Landesgericht St. Pölten
Wutausbruch – Kontrahent auf Bahngleise in St. Peter/Au gestoßen
Laut Anklage soll der Beschuldigte nach dem Konsum von Crystal Meth und fünf Litern Bier zum Bahnhof gegangen sein.
ST. PETER/AU/ST. PÖLTEN. Kaum mehr als zwei Minuten bevor am 4. Juni dieses Jahres ein Güterzug durch den Bahnhof von St. Peter in der Au fuhr, stieß ein 25-Jähriger aus dem Bezirk Amstetten einen 53-Jährigen mit voller Wucht auf die, etwa einen halben Meter tiefer gelegenen Gleise und ging, ohne sich um den Verletzten zu kümmern, zu Fuß nach Hause.
„Mordversuch“, nannte es Staatsanwältin Barbara Kirchner beim Prozess am Landesgericht St. Pölten und versuchte unter anderem anhand der Videoaufzeichnung einer Überwachungskamera, sowie der Aussagen von Opfer und Zeugen die Geschworenen von ihrer Wertung zu überzeugen.
"Ich bring dich um!"
Dagegen stand die Aussage des zweimal einschlägig vorbestraften Angeklagten, der die Tat an sich gestand, allerdings eine Tötungsabsicht bestritt, obwohl er unmittelbar vor dem Stoß schrie „Ich bring dich um!“, auf den 53-Jährigen losstürmte und ihn auf die Gleise stieß. Das Opfer hatte Glück im Unglück. Ein Mann, dessen Frau den Vorfall beobachtet hatte, sowie ein Freund des Beschuldigten konnten quasi in letzter Sekunde den Verletzten auf den Bahnsteig heben und retteten ihn dabei vor dem herannahenden Zug.
Laut Anklage soll der Beschuldigte nach dem Konsum von Crystal Meth und fünf Litern Bier zum Bahnhof gegangen sein. Frustriert nach einem Streit mit seinem Großvater und seinem Freund schrie er am Bahnsteig: „Leckts mich einfach alle am Orsch!“
Mit Videoaufzeichnungen ausgeforscht
Der 53-Jährige, ebenfalls alkoholisiert, konterte: „Halt die Goschn, du scheiß Zigeuner!“ Daraus entwickelte sich ein Streit mit gegenseitigen Beschimpfungen, der Jüngere spuckte dem Kontrahenten ins Gesicht, der Ältere wiederum drohte mit Schlägen. Als sich die Lage bereits etwas beruhigt hatte und man sich nicht mehr so nahe war, stichelte der 53-Jährige abermals, was den Jüngeren endgültig ausrasten ließ. Er habe es in Kauf genommen, dass sich der Mann verletzt, gestand der Beschuldigte, nachdem er anhand der Videoaufzeichnung rasch ausgeforscht werden konnte.
Gegenüber Richter Andreas Beneder bestätigte das Ehepaar, das damals unmittelbar gegenüber dem Bahnhof gewohnt hatte, die Todesdrohung gehört zu haben. Der langjährige Freund des Beschuldigten, der am Bahnhof mit seinem Angebot, ihn mit dem Auto nach Hause zu bringen, abgeblitzt war, beschrieb den Zustand des 25-Jährigen mit „Er war streichfähig“. Etwa eine Stunde später fragte der Täter bei ihm nach, „ob eam da Zug erwischt hat“. Das Opfer selbst machte nur äußerst vage Angaben, meist erklärte es: „Weiß ich nicht mehr!“
Sechs Jahre Haft
Gutachter Werner Brosch diagnostizierte eine unreife Persönlichkeit, wobei der regelmäßige Suchtgift- und Alkoholkonsum die Gewaltbereitschaft verstärkt und zu heftigen Wutausbrüchen geführt habe. Bei der Tat im Juni sei der Beschuldigte zwar enthemmt, aber dennoch zurechnungsfähig gewesen.
Verteidigerin Margit Buchegger stellte nachdrücklich fest, dass keinerlei Tötungsabsicht seitens des Beschuldigten vorgelegen habe. Die Geschworenen folgten ihrer Einschätzung und verurteilten den Angeklagten einstimmig wegen versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren Haft, vier Monate einer bedingten Vorstrafe wurden widerrufen, dem Opfer 1.500 Euro Schmerzensgeld zugesprochen (nicht rechtskräftig).
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