RMagazin Buchtipp: Susanne Scholl: „Wachtraum“

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Und die Vergangenheit lässt uns nicht los – von Mirjam Dauber

„Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler“, befand die österreichische Autorin Ingeborg Bachmann, bereits 1973 verstorben. Mehr als vierzig Jahre später hat dieses Zitat nichts an Aktualität verloren und umreißt wohl treffend Susanne Scholls neuesten Roman „Wachtraum“. In einer Art Wachtraum lebt Lea, Tochter jüdischer Eltern, der Holocaust-Überlebenden Fritzi und Theo. Beide sind nach dem zweiten Weltkrieg aus London zurückgekehrt in ihre Heimatstadt Wien, die sich anfangs so gar nicht mehr nach einem Zuhause anfühlte. Ein Großteil ihrer Familien wurde von den Nazis bestialisch ermordet, doch Fritzi trotzt mit teils inszenierter, teils authentischer Lebensfreude, mit Mut und Entschlossenheit der erneuten Heimatlosigkeit. Ihre Tochter Lea erzieht sie mit eben dieser Zuversicht, auch wenn das Mädchen spürt, dass die Heiterkeit der Mutter oft von einer tiefen Traurigkeit überschattet wird. Lea studiert Geschichte, verliebt sich in Albert, Mathematik- und Lateinlehrer aus Vorarlberg, empathisch und schweigsam. Gemeinsam bekommen sie drei Kinder, die Fritzi zur leidenschaftlichen Großmutter machen: Simon, der Erstgeborene, der sich bald entfremdet und zwecks Karriere nach Deutschland geht; Mimi, Ärztin mit großem Herzen, energisch und engagiert; Nesthäkchen Harry, charmant, optimistisch, Liebling der Mutter. Alle drei wachsen im Bewusstsein eines grausamen Erbes auf. Doch dem nicht genug, überrollt die aktuelle Weltpolitik wiederholt das fragile Glück der Familie. „Willkommenskultur“, Flüchtlingsströme, Terrorismus, Liebe unter gefährlichen Vorzeichen - Susanne Scholl klammert nichts aus, gräbt tief und hält uns oft Wegschauenden einen Spiegel vor. Kein Roman mit erhobenem Zeigefinger, eher eine Bestandsaufnahme, nüchtern, brutal, schonungslos und doch voller Mitgefühl. Eine Warnung? „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ Auch das ist ein Zitat von Ingeborg Bachmann.

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