Die letzten Tage des Krieges – die ersten Tage der Besatzung

Amerikanische Besatzungssoldaten in Telfs vor der Pischl-Villa. | Foto: Gemeindechronik Telfs
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  • Amerikanische Besatzungssoldaten in Telfs vor der Pischl-Villa.
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TELFS. Am 1. Mai 1945 brachen Truppen der 103. US-Infanteriedivision bei Schneetreiben in Scharnitz durch die letzten deutschen Verteidigungsstellungen. Dann rückten die Angreifer zum Zirler Berg vor, um weiter Richtung Innsbruck vorzustoßen. Aber auch die Buchener Straße nach Telfs und die Telfer Innbrücke waren ein Ziel der Amerikaner. Die Brücke war zur Sprengung vorbereitet, fiel den US-Soldaten aber unbeschädigt in die Hände.

Chaos in Telfs
Als sich die Amerikaner Ende April 1945 den Grenzen Tirols näherten, kam es zu einem Ansturm von deutschen Militärangehörigen und Flüchtlingen auch nach Telfs. Dabei gelangten auch Hunderte KZ-Häftlinge, die aus dem Lager Dachau abtransportiert worden waren, über das Seefelder Plateau nach Telfs. Die ausgemergelten, hohläugigen Gestalten hinterließen einen furchterregenden Eindruck bei den Einheimischen und führten ihnen das wahre Gesicht des NS-Regimes vor Augen. Ein Lager der Wehrmacht in der Telfer Pischl-Fabrik wurde von der Bevölkerung geplündert, auch im Keller des Rathaussaales eingelagerte Güter blieben nicht lange dort. Jeder wusste, der "Zusammenbruch" des Dritten Reiches steht bevor, jeder versorgte sich mit Nahrungsmitteln, Decken, Kerzen, Seifen uvam..
Dann, am 3. Mai kamen sie, die Amerikaner. Bei ihrem Einmarsch und bei Schießereien rund um die strategisch wichtige Innbrücke gab es mehrere Tote: drei deutsche Soldaten, ein Angehöriger der OT (Organisation Todt) und der zivile Bahnwärter Alois Köfler. Auch einige Verwundete gab es an diesen Tagen. Die Sprengung der Innbrücke konnte verhindert werden.
Schließlich übergab Bürgermeister Stockmayer den Schlüssel der Gemeinde Telfs an die Amerikaner. Altbürgermeister Josef Gapp wurde ab 4. Mai zum neuen Bürgermeister eingesetzt und Lehrer Thielmann zum provisorischen Regierungskommissar. Gapp wurde aus Altersgründen Tage später von Oskar Waldhart abgelöst. Die Macht im Ort hatte aber der Orstkommandant der Amerikaner.

Tillys Erinnerungen
Auch ein heute bekannter Telfer Künstler, der Fasnachts-Mythologe Heinrich Tilly, kehrte nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft vom Realgymnasium in Reutte mit dem Zug in seine Heimatgemeinde Telfs zurück, im Gepäck auch eine Geschichte von Mitschülern aus Innsbruck: Ein amerikanisches Flugzeug wurde über der Nordkette abgeschossen, die Insassen sind mit Fallschirmen abgesprungen, wurden gefangen genommen und dann gefesselt von SS-Leuten durch die Maria-Theresien-Straße geführt. "Da waren auch Schwarze dabei! Man sagte, es seien Kannibalen! Wenn die Amerikaner kommen, werden die Leute von Kannibalen aufgefressen. Den Innsbruckern ist übel geworden, so war die Propaganda."
In Telfs wohnte der 14-Jährige Heinrich Tilly bei seinen Eltern am Emat, den Einmarsch einer US-Einheit beobachtete der Bursch vom Gartenzaun des Tilly-Hauses seiner Oma aus: Vom Meaderloch marschierten sie im Gleichschritt nach Telfs: "Am Ende marschierten zwei Neger mit! Einer kam auf mich zu und schenkte mir eine Mundharmonika! Da habe ich gewusst: Schwarze sind keine Kannibalen. Das war eines meiner schönsten Erlebnisse."

Besatzungszeit
Die Besatzungszeit war weniger angenehm für die Einheimischen, sie sahen sich oft als "Gefangene" im eigenen Dorf, an der Ortsgrenze waren Wachen postiert. Die weißen und schwarzen US-Soldaten quartierten sich in die Häuser ein und hinterließen oft Schäden. Auch Heinrich Tilly und seine Eltern wurden nicht verschont: "Wir mussten innerhalb von 5 Minuten unser Haus am Emat verlassen, kaum waren wir draußen, sind die Amerikaner eingezogen, haben ein Radio eingeschaltet und die Füße aus dem Fenster gehängt." Tilly und seine Familie schliefen bei einer Tante am Boden ihres Hauses. "Wir haben jeden Tag geschaut, ob die Amerikaner noch da sind." Wochen später waren sie verschwunden, die Familie konnte wieder in ihr Haus einziehen. Die Franzosen übernahmen im Juli 1945 die Herrschaft in Telfs.

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