Bundeskriminalamt
Frauenmorde nehmen zu
Mit 18 getöteten Frauen kam es zu Beginn des Jahres 2019 in Österreich zu einer besonderen Häufung an Morddelikten. Aus diesem Anlass wurde im Innenministerium eine Screening-Gruppe eingerichtet, die im Bundeskriminalamt (BK) angesiedelt wurde und aus Experten von Polizei, Kriminalpsychologie und dem Institut für Strafrecht der Universität Wien besteht.
ÖSTERREICH. Die Screening-Gruppe rollte alle geklärten Mordfälle, die zwischen 1. Jänner 2018 und 25. Jänner 2019 begangen wurden auf. Es handelt sich dabei um 174 Fälle, davon 55 vollendete Tötungsdelikte. Ziel war, Muster abzuleiten, Gefährdungsszenarien zu ermitteln und Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Der Schwerpunkt der Untersuchung wurde auf weibliche Opfer und Beziehungstaten gelegt.
Alle Opfer Frauen, alle Täter Männer
Insgesamt erfüllten 23 Morde die Vorgaben der Screening-Gruppe. Für die Feinauswertung der Intimizide wurden jedoch 18 Fälle herangezogen. Bei den vollendeten Tötungsdelikten, die im Rahmen einer Beziehung verübt wurden, waren:
- alle Opfer weiblich,
- alle Täter Männer,
- die Täter in diesen Fällen zu 50 Prozent fremde Staatsbürger,
- in 47 Prozent dieser Fälle war die Beziehung zum Tatzeitpunkt bereits getrennt.
Mord-Motiv Nummer 1: Arbeitslosigkeit
Bei Tötungen mit Beziehungshintergrund stellten :
- Arbeitslosigkeit (48 Prozent),
- Trennungen (46 Prozent),
- Alkohol- oder Drogenmissbrauch (30 Prozent)
- und fortdauernde Konflikte ein erhöhtes Risikopotential dar.
- In 44 Prozent der Fälle wurde bereits ein Betretungsverbot verhängt,
- in 16 Prozent sogar mehrmals.
"Jeder Mord ist einer zu viel"
"Jeder Mord, ungeachtet des Geschlechtes, ist einer zu viel. Mit den Ergebnissen der Screening-Gruppe haben wir fundierte Erkenntnisse, auf deren Grundlagen wir weitere Morde verhindern können.“, so Bundesminister Wolfgang Peschorn. Die Screening-Gruppe hat konkrete Empfehlungen formuliert, die drei Themengebiete betreffen: Gefährdungserkennung, Vernetzung von beteiligten Behörden und Institutionen sowie Täterarbeit.
Konkrete Maßnahmen
- Im Bereich der Gefährdungserkennung regt die Screening-Gruppe die Einführung eines Risikoeinschätzungstools sowie einen Leitfaden für die Vernehmung bei Amtshandlungen wegen Gewalt in der Partnerschaft für Exekutivbeamtinnen und Beamte an. Des Weiteren sollen eigene Kompetenzteams in den Bezirkspolizeikommanden eingerichtet werden.
- Für den Bereich der Vernetzung wird die österreichweite Ausweitung der Leserechte im PAD (polizeiinternes Programm zum Protokollieren von Anzeigen und Berichten) eine zentrale Evaluierungsstelle für Tötungsdelikte und eine Adaptierung der Gewaltschutzdatei im Hinblick auf die Risikoeinschätzung von Tätern empfohlen. Zur besseren Nachverfolgbarkeit von polizeilicher Anzeigen- und gerichtlicher Verurteilungsstatistik wird eine einheitliche, behördenübergreifende Erfassung von Morddelikten angeregt.
- Täterarbeit ist Opferschutz, daher empfiehlt die Screening-Gruppe die Ausweitung und Wiederholung der Gefährderansprachen und Normverdeutlichungsgespräche sowie verpflichtende therapeutische Anti-Aggressionstrainings und soziale Kompetenztrainings nach Betretungsverboten. Da rund die Hälfte der vollendeten Morde von Fremden begangen wurde, wird eine Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Communities vorgeschlagen. Dabei sollen Peers aus der jeweiligen Community bei Tätern mit Migrationshintergrund die Täterarbeit bei der Gefährderanspache unterstützen.
Zahlen und Daten: Gewalt an Frauen in Österreich
Stand Oktober 2019
- Jede fünfte Frau – also 20 Prozent der Frauen – ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt (Quelle: Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, 2014).
- Jede 3. Frau musste seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Belästigung erfahren.
- Jede 7. Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr von Stalking betroffen.
Polizeiliche Kriminalstatistik zu Frauenmorden (2014-2018) :
- Jahr 2014 2015 2016 2017 2018
- weibliche Mordopfer 19 17 28 36 41
- 2018 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik 41 Morde an Frauen.
- Zum Vergleich: 2014 wurden 19 Frauen umgebracht. Es kam also seither zu mehr als einer Verdoppelung der ermordeten Frauen – ein trauriger Rekord.
- Monatlich werden mittlerweile etwa 3 Frauen ermordet.
- Beim überwiegenden Teil der Frauenmorde bestand ein Beziehungs- oder familiäres Verhältnis (z.B. Partner oder Ex-Partner) zwischen Täter und Opfer.
- Insgesamt gab es 2018 55 Mordfälle sowie 76 Täter, davon waren 41 Inländer, 35 Täter kamen aus dem Ausland.
- Laut Medienberichten wurden in den ersten Monaten des Jahres 2019 schon 18 Frauen von ihren (Ex-)Partnern oder Familienmitgliedern ermordet (Stand: 28.10.2019).
Betretungsverbote
- 2018 wurden 8.076 Betretungsverbote von der Polizei verhängt (2017: 8.755, 2016: 8.637, 2015: 8.261, 2014: 8.466, 2013: 8.307, 2012: 8.063) (Quelle: Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie (2019): Tätigkeitsbericht 2018).
- Ebenso wurden 2018 18.526 Opfer familiärer Gewalt von den Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen betreut.
- 84% der unterstützten KlientInnen waren Frauen und Mädchen,
- 91% der Gefährder waren männlich (Quelle: Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie (2019): Tätigkeitsbericht 2018).
Frauenhäuser
- 2018 haben 26 Frauenhäuser insgesamt 3.284 Personen betreut,
- davon waren 1.664 Frauen und
- 1.620 Kinder (Quelle: Statistik der österreichischen Frauenhäuser 2018).
- Im Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) sind 15 Frauenhäuser aus dem Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg vernetzt: Frauenhaus Amstetten, Frauenhaus Burgenland, Frauennotwohnung Vorarlberg, Frauenhaus Hallein, Frauenhaus Innviertel/Ried im Innkreis, Frauenhaus Linz, Frauenhaus Mistelbach, Frauenhaus Neunkirchen, Frauenhaus Pinzgau, Frauenhaus Salzburg, Frauenhaus Steyr, Frauenhaus Tirol, Frauenhaus Vöcklabruck, Frauenhaus Wels, Frauenhaus Wiener Neustadt. Sie haben 2018 insgesamt 1.253 Personen betreut, davon waren 623 Frauen und 630 Kinder. Folgen Sie uns auf und diskutieren Sie mit.
Kontakt für Hilfe
- Die Kontaktdaten zu allen Frauenhäusern: www.aoef.at/index.php/frauenhaeuser2.
- Bei der österreichweiten Frauenhelpline gegen Gewalt Tel. 0800 / 222 555 finden Betroffene und ihr Umfeld an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr, anonym, kostenlos und mehrsprachig Hilfe und Unterstützung.
- Die Frauenhelpline vermittelt zu Beratungsstellen und Frauenhäusern in ganz Österreich.
- 2018 erhielt die Frauenhelpline 8.581 Anrufe gesamt, davon 6.933 Anrufe (81%) von Frauen und Mädchen. Mehr Informationen siehe www.frauenhelpline.at.
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