"Solidarität in Partei fehlte"
Abdolzadeh äußert sich nach Ermittlungsende
Die Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) hat die Ermittlungen gegen die Döblinger Politikerin Mahsa Abdolzadeh eingestellt. Gegenüber der BezirksZeitung gab sie exklusiv ein Interview, welche weiteren Schritte sie nun unternehmen wird. Die Politikerin aus dem Grünen Klub Döbling zweifelt auch an der Solidarität der Grünen Wien.
von Johannes Reiterits und Antonio Šećerović
WIEN/DÖBLING. Es wurde medial laut rund um die Döblinger Politikerin Mahsa Abdolzadeh. Im Herbst des 2022 tauchten nach der Übergabe ihres Kindergartenvereins "Philo Kids" an den Verein "Care Bears" Vorwürfe auf. Abdolzadeh hätte für mehr Kinder Fördergelder bezogen, als tatsächlich betreut worden wären - so zumindest die Vorwürfe, die der Nachfolgerverein "Care Bears" erhob. Die Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) schaltete sich ein - und kam jetzt zu dem Entschluss, die Ermittlungen gegen die Politikerin einzustellen. Dies erfolgte, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht, so die StA Wien – wir berichteten:
In der Zwischenzeit pausierte Abdolzadeh in der Politik. Ihr Amt als Bezirksrätin in Döbling nahm sie nicht wahr. Hier wurde auch bekannt, dass sie zwar für die Grünen Döbling im Bezirksparlament sitzt, aber gar nicht Mitglied bei den Grünen Wien ist. Laut Statut der Partei ist dies durchaus möglich. Auch hier berichteten wir.
Abdolzadeh hat sich jetzt mit der BezirksZeitung getroffen. Immer wieder sprach sie auch von "Rufmord" und "medialem Mobbing", es sei ihr ein Anliegen, gerade mit diesem Medium zu sprechen. Im Interview erklärt sie, ob sie es nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens in der Causa belassen will, wie es für die Politikerin nun weitergehen soll und wie es für sie passt, als Grüne Bezirksrätin auch weiterhin nicht bei den Grünen zu sein.
Erleichterung mit "Aber"
Die StA Wien hat die Ermittlungen eingestellt. Wie geht es Ihnen nach dieser Meldung?
MAHSA ABDOLZADEH: Einerseits freue ich mich, dass sich die Ermittlungen nicht noch länger hingezogen haben. Denn unschuldig eines massiven Förderbetrugs verdächtigt zu werden, hatte natürlich einen sehr negativen Einfluss auf meinen Alltag. Andererseits wünschte ich, mein Umfeld und ich hätten das alles nicht durchmachen müssen, weshalb ich mich nur sehr verhalten tatsächlich freuen kann. Von einen Tag auf den anderen war nicht nur meine Gegenwart, sondern auch meine Zukunft und sogar meine Vergangenheit zerstört worden. Und jetzt ist es an der Zeit mir das wieder zurück zu erkämpfen, denn alle Vorwürfe waren tatsächlich komplett aus der Luft gegriffen. Ich litt in dieser Zeit unter Schlaflosigkeit, Depressionen und Panikattacken. Zusätzlich belastete es mich sehr, dass alle meine ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso am Rande des Ruins standen und keinen Job mehr bekamen, weil sie für "Philo Kids" gearbeitet hatten. Ich bin erleichtert, dass sich nun alle wieder von dem Schock erholen können.
Die StA Wien spricht im Zuge der Einstellung, dass es „keinen tatsächlichen Grund“ zur weiteren Verfolgung der Ermittlungen gibt. Haben Sie eine Idee, warum diese Vorwürfe gegen Sie überhaupt aufgetaucht sind?
Ich denke, die politische Dimension des Falls - und warum dieser ausgerechnet von der FPÖ dermaßen hochgespielt wurde - ist klar: Mit "Philo Kids" habe ich ein humanistisch ausgerichtetes, religions- sowie genderneutrales pädagogisches Konzept geschaffen. Eines, das die Lebensbedingungen moderner Familienkonstellationen aufgreift und mit seiner Ausrichtung die Ideologie des Rechtsextremismus an seinen Wurzeln bekämpft. Auch früher schon kamen ja immer wieder Einschüchterungsversuche von rechten Vereinen, etwa wurde der lächerliche Vorwurf der Frühsexualisierung erhoben, weil wir im Kindergarten in der Puppenecke anatomisch korrekte Puppen hatten. Der Verein "Care Bears" hatte sich an mich gewandt und Interesse bekundet, meinen Kindergarten unter Erhaltung des pädagogischen Konzepts zu übernehmen. Ich wollte den Kindergarten nach jahrelanger Hetzjagd aus dem rechten Eck weitergeben. Einerseits, um mich und meine Familie zu schützen, und andererseits, um die Kinder, deren Familien sowie meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschützen. Ich hatte die Hoffnung, dass die Einschüchterungsversuche aufhören, wenn der Kindergarten von einer politisch nicht exponierten Person geführt wird. Wie ein Bericht des Landeskriminalamts an die StA Wien belegt, wurden über den gesamten Zeitraum, seit der Anbahnung der Übernahme des Kindergartens durch den Verein "Care Bears", Tonbandaufnahmen angefertigt, die ohne meine Einwilligung angefertigt wurden.
Wurde das Vertrauen in das österreichische Justizwesen mit dem Einstellen der Ermittlungen für Sie verstärkt?
Ich möchte es anders sagen. Ich bin aus dem Iran nach Österreich gekommen. In das iranische Regime habe ich null Vertrauen. Das Vertrauen habe ich wiederum aber in die österreichische Politik gesetzt. Dieses Ereignis jetzt war so eine Enttäuschung für mich, ein richtiger Backlash in meiner Zeit im Iran. Mein subjektives Vertrauen an die Freiheit der Politik war extrem gebrochen. Als die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen begründet eingestellt hat und ich gesehen habe, wie sehr sie die Beweise geprüft haben, war das wieder eine Art Aufbau von Vertrauen für mich. Es hat mir gezeigt: Auch wenn es teilweise in der Politik Dinge gibt, die meinem Sicherheitsanspruch nicht entsprechen, ist zumindest die Justiz da. Die StA ermittelt penibel, genau und gut. Diese Erkenntnis hat mich wieder aus diesem schwarzen Loch geholt.
"Muss rechtlich dagegen vorgehen"
Sie sprachen in der Causa von „Rufmord“ und auch von „medialen Mobbing“, jetzt von Tonbandaufnahmen. Ist das Thema jetzt mit dem Einstellen der Ermittlungen für sie komplett vom Tisch, oder werden sie rechtlich weitere Schritte unternehmen?
Muss ich, ich will hier keinen Präzedenzfall schaffen. Wo Menschen mit Aufnahmen in Privatsphäre eindringen und nicht verurteilt rausgehen. Wenn ich keine rechtlichen Schritte unternehme, wird so ein Vorgehen zu gang und gäbe. Und das muss irgendwo aufhören. Ich bin eine starke Persönlichkeit und darauf bin ich stolz. Ich bin schon mit dem iranischen Regime zurechtgekommen - mit diesen Leuten komme ich auch klar.
Sie sitzen für die Grünen im Bezirksparlament in Döbling, waren während den Ermittlungen entschuldigt. Werden sie wieder aktiv als Bezirksrätin zurückkehren?
Ich werde wieder als Mitglied im Grünen Klub Döbling teilnehmen . Ich habe darüber schon mit unserem Klubobmann Peter Kristöfel gesprochen. Da das ganze nun fallen gelassen wurde sollte jedem klar sein, dass ich unschuldig bin. Für mich ist diese Art Angst jetzt auch weg, wieder in den Bezirk als Politikerin zu gehen. Ich hatte nämlich auch meine persönlichen Sozialängste während der Sache. Einfach unter Menschen zu gehen, denn was denken diese Menschen über mich? Aber jetzt kehre ich wieder zurück - bereits bei der ersten Sitzung im September werde ich anwesend sein. Ich bin Bezirksrätin des Grünen Klubs.
Sie haben nie daran gedacht, das Amt aufzugeben?
Ehrlich gesagt, nein. Ich wusste immer, dass ich unschuldig bin. Und genau dieses Aufgeben will ich nicht: Ich will nicht, dass Frauen und Migrantinnen bzw. Migranten durch solche Aktionen aus der Politik getrieben werden.
Für die Grünen ohne Mitgliedschaft
Sie bleiben also weiterhin für den Grünen Klub Döbling im Bezirksparlament. Haben sie inzwischen schon den ausstehenden Mitgliedsbeitrag bei den Grünen Wien beglichen und sind auch in der Landespartei wieder eingetragen?
Schauen Sie, ich werde die Grüne Partei nicht auf Aussagen einer Mediensprecherin reduzieren, die in der Causa gewisse Antworten zu meiner Person gegeben hat. Sie meinte damals, dass ich kein Mitglied bin. Ich muss auch nicht Mitglied der Grünen Wien sein, um Mitglied im Grünen Klub im Bezirksparlament Döbling zu sein. Die Partei selbst und ein Mandat für diese Partei zu haben, sind zwei verschiedene Dinge. Diese Klausel ist im Statut der Partei. Ich bin Mitglied des Klubs im Bezirksparlament, aber nicht Mitglied bei der Landespartei oder beim Bund.
Warum nicht? Es gäbe ja die Möglichkeit, diese offenen Mitgliedsbeiträge zu begleichen und wieder bei den Grünen Wien zu sein. Immerhin sitzen sie - wenn auch ohne Mitgliedschaft möglich - für die Partei im Bezirksparlament?
Es liegt einfach nicht in meinem Interesse. Es liegt nicht in meinem Interesse überhaupt irgendwo Parteimitglied zu sein. Mein Amt in der Bezirksgruppe Döbling werde ich aufarbeiten. Sobald diese Periode zu Ende (Anm. Red.: 2025) ist, werde ich auch aus dem Bezirksparlament austreten. Ob ich in weiterer Folge dann noch Interesse habe, bei irgendeiner Partei mitzuwirken, weiß ich noch nicht. Ich habe eine sehr schwere Zeit gerade hinter mir und habe mir so weit noch keine Vorstellungen gemacht. Ich muss mich selbst nochmal finden - auch politisch. Ich war über 15 Jahre lang bei den Grünen, bin Ex-Mitarbeiterin der Grünen. Und ich bin eingestiegen bei der Partei, als die Grünen noch eine Bewegung war, mit der ich mich sehr identifizieren konnte. Doch die Parteien entwickeln sich - und die Menschen auch. Daher muss ich immer wieder abwägen, wo ich stehe und wo die Partei steht. Zur Zeit kann ich nur sagen: Ich identifiziere mich sehr wohl mit den Grünen Döbling - alles andere muss erst bei mir abgewägt werden. Dafür hatte ich bis jetzt noch keinen Kopf und keine Zeit.
Das hört sich aber schon ein bisschen nach einem Bruch mit den Grünen an. Zumindest auf Landes- bzw. Bundesebene. Kann man das so interpretieren?
Also die wichtigsten Grundwerte der Grünen sind: Solidarität, Feminismus und Antirasissmus. Ich frage mich, ob diese Antwort von der Grünen Mediensprecherin - nochmal, sie meinte ich bin kein Mitglied mehr - wirklich solidarisch, feministisch oder antirassistisch war. Sobald ich eine Antwort auf diese Frage habe, kann ich eine Entscheidung treffen. Aber zur Zeit sieht es nicht danach aus.
Bezirksrätin mit Ablaufdatum
Dann erlauben Sie mir noch die Frage: Könnten Sie sich auch eine Mitgliedschaft bei einer anderen Partei vorstellen? Eine Partei mit ähnlichen Werten? Beispielsweise SPÖ oder Neos?
Es gab sehr viele Menschen, auch von anderen Parteien, die sich sehr solidarisch verhalten haben. Die mir in den schwierigen Zeiten Hilfe angeboten haben und an mich geglaubt haben. Aber auch in diese Richtung habe ich noch keine Entscheidung getroffen. Man lernt die Menschen in schwierigen Situationen erst richtig kennen. Es ist aus meiner Sicht wichtig, wie sich die Parteispitze gegenüber den Kleinsten verhält, wenn man wirklich in Schwierigkeiten ist. Ich erhielt diese Solidarität nicht von einer Partei, bei der ich 15 Jahre lang Mitglied war. Aber wie gesagt, wir werden sehen. Klar ist aber auch: Politisch in Döbling nach der Periode weiterzumachen schließe ich aus. Es ist mir daher auch wichtig, eine Nachfolgerin für mich zu finden. Es ist mir wichtig, dass die Grünen Döbling dabei die Frauen- und Migrantenquote einhalten.
Werden sie weiter im Bereich der Elementarpädagogik nach der ganzen Geschichte tätig sein?
Einen Kindergarten werde ich sicher nicht mehr eröffnen. Das ist für mich bereits abgeschlossen. Der Punkt ist: ich bin eine politisch exponierte Person. Und selbst wenn ich aus dem Bezirksparlament ausscheide, tut das einem Kindergarten nicht gut. Das humanistische Konzept der "Philo Kids" mit genderneutraler, religionsneutraler Erziehung ist für mich jedoch eine Herzensangelegenheit. Ich werde jetzt ein wenig Pause machen und dann werde ich mit diesem Konzept in irgendeine Art und Weise wieder etwas machen.
Mehr dazu:
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.