Gesundheitssystem
Zu wenig Ärzte mit Kassenvertrag in Scheibbs
Es leben rund 42.000 Menschen im Bezirk Scheibbs. Folglich steht für 1.733 Bürgerinnen und Bürgern nur ein Kassenarzt zur Verfügung.
BEZIRK. "Es ist schon Fünf nach Zwölf. In Gresten wird seit fünf Jahren nach einem Kassenarzt gesucht, in Wieselburg seit drei Jahren. Die Ärzte würden gerne neue Patienten aufnehmen, sind aber an ihrem Limit", informiert Andreas Fallmann, Vorsitzender vom Gemeindevertretungsverband.
Zeit zu Handeln
Scheibbs ist ein alternder Bezirk. 6.499 Einwohner sind unter 15 Jahre, die Altersgruppe der 15 bis 60-jährigen beläuft sich auf 23.995 BürgerInnen und Bürger und mehr als 11.000 Menschen sind über 60 Jahre alt. ""Eine Trendwende ist nicht absehbear. Die Städte wachsen weiter. Die alternde Bevölkerung braucht bessere, dicht ausgestattete medizinische Versorgung", weiß SPÖ Bezirksvorsteher Andreas Danner. "5.000 Männern im Bezirk steht nur ein Kassenurologe zur Verfügung", so Danner.
Kassenstellen sollen besetzt werden
"Der Kassenstellenarzt darf nicht für die gleiche Leistung weniger verdienen. Wenn zwar der Kassenmediziner billiger kommt, aber man dafür die Posten nicht nachbesetzen kann, dann ist das System falsch", betont der Politiker. Die öffentliche Grundversorgung soll nicht dem freien Markt überlassen werden, sondern es sollen Regelungen getroffen werden. Im ländlichen Bereich sollen mehr Landarztstellen mit ordentlicher Entlohnung besetzt werden.
So sieht es die Volkspartei
"Der Bezirk Scheibbs ist bei der Gesundheitsversorgung gut aufgestellt. Laut Stellenplan gibt es derzeit im Bezirk Scheibbs 25 Planstellen für Allgemeinmediziner. Zusätzlich sind 14 Fachärzte im Bezirk tätig. Im gesamten Bezirk ist aktuell nur eine Stelle für einen Allgemeinmediziner vakant." (Landtagsabgeordneter Anton Erber)
"Wir suchen mit Hochdruck eine Nachbesetzung. Auch ein Modellversuch mit einem ukrainischen Arzt läuft gerade. Er ist aktuell im Klinikum und sollte spätestens in zwei Semester die Facharztprüfung Allgemeinmedizin ablegen können", berichtet Anton Erber weiter.
So helfen die Gemeinden
In Wieselburg wurde frühzeitig reagiert. Derzeit ist eine Planstelle für einen Allgemeinmediziner frei. "Dank des Engagements der Ärzte samt deren Teams funktioniert die Versorgung in Wieselburg sehr gut", erwähnt Bürgermeister Josef Leitner.
"Wieselburg hat schon vor einiger Zeit ein attraktives Förderpaket geschnürt, mit dem Ergebnis, dass sowohl neue Kassenärzte, also auch Wahlärzte und diplomierte Gesundheitsdienstleister gewonnen werden konnten" (Josef Leitner).
Seit April 2022 gibt es ein Gesundheitszentrum in Purgstall. Sechs Ärztinnen und Ärzte ordinieren dort.
"Gesundheitszentren und Gesundheitsnetzwerke sind eine wertvolle Ergänzung zur bestehenden hausärztlichen Versorgung. Gemeinsam mit dem Land Niederösterreich, der Österreichischen Gesundheitskasse und der Ärztekammer NÖ arbeiten wir intensiv daran, die Primärversorgungseinheiten auszubauen. Unser Ziel ist eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung im Bezirk. Das Gesundheitszentrum war ein wichtiger Schritt dafür", so Erber.
Das meint der Scheibbser Bürgermeister
"Derzeit ist in der Stadtgemeinde Scheibbs nur eine von drei Kassenstellen besetzt. Die Nachbesetzung gestaltet sich überall dort, wo keine Hausapotheke vorhanden ist äußerst schwierig", weiß Bürgermeister Franz Aigner. "Leider werden längerfristig unbesetzte Stellen durch die Ärztekammer auch nicht mehr ausgeschrieben. Die Gemeinden werden durch die Ärztekammer und Gesundheitskasse in keiner Weise unterstützt", so der Politiker weiter.
"Die Stadtgemeinde Scheibbs hat eine sofort beziehbare Ordination reserviert. Finanzielle Unterstützungen wurden bei den Ausschreibungen durch die Ärztekammer in Aussicht gestellt. Mangels Erfolg wurde eine private Institution mit der Akquirierung eines ukrainischen Arztes beauftragt und das entsprechende Ausbildungsverfahren ist im Laufen. Nach Abschluss der Ausbildung wird dieser Arzt in Scheibbs seine Arbeit aufnehmen können.
Versorgungsgarantie trotz Ärztemangels
Harald Schlögel, Präsident der NÖ Ärztekammer: "Insgesamt ist zu sagen, dass wir, wenn wir den Mangel an Kassenärzten nachhaltig beheben wollen, handeln und Verbesserungen auf den Weg bringen müssen. Die Tätigkeit als Kassenärztin bzw. Kassenarzt muss so attraktiv sein, dass jene, die diese aktuell ausüben, unbedingt weitermachen und neue Ärzte ins Kassensystem einsteigen wollen. Dazu könnten etwa der Wegfall von Leistungslimitierungen, Bürokratieabbau oder ein allgemeines Dispensierrecht- also das Recht, dass Ärzte verschreibungspflichtige Arzneimittel direkt an die Patienten abgeben dürfen - beitragen. Weiters wird der Mangel an Nachwuchs selbstverständlich durch die Ausbildung der jungen Kolleg:innen beeinflusst. Nur noch wenig Jungärzte streben eine Ausbildung zum Allgemeinmediziner an, die meisten wollen einen Abschluss und eine Tätigkeit als Fachärzt:in. Möglicherweise wird sich das durch die Schaffung de:r Fach:ärztin für Allgemeinmedizin ändern."
Martina Hasenhündl, Vizepräsidentin und Kurienobfrau Niedergelassene Ärzte der Ärztekammer für NÖ: "Zur spezifischen Situation in Scheibbs: Zwei vakante allgemeinmedizinische Kassenstellen in der Stadtgmeeinde Scheibbs befinden sich im Vertragsarzt-Stellenpool, der von der Ärztekammer für Niederösterreich auf Wunsch der ÖGK eingerichtet wurde. In diesem befinden sich jene Kassenstellen, die mehr als zehn Ausschreibungsrunden ab Vakanz der Stelle erfolglos ausgeschrieben waren und mangels Bewerber nicht besetzt werden konnten. Der Vertragsarzt-Stellenpool kann auf der Website der Ärztekammer für NÖ eingesehen werden. Die darin aufgelisteten Stellen gelangen sofort wieder zur Ausschreibung, wenn es Interessenten dafür gibt."
Harald Schlögel, Präsident der NÖ Ärztekammer: "Die Ärztekammer für Niederösterreich begrüßt das Engagement des Kollegen aus der Ukraine und hofft dass dieser seine Arbeit als Allgemeinmediziner in Scheibbs bald aufnehmen kann. Auch wenn der Ärztemangel in Österreich mittlerweile bedrohliche Ausmaße annimmt, kann dies aber nicht beschleunigt werden, da Patientinnen und Patienten die Garantie haben müssen, von gut ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten versorgt zu werden, die diese gute Ausbildung auch nachweisen können. Der deutschen Sprache kommt für die meisten in Österreich lebenden Menschen eine große Bedeutung zu und das das Gespräch zwischen Patient und Arzt ist für Betreuung, Behandlung und Genesungsprozess nicht zu vernachlässigen."
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