Dunkelgraue Tage
Hoffentlich …
Heute scheint es mir unmöglich, meinen Blog mit diesem Wort einzuleiten. An einem Tag wie diesem ist nicht nur das Novemberwetter dunkelgrau und voller Nebel – auch das Leben und mit ihm die Hoffnung scheint von einem schweren, schwarzen Vorhang verdeckt zu sein. Am vergangenen Donnerstag ging in den frühen Morgenstunden einer der ganz großen Liedermacher und Poeten unseres Landes von uns. Ludwig Hirsch, der seit einigen Tagen wegen einer schweren Lungenerkrankung im Wilhelminenspital in Behandlung war, hat den Freitod gewählt.
“Komm, großer schwarzer Vogel, schau, das Fenster ist weit offen…”
Seine ihm so eigene Mischung aus Poesie und schwarzem Humor, die sanft und doch zugleich so unbarmherzig die Realität zeichneten, machte ihn einzigartig. Als Schöpfer seiner oft morbiden Texte vergraulte der sensible Künstler aber keineswegs sein Publikum. Nein, er verstand es, uns zu berühren, etwas tief in uns zum Klingen zu bringen. Ludwig Hirsch, der zunächst an der Hochschule für angewandte Kunst Grafik studiert hatte, besuchte die Schauspielschule Krauss in Wien und war Ensemblemitglied des Theaters an der Josefstadt. Im Volkstheater war er zuletzt in “Einen Jux will er sich machen” und in “Irma La Douce” zu sehen.
Sternderl schaun
1978 begann die Karriere von Ludwig Hirsch, in der er mit seinen „Dunkelgrauen Liedern“, wie er auch sein Debütalbum nannte, all die Schattierungen des Lebens besungen hat. Egal ob wir mit ihm gemeinsam Sternderl schaun gingen, oder am Stammersdorfer Friedhof über die Omama philosophierten – immer gelang es ihm auf seine unverwechselbare Weise, die österreichische Seele in Worte zu packen. Mit sanfter Stimme und messerscharfer Zunge sang er sich in die Herzen der Menschen, die seine Botschaft zu deuten wussten.
Hat irgendwer a Engerl g’sehn…
“Hab ned aufpasst, hab’s verloren. Und jetzt fürcht i mi, wie nie zuvor…”
Jeder, der Ludwig Hirsch singen hörte, fühlte, dass er ganz und gar echt war. Ein bescheidener Mensch, von vielen als zärtlich beschrieben, der es verstand, uns einen Spiegel vorzuhalten. Viele seiner Lieder handelten vom Tod, der große schwarze Vogel schien ihn Zeit seines Lebens zu begleiten. Vielleicht war er auch sein Schutzengerl, der ihm den Weg wies. I lieg am Ruckn – ein Text, der nun umso mehr unter die Haut geht, der auch die große Sensibilität dieses Künstlers zeigt.
Es gab kaum ein Tabuthema, das er in seinen Texten nicht aufgriff. Und er tat es mit einem sanften Lächeln, einschmeichelnder Stimme und schonungsloser Offenheit. Ludwig Hirsch verlieh auch jenen, die am Rand der Gesellschaft standen, eine Stimme. Auch in Mondkinder wird seine unglaubliche feinsinnige Poesie, sein zauberhaftes Wortspiel, seine unbändige Phantasie deutlich. Er war ein Geschichtenerzähler, der die großen Themen des Lebens aufgriff. Und er war ein Märchendichter, der neue Welten für uns erschuf.
2001 wurde Ludwig Hirsch das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen, 2003 erhielt er den Amadeus Austrian Music Award für sein Studioalbum “Perlen”. Am 28. Juni 2001 wurde ihm noch der Wiener Goldene Rathausmann überreicht.
“Komm großer schwarzer Vogel…
…schau, das Fenster ist weit offen (… ), spann deine weiten sanften Flügel aus und legs auf meine Fieberaugen. Bitte, hol mi weg von da…”
Donnerstags in den frühen Morgenstunden rief Ludwig Hirsch nach seinem großen schwarzen Vogel. Es scheint fast, als hätte er seinen Tod in diesem Lied vorweggenommen. Und der große schwarze Vogel kam. Und half ihm. Und flog mit ihm in eine neue Zeit, in eine neue Welt…
Baba, wir werden dich nie vergessen…
Titelbild: © Gabriele Kolup
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