Kommentar
Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Christian Marold
RZ-Chefredakteur | Foto: RZ

Täglich, ja sogar stündlich gibt es neue Meldungen über einen Virus, der mittlerweile die gesamte Welt in Atem hält. Mir wird in diesen Tagen bewusst, wie Fluch und Segen eng zusammenliegen. Vor allem das Internet ist dermaßen mit Informationen zum aktuellen Corona-Virus geschwängert, dass gutgemeinte Ratschläge von Fake-Meldungen und Verschwörungstheorien nur schwer zu unterscheiden sind. Und warum? Weil wir alle zu wenig über diese Krankheit wissen, darüber, wie sich dieser Virus genau verhält. Das sind nicht zu unterschätzende Faktoren im Kampf gegen und der Aufklärung über die Krankheit. Fast gebetsmühlenartig versucht uns von der Regierung immer wieder zu erklären, dass Panik oder vermehrtes Schüren von Angst keinen Sinn ergeben. Das ist richtig und wichtig. In den Schulen wird so gut es geht über Maßnahmen rund um und über die Krankheit selbst informiert. Zu Hause ist das Corona-Thema mittlerweile auch Gesprächsstoff Nummer eins. Das zeigt: Es bewegt alle. Wirklich alle. Das Corona-Virus - mittlerweile auch bekannt als COVID-19 - macht, wie jedes andere Virus, keinen Halt vor politischen Grenzen. Dafür ist die Globalisierung viel zu sehr in unserem alltäglichen Leben angekommen. Erstaunlich sind in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Entscheidungen und Herangehensweisen der einzelnen Staaten und Regierungen. In der Schweiz wurden zum Beispiel alle Veranstaltungen komplett abgesagt und das nicht nur Veranstaltungen ab 1.000 Personen bis zum 15. März, wie ursprünglich in den Medien veröffentlicht. Das stimmt so nicht, denn auch alle Sportveranstaltungen im Nachwuchsbereich wurden vergangenes Wochenende gestrichen. Gleichzeitig fanden in Deutschland alle geplanten Fußball-Bundesligaspiele statt. Durchschnittliche Besucherzahl 30 bis 40.000 Menschen. Die Schweiz hatte bis zu dem Zeitpunkt knapp 20 gemeldete Fälle, Deutschland knapp über 100. Welche der Entscheidungen nun für jeden einzelnen Bürger gut oder nachvollziehbar ist, überlässt man eben uns Bürgern selbst. Und genau das ist der große Faktor. Es ziehen nicht alle Länder an einem Strang und damit macht sich in jedem von uns ein Gefühl der Unsicherheit breit. Wir fühlen uns alleingelassen mit diesem Restrisiko.

Um es an dieser Stelle noch einmal deutlich zu machen: Panikmeldungen oder Verschwörungstheorien sind dumm und sollten genauso wenig verbreitet werden wie Hassmeldungen oder dergleichen. Was nützt es, wenn Nachrichten aufkommen, die besagen, dass das Virus absichtlich ausgesetzt wurde, um in erster Linie die chinesische Wirtschaft zu schwächen. Oder der türkische Präsident nun die Grenzen öffnet, damit sich Flüchtlinge am Virus infizieren? Was für ein Schwachsinn! Aber mit genau diesen Themen kommen unsere Kinder dann nach Hause, weil für sie die Unterscheidung von wahren oder stumpfsinnigen Meldungen nahezu unmöglich ist. Und ganz ehrlich: Es gibt leider genügend Erwachsene, die solchen Falschmeldungen auf den Leim gehen. Aber das sind auch solche, die am Wochenende aus Gründen, die mit Fußball nichts zu tun haben, im Stadion für Frust sorgen oder radikale Parteien unterstützen. Unwissenheit schützt vor Dummheit nicht.

Das heißt aber im Umkehrschluss nichts anderes, als dass wir - mehr denn je - aufmerksam sein sollten. Das Corona-Virus zeigt uns unsere Grenzen auf, gerade auch in einer hochdigitalisierten, globalisierten und informativen Welt. Oder eben genau darum.

Oft wünsche ich mir in diesen Tagen ein Inselbewohner zu sein, abgeschnitten von der Außenwelt. Nichts mitbekommen. Das bedeutet nicht Scheuklappen auf und durch, aber mit all den täglichen Informationen bekomme ich eher das Gefühl zu wissen, dass ich am Ende des Tages doch nichts weiß.

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.