Bezirksparlament
Warum ÖVP und Neos einen Servitenviertel-Stopp wollen
Teil 2 des Berichts rund ums Bezirksparlament: Die vergangene Sitzung am Alsergrund brachte gleich mehrere große Themen aufs Tapet. Nicht nur wurde ein Stopp des Bauprojekts Servitengasse diskutiert, sondern auch die Durchführung einer großen Baumpflanzungspotential-Analyse. Auch der neue Klub "Damma Wos" und zwei freie Bezirksräte brachten erste Anträge ein.
WIEN/ALSERGRUND. Das Servitenviertel soll ab Mai 2023 umgestaltet werden – doch nicht für alle ist das ein Grund zum Jubeln. Politisch stellten sich nun in der vergangenen Sitzung des Bezirksparlaments zwei Parteien gegen die anstehenden Bauarbeiten. Diese sollen unter anderem elf neue Bäume, neue Pflasterungen und ein Wasserspiel ins pittoreske Grätzl bringen.
Konkret brachten ÖVP und Neos zusammen zwei Anträge zum Servitenviertel ein. Der erste trug den vielsagenden Titel "Erhaltung des historischen Kopfsteinpflasters". Anstatt dass dieses laut Entwürfen durch eine neue, einheitliche Oberfläche ersetzt wird, solle das derzeitige Kopfsteinpflaster erhalten werden. So heißt es konkret im Antrag:
Die Servitengasse mit seinem Kopfsteinpflaster ist ein Beispiel für den historischen Flair des Viertels. Im Beteiligungsverfahren zur Servitengasse wurde mehrheitlich die Beibehaltung der Pflasterung zum Erhalt der kulturellen Identität des Viertels gewünscht.
Kopfsteinpflaster ein "Horror"
Bezirksvorsteherin-Stellvertreter Christian Sapetschnig (SPÖ) meldete sich zuerst zu Wort.:"Wenn man sich die Planungen genau anschaut, sieht man, dass ein Großteil des Kopfsteinpflasters erhalten bleibt." Nur teilweise käme ein Natursteinpflaster. Das große, runde Kopfsteinpflaster sei nicht barrierefrei, weshalb man dies teilweise ersetzen müsse.
Schärfer ging Bezirksrätin Christa Schmid (Grüne) mit dem Antrag ins Gericht. Das historische Pflaster sei ein "Horror" für Menschen mit Rollator oder Rollstuhl. Daher sei für die Grünen der Erhalt des Kopfsteinpflasters um jeden Preis widersinnig. "Für uns hat Barrierefreiheit ganz klar Vorrang", so Schmid.
Bezirksrat Oliver Prenn (Neos) wiederum richtete Sapetschnig aus, dass er "Sand in die Augen" streue, wenn er sage das Kopfsteinpflaster bleibe erhalten. Auf den Renderings sei klar zu sehen, dass das neue Natursteinpflaster den Altstadtflair nicht erhalten würde. Vera Schmitz (ÖVP) ortete zudem "Verwirrung", die sich durch das ganze Servitenprojekt vom "Anfang bis zum Ende" ziehe. Auf den Renderings würde man andere Dinge sehen wie auf den Plänen und dann würde gesagt, das Kopfsteinpflaster bliebe erhalten.
Der Antrag wurde abgelehnt: Nur die ÖVP und Neos stimmten dafür. Die SPÖ, Grüne, eine Stimme von Damma Wos und die freien Abgeordneten Claudia O'Brien und Markus Delitz stimmten dagegen.
ÖVP und Neos fordern "Projektstopp"
Der nächste Antrag ging dann sogar noch einen Schritt weiter: wieder wurde er von der ÖVP und Neos eingebracht. Dabei forderte man gleich ein Stopp für das Projekt Servitengasse. Die Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ) solle dies aufhalten und "die dafür vorgesehenen finanziellen Mittel für die Attraktivierung anderer Bezirksteile" verwenden.
ÖVP-Klubchefin Lisa Fuchs eröffnete die Debatte um den Antrag. Mit dem Geld könne man etwa 44 Bäume woanders pflanzen. Zudem sei das Servitenviertel ohnehin ein schönes Viertel, dass man nicht unbedingt umgestalten müsse.
Ähnlich argumentierte Neos- Klubchef Rudolf Mayrhofer-Grünbühel, als er erklärte, warum seine Fraktion dem ÖVP-Antrag beigetreten sei. "Man könnte das Klima woanders mehr retten als im Servitenviertel."
Anders sahen das die Grünen. Klubchef Raimund Fichter-Wöß rückte hier zur Verteidigung des Projekts aus. Zwar sei die Umgestaltung der Servitengasse eine "schwere Geburt" gewesen und auch er fände einiges zu kritisieren. Gleichzeitig betonte er aber auch die Vorteile, weil etwa elf Bäume im Viertel gepflanzt würden. Die Vorbereitung hätte vier Jahre gedauert, um dieses prinzipiell sinnvolle Projekt "auf den Boden" zu bringen. "Ich bin nicht dafür, jetzt wieder mit einem anderen Projekt von vorne anzufangen, wenn man hier nun etwas umsetzen könnte."
Sapetschnig formulierte noch deftiger und fand, dies sei der zweite "Heisl-Antrag" der Sitzung, nachdem zuvor ein anderer Antrag Toiletten im öffentlichen Raum behandelt hatte. Er betonte die Vorteile inklusive mehr Bäumen, Grün- und Freiflächen.
Am Ende stimmten nur Neos und die ÖVP dafür, das Projekt Servitengasse zu stoppen. Der Antrag wurde damit abgelehnt.
Eine große Baum-Studie für den Alsergrund
Einen anderen Gemeinschaftsantrag brachten die Grünen, SPÖ, Damma Wos sowie die freien Abgeordneten O'Brien und Delitz gemeinsam ein. Dabei ging es um eine "Baumpflanzungspotential"-Analyse für den 9. Bezirk, welche die zuständige Stadtplanungs-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) in Auftrag geben solle.
Die Bezirksvorsteherin-Stellverterterin Josefa Molitor-Ruckenbauer (Grüne) erklärte:
Durch die Studie bekommen wir einen Überblick, wo im Bezirk man noch Bäume pflanzen kann. In der Landstraße, wo eine solche Baumpflanzungspotential-Analyse schon durchgeführt wurde, wurden so 1.000 neue Standorte mit einer Möglichkeit zur Begrünung gefunden.
Die SPÖ-Abgeordnete Susanne Plachy-Loco dämpfte die Erwartungen mit dem Verweis etwas, dass man am Alsergrund in den vergangenen zehn Jahren 359 neue Bäume gepflanzt hätte. "Das nur als Hinweis, damit niemand glaub, dass es noch wahnsinnig viel Potential im 9. Bezirk gibt", so Plachy-Loco. Trotzdem spreche sich die SPÖ für die Analyse aus, um einige neue Standorte zu finden.
Am Ende wurde dieser Antrag einstimmig vom Bezirksparlament angenommen.
Neue Kooperationen im Bezirksparlament
Ansonsten gab es noch mehrere Anträge zu kleineren Anträgen. Auffällig war dabei die enge Zusammenarbeit, die scheinbar zwischen dem neuen Klub "Damma wos" von Ex-Grünen-Bezirksvorsteherin-Stellvertreterin Momo Kreutz sowie den freien Abgeordneten O'Brien und Delitz besteht. Sie brachten gleich fünf Anträge gemeinsam ein, wobei es um diverse Themen ging. Einer betraf dabei die Generalsanierung der Volksschule Marktgasse, die ab September 2024 generalsaniert werden soll. Die Schülerinnen und Schüler sollen dann in eine Schule in der Leystraße im 20. Bezirk ausweichen.
Um den täglichen Schulweg zu erreichen, wurden die zuständigen Verantwortlichen um die Prüfung der Möglichkeit einer Extra-Straßenbahn ersucht. Die Linie 33 solle an Schultagen zusätzlich zwischen Augasse und Friedrich-Engels-Platz einige kurzgeführte Züge bekommen. Der Antrag zur Prüfung dieser Möglichkeit wurde einstimmig angenommen.
Im Nachgang der Sitzung schrieb Damma Wos-Klubchefin Kreutz via Facebook:
Bei der letzten Bezirkssvertretungsitzung haben wir festgestellt, dass die Zusammenarbeit mit den aus der SPÖ ausgetretenen Bezirksrät:innen Claudia O'Brien, Markus Delitz und Beatrix Kauf sehr konstruktiv ist. Alle unsere Anträge und Resolutionen haben wir gemeinsam gestellt und erfreulicherweise fanden sie auch alle eine große Mehrheit.
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