Ganztagsschule verdrängt Hort
Wie die Politik durch Förderung das System Kinderbetreuung steuert
OÖ (pfa). „Ich darf mein sechsjähriges Kind erst um 16 Uhr von der Schule abholen.“ Mit diesem Satz haben sich Eltern aus Enns und aus Engerwitzdorf an die BezirksRundschau gewandt. Immer mehr Hortgruppen weichen den Plätzen für schulische Nachmittagsbetreuung – einer anderen Bezeichnung für die Ganztagsschule. Da diese Form der Nachmittagsbetreuung im Gegensatz zum Hort unter die Schulpflicht fällt, ist kein früheres Abholen der Kinder erlaubt.
Doch warum entscheiden sich dann immer mehr Gemeinden für die Ganztagsschule?
Stelzer: "Ganztagsschule ist finanziell attraktiv"
Hauptgrund: Noch bis 2019 läuft eine Bundesförderung, die jede neu eingerichtete Gruppe in der Ganztagsschule mit 55.000 Euro fördert. Für den Aus-, Um- oder Neubau eines Hortes bekommen die Gemeinden, je nach Finanzkraft, nur rund 20 Prozent vom Land OÖ. Bildungslandesrat Thomas Stelzer (ÖVP) erklärt zwar, dass er für die Wahlfreiheit der Eltern und der Gemeinden eintritt, welche Betreuung es an den Schulstandorten geben soll. Jedoch: „Ich will nichts schönreden. Die Etablierung einer Ganztagsschule ist das attraktivere Finanzierungsmodell. Das gibt bei vielen den Ausschlag zur Einrichtung einer Ganztagsschule, weil sich jeder nach der Decke streckt.” Stelzer sieht darin auch einen „Hintergedanken“ des Bundes, „möglichst viele Ganztagsschulen zu schaffen“.
Fürst: "Land stellt uns die Rute ins Fenster"
In Engerwitzdorf steht die Volksschule im Ortsteil Schweinbach vor dem Umbau. „Wir werden das Geld vom Bund nicht liegen lassen“, erklärt Bürgermeister Herbert Fürst. Demnach wird hier eine Ganztagsschule entstehen. Was mit dem Hort passiert, der bisher in Containern untergebracht war, ist unklar. Schon vor einem Jahr hat es große Aufregung gegeben. Damals wurde in der Volksschule im Ortsteil Mittertreffling die Ganztagsschule eingeführt, da im Hort nicht mehr genug Platz war. Der Hortausbau war zu teuer. „Mit der Förderung stellt uns das Land die Rute ins Fenster“, sagt Fürst.
Gstöttenbauer: "Ganztagsschule viele Vorteile"
Enns ist seit Jahren ein Standort einer Ganztagsschule. Im Sommer schließt der Hort in der Eichbergstraße und die Betreuung der Kinder wird in die Schule verlegt. In den Räumen des Horts richtet die Stadt eine Krabbelstube ein. Stadtamtsleiter Gerhard Gstöttenbauer sieht Vorteile in der Ganztagsschule, man habe sie in Enns nicht wegen der besseren Förderung errichtet. „Man hat keine leer stehenden Räume an Vor- und Nachmittagen, wie es bei getrennten Schul- und Hortgebäuden sonst der Fall ist. Die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Pädagogen ist um vieles besser, auch die Bibliothek und die Turnsäle können genutzt werden“, erklärt er. Einzig die unflexible Abholzeit lässt die Gemüter der Eltern in Enns – ebenso wie in Engerwitzdorf – hochgehen.
Kommentar dazu: Die Mär von der Wahlfreiheit
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