Eine Hebamme erzählt: Verlorene Instinkte finden

- Die Angst vor dem Mutter-Werden.
- Foto: Cornelia Grobner
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Die Klosterneuburgerin Margit Hanzal hat in den letzten 25 Jahren schon mehrere Hundert Babys zur Welt gebracht. Sie ist Hebamme und begleitet Frauen beim Mutter-Werden. Anlässlich des internationalen Tags der Hebamme am 5. Mai plaudert sie aus ihrem Berufsalltag.
KLOSTERNEUBURG (cog). Natürlich gibt es Arbeitstage und es gibt Wochenenden. Theoretisch. Denn praktisch muss eine Hebamme immer erreichbar sein. So auch Margit Hanzal. Die 46-Jährige ist die einzige niedergelassene Hebamme in Klosterneuburg und blickt auf ein Vierteljahrhundert Berufserfahrung zurück. Auch wenn sie nicht mehr als Kreißsaalhebamme, sondern hauptsächlich in der Vor- und Nachsorge tätig ist: Das Handy liegt immer am Nachtkästchen. Hanzal zuckt die Schultern: „Die Frauen suchen es sich ja auch nicht aus, wann sie eine Brustentzündung oder einen Milchstau bekommen.“
Wenn die Geburt Event sein soll
Die dreifache Mutter ist mit Herz und Seele Hebamme und hat damit einen „urweiblichen Beruf“, wie sie sagt: „Auch wenn die Arbeit psychisch und körperlich anstrengend ist, ist sie wunderbar und faszinierend.“ Ein Beruf, der sich in den letzten Jahrzehnten – nicht zuletzt durch die sinkende Geburtenrate – gewandelt hat. Anders als früher kümmert sich Hanzal als Hebamme umfassend um die werdende Mutter und nicht nur punktuell bei der Geburt. Was ihr gefällt: Die Frauen sind meist nicht mehr auf sich alleine gestellt: „Die Männer heutzutage sind sehr interessiert und bemüht, die Frauen zu unterstützen.“ Unterstützung ist das, was auch sie als Hebamme vermehrt geben muss. „Die Frauen muss man zum Teil ermutigen, dass sie gebären können. In Zeiten, in denen der Kaiserschnitt immer mehr an Bedeutung gewinnt, fehlt vielen das Selbstbewusstsein, eine Geburt schaffen zu können“, so Hanzal. Grund dafür sei unter anderem der enorme gesellschaftliche Druck, der auf vielen lastet, etwa rasch nach der Geburt wieder in den Beruf einzusteigen: „Muttersein bekommt in unserer technisierten, wirtschaftlichen Welt oft nicht die Anerkennung, die es verdient.“ Dazu passe auch, welche Schwierigkeiten viele haben, sich auf das ungeplante Ereignis einzulassen: „Die Geburt des ersten Kindes ist oft die einzige Geburt. Daran werden hohe Ansprüche gestellt, es soll ein Event sein, bei dem nichts dem Zufall überlassen wird.“
Wenn der Kopf dazwischen funkt
Information erhoffen sich Frauen vermehrt im Internet zu finden. Mit dem Ergebnis, dass sie verwirrt und unsicher erst recht wieder Rat bei der Hebamme suchen. „Ist es normal, dass ...?“ – So beginnen die meisten Fragen. „Im Gegensatz zu früher verlassen sich die Frauen wenig auf ihren Instinkt oder ihre innere Stimme. Kinderkriegen ist heutzutage kopflastig.“ Auch die Möglichkeit der Pränataldiagnostik sei für viele Frauen mehr belastend als erleichternd.
Und so ist es die Hebamme, die die Schwangere auf jenen Weg führt, der für sie und das Kind passt. Hanzal betont: „Jede Frau ist anders. Das ist das Herausfordernde an meinem Beruf und gleichzeitig das Schöne: Wenn man gemeinsam auch schwierige Zeiten durchsteht und den Weg findet, mit dem sie glücklich ist.“
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