Wie sich Patenschaften auf die Integration jugendlicher Flüchtlinge auswirken

Robert Glattau und Patensohn Ahmad sind mittlerweile "wie eine Familie", beschreibt Glattau. | Foto: Verein PatInnen für alle/privat
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REGION PURKERSDORF. Nicht ganz ein Jahr ist es her, dass der in Pressbaum ansässige Verein "PatInnen für alle" gegründet wurde. Seit Frühling vergangenen Jahres wurden durch den Verein rund um Obfrau Erika Kudweis bereits 23 in der Region lebende Jugendliche mit Fluchthintergrund an ehrenamtliche Patinnen und Paten vermittelt, die sie seither in vielen alltäglichen Belangen begleiten und unterstützen.

„Es ist faszinierend wie sehr die Patinnen und Paten die Burschen gleich ins Herz geschlossen haben, ich glaube manche haben sich selbst gewundert wie schnell das geht", zieht Vereinsobfrau Erika Kudweis erfreut Resüme.

"Wie eine Familie"

So auch Robert Glattau aus Purkersdorf. Seit Sommer vorigen Jahres betreut er seinen nun 18-jährigen Patensohn Ahmad. "Am Anfang war's ein bisschen zäh, weil man sich erst aneinander gewöhnen und Vertrauen fassen muss. Man muss halt Geduld haben. Man fällt sich nicht von Anfang an um den Hals", erinnert er sich an die Anfänge zurück.

Mittlerweile haben er und Ahmad, der das Purkersdorfer Gymnasium besucht und flüssig Deutsch spricht, einen äußerst guten Kontakt zueinander. "Er ist jeden zweiten Tag bei uns, wir essen miteinander, sind miteinander unterwegs – wie eine Familie", so Glattau, der von Ahmad scherzend "Papa" genannt wird – "zwar immer ein bisschen im Scherzhaften, aber irgendwie ist es wirklich ein ähnliches Verhältnis", so Glattau.

Psychologin: "Paten haben positiven Einfluss!"

Auch Lucia Minecan, Psychologin beim Verein menschen.leben, der zwei UMF-Quartiere in Purkersdorf und Gablitz betreut, bestätigt den positiven Einfluss von Patenschaften auf die jugendlichen Flüchtlinge. Auf Nachfrage der Bezirksblätter Purkersdorf berichtet sie: "Durch eine Patenschaft werden verschiedene Entwicklungsbereiche der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge positiv beeinflusst. Die Erfahrungen zeigen, dass die Jugendlichen im Alltag mit der Patenfamilie viel schneller und besser Deutsch lernen. Gleichzeitig erleben sie durch den Familienanschluss viel intensiver, welche Werte und Normen das Leben in Österreich prägen und erhalten leichter Zugang zu Organisationen und Vereinen vor Ort, wo sie ihre Fähigkeiten einbringen, anderen helfen können und damit auch die wichtige Erfahrung machen, dass es sich lohnt sich täglich neu anzustrengen.
Eine Patenschaft stärkt nachweislich die emotionale Entwicklung der Burschen. Sie erfahren dadurch, dass nun jemand da ist, für den sie einmalig sind und der sie mit all ihren Stärken und Schwächen annimmt. Bereits erlernte Fähigkeiten können durch eine Patenschaft besser ausgelebt werden und bei der Bewältigung der Schwächen erhalten die Jugendlichen Unterstützung durch die Familie. Daraus entsteht ein starkes Zugehörigkeitsgefühl, das die Persönlichkeitsentwicklung stärkt."

Wichtig: Kontakt nach außen

Das Wichtigste an der Patenschaft sei der Kontakt außerhalb der Einrichtung, fasst Erika Kudweis zusammen: "Sie lernen dabei einfach wie sich Österreicher verhalten – im Alltag, bei Festen, wie funktionieren Beziehungen, wie funktionieren Familien und Kindererziehung – solche Dinge beobachten sie sehr genau", schildert Kudweis, die ihren eigenen Patensohn Ali seit über zwei Jahren betreut.

Aktuell werden weitere Patinnen und Paten für in Gablitz, Purkersdorf und St. Andrä-Wördern lebende Burschen gesucht, am 30. Jänner um 19 Uhr wird in der Hebebühne Purkersdorf, Kaiser Josef-Straße 4, zum Info-Abend geladen.

Kudweis Patenschaften
Erika Kudweis mit Patensohn Ali und Tochter Hanna. (Foto: Verein PatInnen für alle/privat)

ERLEBNISSE des Vereins "PatInnen für alle":

Beim Workshop mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen erzählte K. aus Afghanistan (16), dass er großes Interesse an Gebäuden und deren Bauweise hat: Er bekam ein Architekten-Ehepaar als Paten, darf regelmäßig ins Architekturbüro mitkommen, erlernt bereits die dort verwendeten Programme, geht mit den Paten architektonisch interessante Gebäude besichtigen und nahm an der Abschlussveranstaltung des internationalen Workshops "Entwürfe für kostengünstigen Wohnbau für MigrantInnen" teil und war der Liebling der StudentInnen.

Nach dem Schulanfang erzählte M. (15) aus Afghanistan seinen PatInnen, dass er nun doch nicht das Gymnasium besuchen wird dürfen. Er war sehr geknickt, ist er doch ein sehr ehrgeiziger Bursche, der selbstmotiviert lernt. Der Sohn des Paten (14) ging am nächsten Tag zu seinem Klassenvorstand und bat zu prüfen, ob M. zu ihm in die Klasse kommen könnte.

Die Paten wurden angerufen, nahmen sich Zeit, hatten mit Klassenvorstand und Direktorin ein Gespräch und erteilten nach Absprache mit der pädagogischen Leiterin der Betreuungseinrichtung die schriftliche Zusage, dass M. am nächsten Tag bereits mit der Schule beginnen darf. Die Paten und ihr Sohn holten K. in der Früh ab und brachten die Burschen gemeinsam zur Schule.

W. aus Nigeria (17) liebt das Theater und das Malen. Eine Freundin der Patin organisierte Karten für die Premiere des Stücks "Monsieur Claude und seine Töchter" in den Wiener Kammerspielen und hatte auch eine Einladung für die anschließende Premierenfeier. Dort lernte W. dann die Darsteller der afrikanischen Familie des Bräutigams der jüngsten Tochter kennen und konnte sich mit ihnen unterhalten. Er strahlte und war sehr stolz und gerührt über diese Möglichkeit.

H. aus Afghanistan (17)
durfte bei einem Elektriker schnuppern und dieser fand den aufgeweckten und interessierten Burschen so sympathisch, dass er ihm eine Lehrstelle anbot. Bedingung ist jedoch, dass er vorher die Prüfung B1 in Deutsch schafft. Seine Patin organisierte ihm einen Platz und begann mit ihm zu lernen. Da dies doch viel mehr Zeit in Anspruch nahm, als gedacht und er durch seine häufigen Besuche ihr und ihrem Mann ans Herz gewachsen war, boten sie ihm an zu ihnen ziehen zu dürfen. Mittlerweile haben sie die Zustimmung von der Kinder- und Jugendhilfe NÖ und werden ihn als Gastfamilie aufnehmen.

S. aus Somalia (15) hat eine Patin mit 5 Kindern, von denen 4 schon ausgezogen und erwachsen sind. Die jüngste Tochter ist 19 und noch zuhause. Er kommt 3x unter der Woche abends zu Besuch um fleißig Deutsch zu lernen und zu üben. Am Wochenende ist er immer von Freitag bis Sonntag bei seiner Patin. Eines ihrer Kinder kommt dann sicher auch vorbei – und wenn S. Glück hat, dann der 8-Monate alte Enkel. Diesen trägt S. dann herum, zeigt ihm viel im Garten und beide sowie die junge Mutter und die Omi sind entspannt und glücklich.

S. aus Afghanistan (16) hat einen Paten, der begeisterter Hobbykoch ist. Sie kochen nun gemeinsam und bei Spieleabenden mit Freunden ist S. gerne mit dabei. Sowohl der Freundeskreis als auch die Großfamilie des Paten (erwachsene Kinder und deren PartnerInnen) nahmen S. gerne auf und unterhielten sich mit ihm.

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