Performance im Haus der Wiener Kaufmannschaft
Gerhard Fresacher: into the now
An drei Abenden zeigt Gerhard Fresacher seine Performance into the now in den Räumen der Ausstellung LEERSTAND. Wolfgang Walkensteiner. Gerhard Fresacher. in der Belle Etage im Haus der Wiener Kaufmannschaft. Mit dabei sind die beiden Schauspieler Simon Hatzl und Heinz Weixelbraun sowie der Trompeter Franz Hautzinger.
Into the now
Geprägt von Vorbildern wie Einar Schleef, Christoph Schlingensief oder Peter Brook und nicht zuletzt von Berthold Brecht, konzipiert Gerhard Fresacher im Rahmen von LEERSTAND die Performance into the now. Gerhard Fresacher hat einen eigenen Stil entwickelt, der ohne überbordendes oder gewalttätiges, szenisches Chaos auskommt. Er nimmt jeden der Protagonisten als individuelle Künstlerpersönlichkeit in die Pflicht, lässt sie ihre Rolle ausleben. Er greift erst in das Gesehen ein, wenn die Harmonie der Gesamtinszenierung Gefahr läuft die Balance zu verlieren. Es ist ein Eingreifen in den Spielablauf, der während der Performance stattfindet. Dieses Eingreifen kommt einer Probensituation und einer Live-Inszenierung gleich. Gerhard Fresacher navigiert poetische Leitthemen und moralisches Handeln, ohne zu augenscheinlich politische Aussagen zu treffen. Ausgangspunkt für die Performance into the now ist der Einakter Endspiel, den Samuel Beckett (1906 – 1989), Ende der 1960er Jahre geschrieben und Gerhard Fresacher 2021 mit eigenen Texten und Stimmungen ins heute überschrieben hat.
„das Stück hat sich selbst und seine Wirklichkeit überlebt und ist weiter geschrieben in ein ‚jetzt‘, dass uns in eine noch mehr von paradoxien und offensichtlichen bedrohungen gefährdeteren welt überführt. öffentliche Isolation durch moderne und soziale medien verwandeln den dunklen keller der 1960er jahre in ein gefängnis der freien zugänge und unbeschränkten möglichkeiten. zum thema krieg und feindschaft und der skrupellosigkeit eines verrohten bürgertums gäbe es keine kunst. hier ist das ende erreicht und ein endspiel wird sinnlos. die kunst kann ja nichts neu erfinden. sie ist ebenso ohnmächtig wie ihr vorbild die realität.“ Gerhard Fresacher
Scheitern: Teil des ästhetischen Prozesses
Im Rahmen von LEERSTAND zeigt Gerhard Fresacher Arbeiten auf Karton, Leinwand und Papier – u.a. Arbeiten in einem eigenen Raum, die im Rahmen des partizipativen Ausstellungsprojekt no disco behind 2018 entstanden sind. Die Uraufführung von Fresachers Interpretation der Drei Schwestern (Anton Pawlowitsch Tschechow) mit 80 Künstler*innen aus Österreich, Slowenien und der Ukraine fand 2018 in den Fabrikhallen der Eurogold Industries Ltd. in Zhytomyr in der Ukraine statt.
Für seine Arbeiten verwendet der KünstlerMaterialien, die vornehmlich in der Bauwirtschaft zum Einsatz kommen: diverse Verpackungsmaterialien, PU-Schaum und Lacke, leicht toxische und keine langlebigen Materialen. Diese erlauben ihm das Experimentieren mit Werkstoffen, schnelles und gestisches Arbeiten, wobei das Scheitern Teil des ästhetischen Prozesses ist. Gerhard Fresacher arbeitet medienübergreifend und interdisziplinär. Seine Arbeiten überschreiten die Grenzen der Malerei und um in Videoarbeiten und Performances wieder aufgegriffen und transformiert zu werden. In ihrer Dichte und Vielschichtigkeit erzeugen sie ein Narrativ, welches in seinen Inszenierungen um den Faktor Zeit erweitert wird. So erwidert er seine gezeichneten und gemalten Welten durch abstrakte Bilder und führt sie weiter in performative Werke, die methodisch mit seiner Malerei in Verbindung stehen.
Zwischen Wahrnehmbaren und Nichtwahrnehmbarem
Im Rahmen der Ausstellung LEERSTAND zeigt Wolfgang Walkensteiner ausgewählte Objekte und Malereien in verschiedenen Formaten. Im Mittelpunkt steht für den Kärntner Künstler, der bei Max Weiler, Malerei studiert hat, die formale Auseinandersetzung mit den Erscheinungen gewundener und gebrochener Körper und Figuren, um mit Hilfe der Abstraktion Sagbares und Benennbares wiederzugeben. Vor dem Chaos, das der Maler und Bildhauer wie eine Folie einsetzt, ereignet sich der Prozess der Gestaltwandlung, der vor den Augen der Betrachter*innen gleichsam als Momentaufnahme angehalten ist. Monochrom im Wechselspiel mit intensiven Farbnuancen illusionistisch gemalter Körperformen und Gestalten erweitern den Raum, schwanken zwischen Wahrnehmbarem und Nichtwahrnehmbarem. Mittels eingeschnittener Leinwandteile – aus neueren und älteren Leinwänden – vergleichbar mit Intarsien, schafft Wolfgang Walkensteiner diese nicht unmittelbar sichtbaren Brüche, Diskontinuitäten und Widersprüche zeitlich-räumlicher Dimensionen. Unterschiedliche Gestaltungsebenen sind wahrnehmbar, evozieren Fragen nach Sinnhaftem und real Möglichem.
Gerhard Fresacher und Wolfgang Walkensteiner verstehen „Leerstand“ als Raum der Konzentration, Meditation, Ruhe, Stille, Besinnung und Bewegung, als Ort der Begegnung, kollektive Werkstatt, Bühne und Labor. „Die Ausstellung ist nicht eine Schau fertiggestellter Produkte, sondern benutzt die Möglichkeit, die vorhandene Settings immer neu zu überschreiben, damit wehre ich mich auch gegen die Annahme, dass eine Ausstellung das Ende einer Produktion zeigt.“ Gerhard Fresacher.
Ausstellung
LEERSTAND. Wolfgang Walkensteiner. Gerhard Fresacher.
Initiiert von Michael Hein.
Dauer 16. März – 30. April 2022 Ort Belle Etage im Haus der Wiener Kaufmannschaft, Lothringerstrasse 4, 1. Stock, 1041 Wien Öffnungszeiten Mi, Do, Fr 14 – 19 Uhr, Sa 10 – 14 Uhr u. nach telefonischer Vereinbarung +43 650 32 29 402 Info www.gerhardfresacher.com, www.dark-city.at, www.walkensteiner.com Eintritt frei.
Performance
into the now. Gerhard Fresacher
nach Samuel Becketts Einakter Endspiel
Gesamtkonzept Gerhard Fresacher. Protagonisten Gerhard Fresacher, Simon Hatzl, Franz Hautzinger, Heinz Weixelbraun. Termine Freitag, 25. März, Donnerstag, 31. März, Dienstag, 05. April 2022 jeweils 19.30 Uhr
Bildsujet into the now, Performance Gerhard Fresacher (c)
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