"Lange Wartezeiten sind volkswirtschaftlicher Wahnsinn"

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KUFSTEIN (nos). Die "Zwei-Klassen-Medizin" geistert wieder durch die Medien, angestoßen wurde die Debatte durch die Klagsdrohung von Sozialversicherern und Patentenanwaltschaft gegenüber privaten Röntgeninstituten in Wien. Dort sollen Privatpatienten schneller und unkomplizierter einen Termin bekommen, als Kassenversicherte.
Die BEZIRKSBLÄTTER wandten sich an einen Fachmann: Dr. Rudolf Knapp ist nicht nur Leiter der Radiologie-Abteilung am BKH Kufstein, sondern auch Obmann-Stellvertreter der Bundeskurie Angestellte Ärzte und Leiter des Primarärzte-Referats der Österreichischen Ärztekammer.

BB: Gibt es auch in Tirol, im Bezirk Kufstein eine Zwei-Klassen-Medizin?
Dr. Knapp: "Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass es das in Tirol nicht gibt."

BB: Wie lange beträgt die Wartezeit, wenn man im BKH Kufstein einen Termin an der Radiologie braucht, etwa für ein MRT oder CT?
Dr. Knapp: "Das kann auch bei uns acht Wochen dauern. Aber Notfälle oder Patienten, bei denen es in der Abklärung darum geht, ob etwa ein Tumor operabel ist, oder nicht, werden bei uns selbstverständlich so weit vorne wie möglich gereiht. Solche langen Wartezeiten sind auch volkswirtschaftlich gesehen ein Wahnsinn. Je früher die Bilddiagnostik gemacht werden kann, desto früher kenn der Patient entsprechend behandelt werden und im Anschluss die Rehabilitation beginnen."

BB: Wie werden solche Prioritäten festgestellt?
Dr. Knapp: "Es ist für uns wahnsinnig schwierig, die Priorität einer Behandlung einzuschätzen, weil sich ein Großteil unserer Patienten selbst anmeldet, und subjektiv sieht jeder bei sich eine Priorität. Deshalb sitzen bei uns in der Anmeldung nur geschulte Radiotechnologische Assistenten, um hier bereits sachlich filtern zu können. Wenn wir Patienten von Ärzten zugewiesen bekommen, funktioniert es leichter."

BB: Macht es Ihnen zu schaffen, dass Patienten keine Überweisungen mehr brauchen?
Dr. Knapp: "Der Patient in Österreich ist extrem spital-affin, und das braucht uns nicht zu wundern, immerhin haben wir über Jahrzehnte hinweg erklärt, wie gut unser Krankenhaus-System funktioniert. Den Zustrom nun wieder abzulenken ist schwierig, darum ist mein Ansatz die Patienten dort abzuholen, wo sie sind, als in den Ambulanzen. An der Internen Ambulanz in Kufstein wird mittlerweile ein 'Triage'-Arzt eingesetzt, der sozusagen als Filter fungiert. So kann sichergestellt werden, dass jene Ressourcen, die da sind, für diejenigen da sind, die sie wirklich brauchen."

BB: Welche Alternativen hat man als Patient zum BKH Kufstein?
Dr. Knapp: Auch in den Krankenhäusern in St. Johann oder Schwaz gibt es Bilddiagnostik, die Wartezeiten sind aber ziemlich die selben. Es gibt eine Reihe niedergelassener Ärzte, die Röntgengeräte in ihrer Praxis haben. Im GZW Wörgl, einer privaten Krankenanstalt, steht ein Niederfeld-MR zur Verfügung, dessen Bildgebung ist für unsere Anwendungsbereiche, etwa in der Neurologie, aber nicht sonderlich geeignet. Wobei es im Endeffekt immer auf den Radiologen ankommt. Wir sind zur Zeit die Einzigen in einem Bezirkskrankenhaus, die ihr MR zwölf Stunden am Tag betreiben, um Wartezeiten zu verringern.

BB: Dann bräuchte es also mehr Geräte?
Dr. Knapp: "Solche Großgeräte (CT, MRT) werden nur für Krankenanstalten genehmigt, öffentliche wie auch private. Dafür gibt es einen bundesweiten Großgeräteplan. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir seit einigen Tagen die Zusage des Landes Tirol haben einen zweiten Magnetresonanztomographen genehmigt zu bekommen. Das wird im kommenden Frühjahr beantragt."

BB: Den privaten Röntgeninstituten in Wien wird vorgeworfen, sie würden "nebenbei", etwa nach Ordinationszeiten, Privatpatienten gegen Barzahlung behandeln, ist so etwas auch am BKH denkbar?
Dr. Knapp: "Das ist bei uns kein Thema und geht in einem öffentlichen Haus wie dem unseren auch gar nicht. Außerhalb der ohnehin langen täglichen Betriebszeiten stünde uns schon allein das Personal nicht zur Verfügung. Ich lehne so etwas ab. Wir bekennen uns zum solidarisch-paritätischen Gesundheitssystem, da sollte so etas nicht möglich sein dürfen. Das sollte nicht nebeneinander existieren, das ist extrem problematisch. Wenn ich als Arzt rein auf Privatpatienten ausgelegt bin, dann habe ich keinen Vertrag mit den Sozialversicherern und kann das machen wie Semmeln zu verkaufen.

BB: Und könnte dann auch verlangen was ich wollte?
Dr. Knapp: "Das ist eine spannende Frage, das müsste ich abklären, ob man dann fantasiepreise verlangen könnte. Bei Kassenverträgen gibt es genaue Tariflisten für bestimmte Leistungen. Da werden allerdings dann Kostendeckelungen eingezogen, was meiner Meinung nach ein Blödsinn ist. Es wäre besser, wenn hier genauer kalkuliert würde, ein Limit am Ende des Jahres ist ein Problem, der Patient kann ja nichts dafür, wenn er noch einmal krank wird. Eigentlich ist die Kostendeckelung die Bankrotterklärung der 'good medical practice'. Und es ist mit der Grund, warum die Allgemeinmediziner, die Hausärzte, frustiert sind."

BB: Ist diese Frustration für den kolportierten Ärztemangel verantwortlich?
Dr. Knapp: Wir haben von 2000 bis 2014 um 39 Prozent mehr Ärzte in Österreich hinzubekommen, es mangelt uns also nicht. Das Problem ist die soziale und finanzielle Sicherheit, besonders für junge Ärzte und jene abseits von Ballungszentren. Es sollte etwa die Möglichkeit geben, ein Versorgungszentrum zu zweit oder zu dritt zu betreiben. Die Unzufriedenheit der Ärzte ist ein größeres Problem als die Abwanderung. Die praktischen Ärzte vor Ort in den Gemeinden sind der unterrepräsentierteste Teil im System!"

BB: Wie sehen Sie hier die Position des BKH Kufstein?
Dr. Knapp: "Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir als Krankenhaus im Eigentum des Gemeindeverbandes sind. So bekommen die Verantwortlichen, die Bürgermeister, oft direktes Feedback aus der Bevölkerung. Und wir können unseren eigenen Weg gehen, kein Vergleich zu den Tirol-Kliniken.

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