„16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ vom 25. November bis 10. Dezember

Foto: Reichkendler/Land Tirol

„Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und sie verändert auch die Formen von Gewalt, denen Frauen heute ausgesetzt sind“, betont Frauenlandesrätin Christine Baur anlässlich der „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“. Zwischen dem 25. November – dem Internationalen Gedenktag für die Opfer von Gewalt an Frauen und Mädchen – und dem 10. Dezember – dem Internationalen Tag der Menschenrechte – wird verstärkt auf die Problematik Gewalt gegen Frauen aufmerksam gemacht.

„Gewalt ist immer eine Grenzüberschreitung gegen den Willen der Person, gegen welche die Gewalt ausgeübt wird. Das Internet stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, wenn es darum geht, die Grenzen zu kennen und zu wahren, weil es genau die Grenzenlosigkeit ist, welche dieses Kommunikationsmittel ausmacht“, so LRin Baur. Cyber-Mobbing, Cyber-Stalking und Sexting sind neue Formen der Gewalt und negative Begleiterscheinungen der Sozialen Netzwerke, die nicht nur das virtuelle Leben der Betroffenen massiv beeinträchtigen.

Jede fünfte junge Frau wurde bereits online belästigt

„Ein 2014 veröffentlichter Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte besagt, dass elf Prozent der Frauen bereits unangemessene Annäherungsversuche in sozialen Medien erlebt oder E-Mails bzw. SMS-Nachrichten mit eindeutig sexuellem Inhalt erhalten haben“, berichtet LRin Baur. Von jungen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren waren bereits 20 Prozent Opfer solcher Formen der Belästigung.
„Unter Cybermobbing versteht man das Beschimpfen, Bloßstellen, Bedrohen etc. in sozialen Netzwerken, Chats und dergleichen. Es geht meist von Personen des sozialen Umfelds wie Schule, Vereine oder Nachbarschaft aus und findet rund um die Uhr statt“, erläutert Tirols Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser. Cyber-Mobbing sei auch darum so weit verbreitet, weil durch eine gewisse Anonymität und räumliche Distanz die Hemmschwelle der Täterinnen und Täter sinkt.

„Cyber-Mobbing ist eine besonders schlimme Form der Schikane – die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sind tagtäglich mit dieser Thematik konfrontiert“, berichtet Karin Hüttemann, Geschäftsführerin der Tiroler Kinderschutz GmbH. Erschwerend kommen die niedrige Hemmschwelle sowie die Tatsache hinzu, dass die Inhalte kaum aus dem virtuellen Netz zu entfernen sind. „Gerade Teenager mit 13 oder 14 Jahren können schlecht damit umgehen, wenn sie Opfer von Cyber-Mobbing werden. Die Folgen können schwerwiegend sein und von Depressionen, Schulabbruch, selbstverletzendem Verhalten bis hin zu Suizid reichen“, zeigt Hüttemann auf.

Für fast ein Drittel der Jugendlichen ist Sexting „normal“

Ein weiteres mit der zunehmenden Digitalisierung einhergehendes Problem stellt das so genannte Sexting dar: Damit ist das Verschicken und Tauschen von Nacktaufnahmen der eigenen Person über das Handy oder Internet gemeint. In Österreich befragte die Initiative Saferinternet.at im Februar dieses Jahres 500 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren und fand heraus, dass Sexting eine häufige Facette des Beziehungs- und Sexuallebens von Jugendlichen geworden ist: Mehr als die Hälfte gab an, jemanden zu kennen, der oder die schon einmal Nacktaufnahmen von sich selbst an andere geschickt hat, ein Drittel hatte bereits solche Bilder erhalten und 16 Prozent haben ihre Nacktbilder an andere gesendet. „Erschreckend ist, dass dieser Studie zufolge fast ein Drittel, nämlich 31 Prozent der Jugendlichen angibt, es als ‚normal‘ zu empfinden, ihren Partnerinnen und Partnern Nacktaufnahmen zu schicken“, zeigt LRin Baur auf. Gleichzeitig kennt knapp die Hälfte der Befragten jemanden, die oder der schon einmal Probleme mit Sexting hatte – entweder wurden die Aufnahmen im Freundeskreis verbreitet, die Abgebildeten wurden verspottet, die Aufnahmen wurden öffentlich gemacht oder sie wurden Eltern oder Lehrpersonen gezeigt. 14 Prozent wurden sogar aufgrund ihrer Aufnahmen erpresst.
Im Mädchenzentrum ARANEA ist die Problematik bekannt: „Wir erleben am häufigsten, dass Mädchen von Internetbekanntschaften – die sie in der Regel nicht persönlich kennen – via Whats App manchmal schon nach wenigen Minuten und meist ohne Vorwarnung ein Bild der Geschlechtsteile geschickt bekommen. Das kann beispielsweise für eine 12-Jährige sehr überfordernd sein“, berichtet Leiterin Rebekka Mayr. Auch das aktive Versenden von Nacktbildern innerhalb von Beziehungen sei immer wieder Thema. „Sexting steht mit sehr viel Druck in Verbindung. Viele Mädchen erzählen im Nachhinein, dass es unter ihresgleichen als modern empfunden wird und einfach so gemacht werden müsse. Oft landen die Bilder schlussendlich überall im Netz“.

Rechtliche Aspekte

Seit 1. Juli 2006 stellt die beharrliche Verfolgung, das Stalking, einen strafrechtlich relevanten Tatbestand dar; Cybermobbing wird ab Jänner 2016 unter Strafe gestellt.
„Es gilt für Kinder und Jugendliche das Recht am eigenen Bild – jede und jeder darf persönlich entscheiden, ob es veröffentlicht werden darf. Dieses kann nicht durch die Entscheidung der Eltern ersetzt werden“, stellt Harasser klar. Sollten peinliche Fotos im Netz kursieren, so weist Tirols Kinder- und Jugendanwältin auf das Recht auf Löschung und Unterlassung der weiteren Verbreitung hin. Strafbar mache sich auch, wer pornografische Bilder von Minderjährigen herstellt, versendet und verbreitet. „Weitere Strafbestände im Zusammenhang mit Cyber-Mobbing und -Stalking sind Nötigung, beharrliche Verfolgung, üble Nachrede oder etwa Beleidigung“.

Wie kann der Cyber-Gewalt vorgebeugt werden?

„Der richtige und gefahrlose Umgang mit sozialen Netzwerken stellt vor allem junge Menschen vor eine Herausforderung“, betont LRin Baur abschließend. Wichtig sei die Vorbildfunktion der Erwachsenen, insbesondere der Eltern: „Diese müssen auch für sich entscheiden, wieviel sie im Internet preisgeben bzw. welche Fotos sie veröffentlichen“, so Harasser. Des Weiteren sollten unerwünschte Personen in sozialen Netzwerken gesperrt und die Privatsphäreeinstellungen immer wieder kontrolliert werden.

Breites Beratungsangebot

„Wenn es zu Cyber-Mobbing oder auch Problemen in Zusammenhang mit Sexting kommt, sollte die oder der Betroffene sich jemandem anvertrauen – darüber hinaus darf nichts gelöscht werden, sondern sollten die Beweise gesichert werden“, rät Harasser. Sie weist darauf hin, dass die Kinder- und Jugendanwaltschaft kostenlose Workshops in Schulen zu diesen Themen anbietet, um Kinder und Jugendliche für einen verantwortungsvollen Umgang im Internet zu sensibilisieren. Auch die Tiroler Schulsozialarbeit leistet wichtige Sensibilisierungsmaßnahmen in Form von Präventions- und Informationsarbeit zu Cyber-Mobbing, -Stalking und Sexting direkt in den Schulklassen. Insgesamt fanden im vergangenen Schuljahr durch die Schulsozialarbeit in Tirol 103 Beratungen und Interventionen zu den Themen Cyber-Mobbing und Mobbing statt, zu Sexting, Pornografie und Grooming (gezieltes Ansprechen von Personen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte) erfolgten 20 Beratungen. Auch das Aranea-Mädchenzentrum bietet Workshops zu Cyber-Mobbing und Sexting an.

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