Ihre Heimat ist Aleppo – ihr neues Zuhause Ernstbrunn

In Ernstbrunn haben sich Panos, Kevork, Lena, Hovig und Lori gut eingelebt. Dafür sorgen unter anderem Bürgermeister Horst Gangl (li) und Deutschlehrer Harald Maria Höfinger.
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  • In Ernstbrunn haben sich Panos, Kevork, Lena, Hovig und Lori gut eingelebt. Dafür sorgen unter anderem Bürgermeister Horst Gangl (li) und Deutschlehrer Harald Maria Höfinger.
  • hochgeladen von Sandra Schütz

BEZIRK KORNEUBURG / ERNSTBRUNN. Vor einem Jahr begann der Höhepunkt der Flüchtlingswelle. Die Bezirksblätter haben sich im Bezirk Korneuburg, genauer in der Marktgemeinde Ernstbrunn, umgesehen, wie die Lage ist und wie die Fortschritte bei der Integration sind.

Zurück zum Anfang

Noch jetzt jagt es Ernstbrunns Bürgermeister Horst Gangl Gänsehaut über den Rücken, als er an den Beginn der Flüchtlingswelle und die ersten Ankommenden in seiner Marktgemeinde denkt. "Es hat sehr viel Kraft gekostet, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt", beginnt Gangl zu erzählen. Denn als die ersten elf Flüchtlinge, zwei Familien aus Aleppo, kamen, stand das Quartier zwar fest – ein Haus, zur Verfügung gestellt von Heinrich Reuss auf dem Ernstbrunner Schlossareal – aber sonst auch nichts. "Von heute auf morgen mussten wir Betten organisieren und alles, was man zum Leben braucht."

Das Lernen beginnt

Dann ging es los. Mit einer Schar von rund 30 Ehrenamtlichen wurden tägliche Deutschkurse organisiert und es wurde mittels Infoblatt von der Gemeinde um Sachspenden und Warengutscheine gebeten. "Rund 80 Angebote haben wir aus der Bevölkerung bekommen, sogar die Ernsti-Mobil-Mitgliedschaft für die Flüchtlinge wurde übernommen", erzählt der Bürgermeister. Und er fügt hinzu: "Ohne die Freiwilligen wäre das nicht gegangen. Die Gemeinde allein hätte das alles nicht leisten können."

Es hat sich eingespielt

Mittlerweile haben Lori und Hovig die vierte Klasse der Mittelschule abgeschlossen. Ihre Eltern, Lena und Kevork, haben dort sogar als Dolmetscher für andere Flüchtlingskinder fungiert. Und das, obwohl die Familie erst seit zehn Monaten in Österreich ist – also auch erst seit zehn Monaten Deutsch lernt. "Es gefällt uns hier sehr gut", erzählt Vater Kevork. Und wie sieht der Tagesablauf bei der syrischen Familie aus? Mutter Lena lacht: "Ganz normal – lernen, kochen, essen, schlafen."
Asylstatus haben sie mittlerweile. Jetzt wollen sie versuchen, eine Wohnung in Wien zu finden, weil es in Ernstbrunn keine Arbeit für sie gibt.

Die Kraft schwindet

Etwas Derartiges noch einmal auf die Beine zu stellen, für Bürgermeister Horst Gangl unvorstellbar. "Die Freiwilligen sind mit ihren Kräften am Ende, sie haben ihr Maximales gegeben." So erzählt eine Ehrenamtliche: "Von Beginn an war das wie ein Vollzeitjob. Wir haben bei Behördengängen geholfen, sind mit nach Traiskirchen gefahren, haben Ausflüge gemacht und viel Persönliches investiert."

Kritik am System

Trotz aller Erfolgsmeldungen aus seiner Gemeinde, findet Bürgermeister Gangl auch kritische Worte. "Das ganze System hinkt von Grund auf. Was hilft es einem Flüchtling im Weinviertel, wenn in Wien zahlreiche Deutschkurse angeboten werden? Gott sei Dank haben wir das Rote Kreuz. Das hat nicht nur Deutsch-, sondern auch Wertekurse bei uns organisiert."
Wie soll es weiter gehen, fragt sich Gangl: "Und jetzt, wo sie anerkannte Flüchtlinge sind, hängen sie in der Mindestsicherung fest. Denn Arbeit gibt es bei uns keine. Nicht einmal genug für die Ernstbrunner selbst."

Es ist schwierig

Obwohl das Zusammenleben in Ernstbrunn mittlerweile gut funktioniert, spürt der Orts-Chef dennoch auch einen Ruck durch seine Gemeinde. "Nicht allen gefällt das", gibt er zu. Gespalten sind die Einstellungen zu den Gästen aus anderen Ländern und anderen Kulturen – nicht nur in Ernstbrunn.
Es gibt die einen, die sich engagieren, und die anderen, die damit nichts zu tun haben wollen. Die, die mithelfen, sehen Hoffnung. Hoffnung auf ein gutes Miteinander und Integration. So engagiert man sich etwa in Langenzersdorf in Sachen Wertevermittlung – besucht gemeinsam mit Flüchtlingen den Badesee in der Seeschlacht und erklärt, was geht und was nicht geht. Gemeinsames Kochen und Fahrradkurse stehen etwa in Korneuburg auf dem Programm und in Stockerau haben sich gleich Katholische und Evangelische Pfarre sowie Islamischer Kulturverein zum "Netzwerk Integration" zusammengeschlossen.
Mittlerweile läuft die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen im Hintergrund ab. Die erste Aufregung, der erste Schock ist vorbei. Das Leben, das Zusammenleben, spielt sich ein. Dass noch immer so viele Freiwillige helfen, ohne die das alles nicht möglich wäre – das öffentliche Bewusstsein dafür schwindet allmählich.
Jedoch die, die nicht helfen, die in der Schar der Flüchtlinge nur Verbrecher sehen, die ins Land kommen, die haben keine Hoffnung mehr. Können keine haben, weil sie eben nicht teilhaben am Prozess, an der Weiterentwicklung, am Fortschritt – auch wenn dieser noch so klein sein mag.

Flüchtlinge im Bezirk – Personen in der Grundversorgung

Bisamberg: 9
Enzersfeld: 2
Ernstbrunn: 8
Großrußbach: 31
Hagenbrunn: 2
Harmannsdorf: 9
Hausleiten: 6
Korneuburg: 117
Langenzersdorf: 88
Leitzersdorf: 3
Leobendorf: 6
Niederhollabrunn: 6
Rußbach: 4
Sierndorf: 33
Spillern: 1
Stockerau: 220

In Ernstbrunn haben sich Panos, Kevork, Lena, Hovig und Lori gut eingelebt. Dafür sorgen unter anderem Bürgermeister Horst Gangl (li) und Deutschlehrer Harald Maria Höfinger.
Mehr als 10.000 Flüchtlinge passierten am 5. September 2015 auf dem Weg von Ungarn nach Deutschland den Wiener Westbahnhof. Hunderte freiwillige Helfer waren im Einsatz. | Foto: Juerg Christandl / KURIER / picturedesk.com

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