Badenerin stellt im Haus Wittgenstein aus:
Minna Antova hinterfragt archaische Mythen
- Die Künstlerin mit ihrem Werk
- Foto: Stockmann
- hochgeladen von Gabriela Stockmann
BADEN/WIEN. Die Künstlerin Minna Antova setzt sich in ihrer Ausstellung "Theseus’Paradox on Medea&Co #Marsyas_she" mit der Frage auseinander, ob ein Objekt noch dasselbe Objekt ist, wenn alle seine ursprünglichen Bestandteile im Lauf der Zeit und in der Regel Stück für Stück durch andere ersetzt wurden, etwa durch die Etablierung von neuen Sichtweisen in Mythen. 25 Werke sind zu besichtigen.
Schon das erste Bild der Ausstellung, gleich beim puristisch-prächtigen Stiegenaufgang im Haus Wittgenstein in Wien, weist auf diese Grundidee hin: Neben Minna Antovas stolzer Kassandra, der antiken Seherin, deren Zukunftseinsichten - die Kassandrarufe - niemand wahrnehmen wollte, ist Michael Bachhofers digitaler „Totentanz einer Fliege“ platziert, ein Symbol für die Verwesung des Krieges.
Sie - die Frau - ist eingefasst in eine Parabel über das Profane und Sakrale, Ohnmacht und
Macht, Kontrolle und Freiheit, Asyl im Exil/Exil im Asyl und der symbolischen „Nichtung“ im Schaffensprozess, die erst das Transzendieren ermöglicht.
Antovas Heldinnen sind Frauen
Olga Shparaga, die weißrussische Philosophin, die bei der Eröffnung die Einführung zur Ausstellung gehalten hat, vermerkt dazu: "In ihrer Werkserie #Marsyas_she verbindet Minna Antova Empathie mit dem radikalen Entzug der Schutzhülle oder Haut, wodurch Körper eine neue und kreative Verbundenheit erlangen. Gerade Empathie als Form körperlicher Sensibilität und Reaktionsfähigkeit ist ihrer Meinung nach der Träger der Menschlichkeit, die der Holocaust leugnet. Die Arbeit am Text zu Minna Antovas neuem Projekt war für mich eine intellektuelle Herausforderung und ein Abenteuer, ein Tor und viele Wege in neue Welten / in neuen Welten. Mir kam die Metapher eines Tunnels in den Sinn – genau so sah ich jedes Werk der Ausstellung, als würde es mich auf eine semantische Abenteuerreise mitnehmen, als eine Herausforderung, diese Bedeutungen zu entschlüsseln und die Verwandlung selbst zu erleben. Natürlich in einem feministischen Sinne, denn die Heldinnen von Minna Antovas Werken sind Frauen, die alte-neue Eigenschaften erwerben, die ihre Subjektivität bekräftigen."
"Phallische Phantasmen der Archaik dauern nach wie vor an"
Minna Antova erläutert persönlich: "Ob Medea, die wissende Heilerin, als die personifizierte „Fremde“ nie ihren Ort findet, ob die, das Unheil vorauswissende Kassandra auf ewig kein Gehör in der Polis findet und ob Antigone ihrem toten Bruder ein Grab geben und dem höheren Gesetz der Götter folgen will - das alles findet nicht nur in den Mythen der Archaik statt - diese gewaltbesetzten phallischen Phantasmen der Archaik dauern nach wie vor an - in der globalen Aktualität der nekrophilen Verwesung von Bruder- und Schwester-mordenden Kriegen, in und mit denen wir leben, in der Empathie-befreiten Begegnung von Mensch zum Mensch, von Mensch zur Natur."
Man ist an Palimpseste erinnert, jene antiken Schriftstücke, denen der Originaltext abgeschabt und die neu beschriftet wurden. Man fragt nach der Konstruktion vom Kanon des Gender-Contracts, der herrschenden gesellschaftlichen Übereinkunft, und sucht nach Antworten auf die Frage: Was ist übriggeblieben von historischen Zeiten und warum?
Haus Wittgenstein in Wien 3 als exzellenter Rahmen
Das Haus Wittgenstein in Wien bildet den exzellenten Rahmen für die Ausstellung und kann mit seiner Geschichte selbst Antworten auf die Fragen der in Sofia geborenen und in Baden bei Wien lebenden Künstlerin Minna Antova beitragen. Das Haus wurde im Auftrag von Margaret Stonbourough-Wittgenstein von Paul Engelmann, einem Schüler von Adolf Loos, vom Philosophen Ludwig Wittgenstein und von Jacques Groag erbaut. Ludwig Wittgenstein und die Architekten Engelmann und Groag teilten die Offiziersausbildung und die traumatischen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg. Margaret Wittgenstein wohnte in dem Haus ab 1928 bis zu ihrem Tod im Jahr 1958. Ludwig Wittgenstein selbst zeichnete die Ausstattung des Hauses - vom Fenster bis zum Heizkörper - mit höchster Präzision. In der NS-Zeit wurde das Vermögen der Familie Wittgenstein arisiert, das Haus wurde stark devastiert. Nach ihrer Rückkehr nach Kriegsende überlegte Margaret, das Haus abreißen zu lassen. Nur auf Drängen ihres Bruders Ludwig Wittgenstein, dem das Haus sehr wichtig war, hat sie das Haus wieder hergestellt und bis 1958 darin gewohnt. Die Volksrepublik Bulgarien kaufte 1975 das verfallende Haus, um es vor dem drohenden und von vielen Protesten beeeinspruchten Abriss zu retten. Das Haus stand damals noch nicht unter Denkmalschutz. 1977 wurde es generalsaniert und als bulgarisches Kulturinstitut wieder eröffnet.
Die Ausstellung ist vorerst bis 9. Jänner 2026 geöffnet.
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