfasser der Kopfinger Chronik. "Diese ansteckende Krankheit befiel neben Wildtieren auch Haustiere wie Pferde, Esel, Schafe und Ziegen und konnte auf den Menschen übertragen werden." 
Was die Sache noch verschlimmerte: Einige Gemeinden hatten keinen Arzt. "In Kopfing blieb die Gemeindearztstelle mit dem Tod von Dr. Peter Bachinger seit Anfang 1910 verwaist. Erst 1919 fand man mit Dr. Recheis aus Engelhartszell einen Arzt, der einen Tag die Woche auf seinem Schimmel nach Kopfing ritt. Neben 1.000 Kronen Kahresentgelt erhielt er dafür noch wächentlich 5 Kilo Hafer für sein Ross. Dafür musste er sich aber auch verpflichten, mittellose Kopfinger gratis zu behandeln", erzählt Ruhland.  
Auch mit der neuen politischen Lage mussten die Menschen sich erst zurechtfinden. Mit Demokratie wussten viele nicht so recht anzufangen.

Endlich Strom und Wunschtraum elektrische Eisenbahn

Trotz der allseits zu spürenden Not, machten einige positive Errungenschaften den Menschen Hoffnung auf ein bald besseres Leben. So schritt die Stromversorgung Ende der 1918er Jahre schnell voran. In Kopfing versorgte das "Lichthäusl" mit Hilfe von Wasserkraft als Erstes Teile von Kopfing mit Strom. In Raab gab es zu Ehren der Elektrifizierung des Orts kurz vor Weihnachten 1918 eine große Eröffnungsfeier, berichtet Gaiswinkler: "Da spielte sogar die Blasmusikkapelle auf." 
Wirtschaftlich sorgte die Gründung der Lagerhausgenossenschaft Schärding im Mai 1918 für Hoffnung. Mit der verbreiteten Nutzung des elektrischen Stroms stieg das Bedürfnis, die schlechte Straßenanbindung in der gesamten Region zu beheben, berichtet Ruhland. Die Idee einer elektrischen Eisenbahn von Riedau über Raab, Enzenkirchen bis Engelhartszell sowie einer von Kopfing über Münzkirchen, Schardenberg bis Schärding entstand. Trotz gut besuchter Versammlungen und relativ weit gediehener Pläne, blieb das Projekt letztendlich dann doch nur ein Wunschtraum. In den Büchern wird als Grund die Einführung der Postautobus-Linie genannt. "Hier in Raab gab es aber auch laute Gerüchte, die behaupteten der Brauereibesitzer und Pferdetransportunternehmer Schatzl sei der wahre Verhinderer, da er befürchtete die Elektrische Eisenbahn könnte sein Transportunternehmen schädigen", erzählt Gaiswinkler.

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