Leserbrief von Professor Thomas Hellmuth, Institut für Geschichte der Uni Wien
"Historische Naivität"

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Thomas Hellmuth, Geschichtsprofessor und Welser, hat uns folgenden Leserbrief geschickt.

Seit einiger Zeit erregt in Wels die Nachbildung einer altrömischen Statuette, der so genannten „Venus von Wels“, die Gemüter. Erst kürzlich hat etwa die Archäologin Renate Miglbauer, Welser Kulturamtsleiterin und Direktorin des Stadtmuseums, sich darüber erstaunt gezeigt, dass nach der langen Zeit, die nun seit der nationalsozialistischen Herrschaft vergangen sind, „kein unverkrampfter Umgang mit der Thematik möglich“ sei. Einem Gutachten der Linzer Zeithistorikerin Birgit Kirchmayr widerspricht Miglbauer; zudem beschuldigt sie jene, die sich angeblich so verkrampft gegen die Aufstellung der Venus stellen, zu polarisieren.

Nun wird aber die Kritik nicht allein von Birgit Kirchmayr, sondern auch von anderen durchaus bekannten Historikern und Historikerinnen geteilt. Diese sind nicht „verkrampft“, sondern berufen sich auf die in historischen Kreisen weitgehend unwidersprochene Tatsache, dass historische Objekte nicht von ihrer Geschichte losgelöst werden können. Und zur Geschichte der Venus von Wels gehört nun mal nicht nur ihre antike Herkunft, sondern eben auch ihre Instrumentalisierung durch den Nationalsozialismus. Auch wenn es sich bei der Statue, die aufgestellt wurde, um eine heutige Nachbildung der antiken Venus handelt, lässt sie sich doch nicht aus der auch unrühmlichen Geschichte des antiken Vorbilds loslösen.

Warum die „Venus von Wels“ die Nationalsozialisten so begeisterte, erklärt sich aus deren spezifischen Ästhetik-Ideal, das unter anderem in der Antike gesucht wurde. Es findet sich etwa in der Architektur und in der Bildhauerei, aber auch im „modernen“ Rassismus, der ja bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert erfunden und von den Nationalsozialisten schließlich übernommen wurde. Die Altertumskunde – George Mosse hat dies in seiner „Geschichte des Rassismus“ eindrucksvoll gezeigt – lieferte die Modelle, an denen schließlich die Nationalsozialisten ihre ästhetischen Messlatten anlegten.
Im Übrigen ist es in diesem Zusammenhang gar nicht so wichtig, ob bei einer Statue ein konkretes antikes Vorbild vorliegt oder nicht. Letztlich geht es darum, dass die antike Ästhetik instrumentalisiert wurde. Daher ist es durchaus legitim, wenn Kirchmayr in ihrem Gutachten einen Vergleich mit der Aphrodite von Linz, die antike Ästhetik nur nachahmt, zieht.

Es ist wohl davon auszugehen, dass jene, die für die Aufstellungen verantwortlich sind, nicht dem beschriebenen Ästhetik-Ideal huldigen wollten. Somit scheint es historische Naivität zu sein, die weiterhin – trotz nachvollziehbarer Kritik – Uneinsichtigkeit zeitigt. Unklar bleibt aber, warum auch eine Archäologin wie Renate Miglbauer diese Uneinsichtigkeit unterstützt.

Im Übrigen braucht die Statue, die nun mal in der Welser Schmidtgasse aufgestellt wurde, gar nicht in ein Museum überstellt werden. Sie könnte auch als Mahnmal im öffentlichen Raum dienen. Dazu reicht es aber nicht aus, ein kleines Täfelchen an ihr anzubringen. Vielmehr müsste eine dauerhafte Installation auf die Vereinnahmung der „Venus von Wels“ durch den Nationalsozialismus hinweisen. Damit würde die Stadt Wels einen Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit leisten.

Thomas Hellmuth, Wels

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