Eichgraben, X-Akten
"Zuckervilla" gibt Rätsel auf
Die "geheimen X-Akten"-Serie Teil 2: Was geschah in Eichgraben mit der "Zuckervilla" vor 70 Jahren?
WIENERWALD. Noch viele Jahre nach Kriegsende legte sich bei Ostwind ein feiner Geruch nach Karamellbonbons über Eichgraben.
Die Rote Armee
"Auf Nachfrage wurde den Kindern erzählt, das käme von der 'Zuckervilla', jener Ruine am Ortsende, die von Soldaten der Roten Armee in Brand gesetzt worden war", erzählt Elfriede Bruckmeier. Sie beschäftigt sich mit der Geschichte der Villa. "Diese Erklärung kam mir schon damals nicht schlüssig vor, denn warum sollten sie das tun?", so Bruckmeier weiter. Der Krieg war vorbei, sie waren als Sieger dort eingezogen und konnten sich über Lebensmittel freuen, vor allem über Zuckerpakete, die die SS dort gelagert hatte. "Erst neulich, also fast 70 Jahre nach dem Geschehen, wurde ich aufgeklärt. Eine Nachbarin der Villa, damals zehn Jahre alt, hatte alles beobachtet und es war mir noch möglich, sie zu diesem Thema zu befragen", freut sie sich.
Das Unglück
Die russischen Soldaten hatten ihren gefallenen General dort aufgebahrt, Unmengen von requirierten Kerzen angezündet, Trauergesänge angestimmt – eben eine echte „russische“ Feier veranstaltet, die in einer Katastrophe endete. "Irgendetwas muss aus dem Ruder gelaufen sein, vielleicht war auch Alkohol im Spiel. Jedenfalls haben die gelagerten Lebensmittelpakete Feuer gefangen und plötzlich stand die ganze Wohnung in Flammen", erzählt die Eichgrabnerin. Der tote General konnte noch rechtzeitig gerettet werden. Was von ihm übrig blieb wurde auf dem Friedhof der Roten Armee in Pressbaum begraben, zusammen mit vielen Offizieren und noch mehr Soldaten, manche namenlos.
Duft in der Luft
Später haben Menschen auf der Suche nach Essbarem die Zuckerreste entdeckt. Durch die große Hitze war der geschmolzene Zucker in die Fußbodenbretter eingedrungen. Viele Leute nahmen die schwarzen, süß schmeckenden Brocken mit nach Hause und kochten sie aus. Das Ergebnis war bei der hungernden Bevölkerung damals heiß begehrt. Schließlich wurde in den fünfziger Jahren die Brandruine abgebrochen und durch Wohnblöcke ersetzt. Abschließend erzählt Elfriede Bruckmeier: "Manchmal, wenn ich ein Karamellbonbon esse, muss ich an den General und seine Männer denken."
Alle weiteren Artikel zu den "geheimen X-Akten" findet ihr hier.
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